Politiker schwärmen auf Energiesuche aus: Söder will Griechenland anzapfen – Baerbock kündigt Novum an

Deutschland will sich im Ukraine-Konflikt von russischen Energielieferungen freimachen. Nun bricht hektische Reisebetriebsamkeit aus. Auch mit dabei: Markus Söder.
Update vom 26. Mai, 17.25 Uhr: Deutschlands (und Bayerns) Spitzenpolitiker sind am Freitag ausgeschwärmt, um kommende Energieprobleme zu lösen. Allzu konkrete Ergebnisse gab es dabei allerdings zunächst nicht:
Bayerns Ministerpräsident Markus Söder will mehr Energie aus Griechenland für den Freistaat nutzen. „Wenn wir Europas Energieversorgung neu aufstellen, dürfen wir nicht nur an die Nordsee denken, wir müssen auch die Potenziale im Mittelmeer sehen“, sagte der CSU-Chef am Donnerstag beim Besuch mit seiner Fraktion in Athen. Der Weg zum Beispiel von Flüssiggas über Länder wie Italien oder Griechenland sei nach Bayern kürzer als vom Norden her. Auch Sonnenenergie aus heißen Länder müsste man mehr nutzen. Eine Arbeitsgruppe solle diese Projekte nun vorantreiben. Griechenland baut im Hafen von Alexandroupolis zum Beispiel ein Flüssiggas-Terminal.
Kanzler Olaf Scholz machte bei seiner Rede beim Weltwirtschaftsforum in Davos Werbung für einen neuen Kurs: „Wir machen Deutschland und Europa unabhängig von Energieimporten aus Russland“, sagte er. Der Ausstieg aus der russischen Kohle könne bis zum Herbst gelingen, der aus russischem Öl bis Jahresende - „und auch beim Gas arbeiten wir mit Hochdruck an der Unabhängigkeit von Russland“, sagte Scholz.
Deutschland sei dabei, mit Blick auf Flüssiggasimporte und andere Energieträger „den Ausbau der notwendigen Infrastruktur - Terminals, Häfen, Pipelines - in nie gekannter Geschwindigkeit voranzutreiben“, sagte der Kanzler. Scholz betonte, dass der russische Krieg in der Ukraine gerade in der Energie- und Klimapolitik „den Handlungsdruck auf uns erhöht“. Die Umweltorganisation Greenpeace warnte unterdessen davor, russisches Gas vor allem durch andere fossile Quellen zu ersetzen - etwa durch Importe von Flüssiggas. Dies würde weltweit die Erschließung neuer Gasfelder wieder lukrativer machen und zudem der „dringend notwendigen Reduzierung des Gasverbrauchs“ entgegenwirken, erklärte die Gruppierung.

Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) kündigte schon am Mittwoch beim Treffen der Staaten des Ostseerats im norwegischen Kristiansand an, man wolle die erste gemeinsame Offshore-Windkraftanlage schaffen. Dies sei nicht nur notwendig, um klimaneutral zu werden, sondern auch um Energiesicherheit zu gewährleisten. Deutschland wolle dafür seinen am 1. Juli beginnenden Vorsitz im Ostseerat nutzen, zu dem elf Staaten und die Europäischen Union gehören. Mit Norwegen und Island sind auch zwei Länder dabei, die nicht direkt an die Ostsee grenzen. In der vergangenen Woche kündigte die Bundesregierung bereits eine ähnliche Kooperation beim Offshore-Windausbau in der Nordsee an.
Die Kooperation mit der EU und gleichgesinnten Staaten sei entscheidend, betonte Baerbock bei einem gemeinsamen Auftritt mit ihrer norwegischen Amtskollegin Anniken Huitfeld und dem litauischen Außenminister Gabrielius Landsbergis. Nur so sei es möglich, unabhängiger von anderen Staaten zu werden und zu verhindern, dass man erpressbar sei.
