Darum der überdimensionierte Tisch als Verhandlungsort. Denn vor dem Coronavirus zeigt Russlands Herrscher den Respekt, den er gegenüber anderen Staatschefs zuweilen vermissen lässt. Um sich ja nicht der Gefahr einer Ansteckung auszusetzen, kann der Abstand zu den Gesprächspartnern gar nicht groß genug sein. Die Kuriosität der in die Welt entsendeten Bilder nimmt er in Kauf.
Doch warum verweigerte Scholz seinem Gastgeber den PCR-Test? Sein Nein soll nicht etwa bedeuten, dass er den russischen Testlaboren nicht vertraut. Auch hege der SPD-Politiker nicht etwa Befürchtungen, seine DNA könne auf diesem Wege in die falschen Hände gelangen. Schließlich könnte Moskau dieser auch auf anderem Wege habhaft werden.
„Eigentlich dürfte es nicht schwer sein, da ein paar Haare zu finden“, verriet Florian Schimikowski in der Süddeutschen Zeitung mit Blick auf die Folgen eines Staatsbesuches. Der Historiker des Deutschen Spionagemuseums in Berlin ergänzte: „Daten sind das neue Geld. Und DNA-Profile sind die sensibelsten und persönlichsten Daten, die man sich vorstellen kann.“
Allerdings ginge es Scholz vielmehr um die Symbolik, heißt es. So solle keine fremde Nation dem Bundeskanzler mit einem Wattestäbchen in Nase oder Rachen herumfummeln. Zudem gab es den Verweis auf internationale Gepflogenheiten. ZDF-Korrespondent Theo Kroll verwies auf Gründe „des Stolzes und der Selbstbestimmung“.
Insgesamt vier Tests musste der Nachfolger von Angela Merkel über sich ergehen lassen, um zu Putin vorgelassen zu werden. Die Sicherheitsvorkehrungen waren also immens. Drei negative PCR-Tests in den Tagen vor der Einreise forderte der Kreml von jedem Delegationsmitglied sowie den mitreisenden Journalisten - eine Gruppe von alles in allem mehr als 50 Personen.
Dazu kam dann der Test vor Ort. Diesen nahm bei Scholz dann kurz nach der Landung eine Ärztin der Deutschen Botschaft in Moskau vor, weshalb er erst 40 Minuten nach dem Ausrollen die Maschine verließ. Das Testgerät sei aus der Bundesrepublik mitgebracht worden. Die russischen Gesundheitsbehörden seien eingeladen gewesen, Augenzeugen der Probeentnahme zu sein.
Ein Kremlsprecher betonte, dass die ablehnende Haltung von Scholz keine Auswirkungen auf die Gespräche habe. Dies beeinflusse „weder den Charakter des Treffens noch die Inhalte oder die Dauer“. Allerdings erklärte er auch: „Manche folgen ihren eigenen Regeln. Aber in diesem Fall wird ein Gesundheitsprotokoll angewendet, um die Gesundheit unseres Präsidenten und die seines Gastes zu schützen.“
Andere Staatschefs wie Chinas Xi Jinping oder den belarussischen Diktator Alexander Lukaschenko hatte Putin zuletzt deutlich näher an sich herangelassen. Anders bei Scholz. Mit dem ging Putin zumindest räumlich deutlich auf Distanz - auch bei der Pressekonferenz. Wohlwissend, welche symbolträchtigen Bilder damit entstehen würden. Alles für die Gesundheit - zumindest offiziell. (mg)