Russland und Ukraine: Baerbock und Söder suchen Energielieferanten – Scholz kassiert Öko-Schelte

Vorbericht vom 25. Mai: Kristiansand/München – Erst in der Nacht auf Mittwoch hat der ukrainische Außenminister Dmytro Kuleba einen kompletten Handelsstopp für Russland eingefordert. Dazu wird es allem Anschein nach so schnell nicht kommen. Aber: Deutschland arbeitet mit Hochdruck an alternativen Importquellen für seinen Energiebedarf. Die halbe Spitzenpolitik scheint unterwegs, um externe Lösungen für wegbrechende Russland-Importe aufzutun.
Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) spricht nun in Norwegen über Offshore-Windenergie. Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) reist derweil nach Griechenland – dort soll es unter anderem um einen „Energiedialog“ gehen. Kurz zuvor hatte Kanzler Olaf Scholz (SPD) bei seiner Afrikareise dem Senegal eine Gasförderungskooperation angeboten. Doch noch ist einiges zu tun.
Ukraine-Krieg: Baerbock beim wichtigsten Energielieferanten nach Russland – Offshore-Wind soll helfen
Baerbock weilt bei einem naheliegenden Partner in der drohenden Energiekrise: In Norwegen trifft sich der Ostseerat – aufgrund des Ukraine-Konflikts erstmals ohne Russland. Deutschland übernimmt am 1. Juli den Vorsitz des Gremiums. Und die Grünen-Politikerin hat einen Hauptfokuspunkt schon benannt. Sie will die Zusammenarbeit innerhalb der Ostseeregion bei der Gewinnung von Offshore-Windenergie vorantreiben.
Mit Strom aus Wind und anderen erneuerbaren Energieträgern mache man sich frei von russischen Energieimporten und bekämpfe die Erderwärmung, erklärte Baerbock. „Der Ausstieg aus fossilen Energien ist daher nicht nur eine klimapolitische Notwendigkeit, sondern auch ein sicherheitspolitisches Gebot.“ Bei dem Treffen in Kristiansand dürfte es auch um andere Folgen des russischen Angriffs auf die Ukraine gehen. Baerbock plant außerdem ein Gespräch mit ihrer norwegischen Amtskollegin Anniken Huitfeldt.
Russlands Energievakuum: Deutschland, Norwegen und die Offshore-Windenergie
Norwegen ist für Deutschland nach Angaben der Bundesregierung der zweitwichtigste Energielieferant – nach Russland. So kommen ein Drittel der Erdgasimporte und rund sieben Prozent der Erdölimporte (Stand: März 2022) aus Norwegen. Andersherum ist Deutschland für Norwegen der größte Abnehmer von Gas.
Windkraft auf See ist neben Windkraft an Land und Solarenergie eine zentrale Säule beim Ausbau des Ökostroms in Deutschland. Die Ampel-Regierung hat im Koalitionsvertrag die Ausbauziele für die Windenergie auf See im Vergleich zu den Plänen der GroKo deutlich erhöht. Statt 20 Gigawatt (GW) bis 2030 und 40 GW bis 2040 sollen es nun 30 GW bis 2030, 40 GW schon bis 2035 und 70 GW bis 2045 werden. Derzeit sind in Nord- und Ostsee 1501 Windenergieanlagen mit knapp 7,8 GW in Betrieb, weit überwiegend in küstenfernen Gebieten in der sogenannten ausschließlichen Wirtschaftszone (AWZ), die Deutschland in internationalen Gewässern exklusiv nutzen darf.
Russlands Angriffskrieg: Söder sucht nun Energiequellen in Griechenland - „Pipelines“ für Bayern?
Markus Söder wiederum reist am Mittwoch (25. Mai) gemeinsam mit rund 50 Mitgliedern seiner Landtagsfraktion nach Griechenland. „Neben den vielfältigen kulturellen und menschlichen Beziehungen wollen wir einen Energiedialog beginnen“, sagt der CSU-Chef vorab der dpa. Griechenland baue im Hafen von Alexandroupolis ein Flüssiggas-Terminal. „Möglicherweise gibt es gemeinsame Potenziale für erneuerbare Energien und für Flüssiggas, das dann über Pipelines auch in Bayern nutzbar wäre.“
Söder betonte, dass angesichts der aktuellen Lage mit hohen Energiepreisen und Sorgen um die künftige Versorgungssicherheit „alle Optionen“ genutzt werden müssten, um „Bayerns Südrouten“ zu stärken. „Alles, was südlich und südöstlich von Bayern liegt, ist relevant. Wir haben dabei eine Brückenfunktion für ganz Deutschland.“ Es müssten „alle Potenziale“ genutzt werden, das gelte auch für gemeinsame Energieprojekte mit anderen Ländern. „Es wäre beispielsweise auch überlegenswert, ob man einen gemeinsamen Solarpark für eine gemeinsame Stromproduktion auf den Weg bringen könnte“, sagte Söder.
Neben Ministerpräsident Mitsotakis am Donnerstag will die CSU-Fraktion auch Staatspräsidentin Katherina Sakellaropoulou und Parlamentspräsident Konstantinos Tasoulas treffen. Geplant ist bei der viertägigen Reise unter anderem auch ein Besuch des Flüchtlingslagers in Attica. „Das Verhältnis zwischen Bayern und Griechenland war traditionell immer sehr gut“, sagte Söder. Während der Euro-Krise sei es zwar etwas herausgefordert gewesen, aber das habe sich wieder entspannt - „gerade auch, weil die neue Regierung einen soliden und seriösen Finanzkurs fährt“.
Scholz bietet im Senegal Gas-Kooperation an: Fridays For Future entsetzt – „Zynismus“, „dreist“
Die Afrika-Reise von Kanzler Scholz ist unterdessen bereits beendet. Kritik gibt es aber weiterhin: Vertreter der Klimabewegung Fridays for Future zeigten sich ernüchtert. „Wohlwissend, dass Deutschland die Klimaziele selbst nicht einhält und sich bis heute weigert, die zugesagten Entwicklungsgelder für Klimaanpassung an den globalen Süden zu zahlen, reist der selbst ernannte Klimakanzler in den Klima-Hotspot Afrika und bewirbt neue Gasbohrungen“, sagte Aktivistin Luisa Neubauer der dpa. Das sei an Zynismus nicht zu überbieten. „Um noch eine Chance zu haben, das Weltklima mittelfristig zu stabilisieren und uns zu schützen, kann es keine neuen Öl- oder Gasfelder mehr geben.“
Scholz hat dem Senegal Zusammenarbeit bei der Gasförderung angeboten. Es geht um die Erschließung eines Gasfelds vor der westafrikanischen Küste, an dem neben dem Senegal auch Mauretanien beteiligt ist. Der Kanzler zeigte sich auch zu einer stärkeren Kooperation bei den erneuerbaren Energien bereit.
Yero Sarr von Fridays for Future Senegal wies darauf hin, dass Afrika nur für vier Prozent der weltweiten Treibhausgas-Emissionen verantwortlich sei. Bei der Klimakonferenz in Glasgow hätten sich alle Staaten zu dem Ziel bekannt, die Erderwärmung auf 1,5 Grad im Vergleich zum vorindustriellen Zeitalter zu begrenzen. „Das sollte auch für einen Kanzler wie Olaf Scholz nicht zu schwer zu verstehen sein. Und jetzt reist er zu uns nach Senegal und bewirbt die Erschließung neuer Gasbohrungen. Wir sagen euch, was das ist: Es ist dreist.“ Es brauche vielmehr Unterstützung für den Umstieg auf erneuerbare Energien.
Scholz hatte seit Sonntag bei seiner ersten Afrika-Reise in drei Tagen den Senegal, Niger und Südafrika besucht. Für eine Reise nach Katar hatte im Frühjahr auch schon Vizekanzler Robert Habeck (Grüne) teils herbe Kritik geerntet. (dpa/fn)