Fluss-Überquerung wird für Russland wohl zum Debakel - Ex-General: „Bedeutender Rückschlag“

Bei der Überquerung des Flusses Donez haben russische Truppen viele Fahrzeuge und Soldaten verloren. Ein amerikanische Ex-General erklärt nun die Auswirkungen.
Sjewjerodonezk - „Bilohoriwka hält gerade dem russischen Ansturm stand, unsere Verteidiger haben zweimal Pontonbrücken zerstört“, das vermeldete der Militärgouverneur Serhij Hajdaj, des ostukrainischen Gebiets Luhansk, am Donnerstag. Etwa 100 Kilometer nordwestlich der Stadt Luhansk hätten russische Truppen im Krieg in der Ukraine versucht den Fluss Siwerskyj Donez nahe der Stadt Bilohoriwka zu überqueren. Die so genannten Pontonbrücken sind Brücke bestehend aus speziellen Schwimmkörpern, die militärischen Gefährten die Überquerung von Flüssen ermöglichen sollen.
Am Donnerstagmorgen (12. Mai) konnte die 17. Panzerbrigade der ukrainischen Armee den russischen Truppen wohl diesen schmerzhaften Schlag zufügen. Drohnenaufnahmen sollen zerstörte russische Fahrzeuge zeigen. Experten vermuten Hunderte Tote. Mick Ryan, ein US-Ex-General erklärt auf Twitter die Bedeutung dieser gescheiterten Fluss-Überquerung.
Ukraine-Krieg: Bewaffnete Flussüberquerungen sind ein schwieriges militärisches Manöver
In einer ausführlichen Erklärung präsentiert Mick Ryan die Schwierigkeiten einer solchen Fluss-Überquerung auf seinem Twitter-Kanal. Dabei betont er, wie kompliziert und aufwendig solche Manöver sind. Vor allem vor und bei der Überquerung seien die Truppen besonders verwundbar. Aus seiner eigenen Zeit beim US-Militär berichtet Ryan: „Wenn wir als Brigade erfolgreich Flussüberquerungen durchführen können, können wir auch jede andere kombinierte Waffenmission durchführen.“
Dabei ist eine solche Flussüberquerung in sechs Phasen unterteilt, wie der US-Militärexperte weiß:
- 1. Erkundung und Planung: Warum braucht man die Überquerung, wo wird sie gemacht und was passiert auf der anderen Seite des Flusses?
- 2. Unterdrückung: Dem Feind (in dem Fall die Ukraine) soll der Zugriff auf Aufklärungs-, Überwachungs-, Beschussmöglichkeiten der Stelle der Überquerung verwehrt werden.
- 3. Undurchsichtig machen: Dazu gehören unter anderem nächtliche Aktionen, Rauch, elektronische Störsender, Täuschungsmanöver an anderen Stellen und möglichst viele Feinde nahe der Überquerungsstelle erledigen.
- 4. Sicherung: Streitkräfte der eigenen Seite sichern die Zufahrtswege zur Überquerungsstelle, die Sammelplätze sowie das Haupt- und Nebenufer der Überquerung.
- 5. Reduzierung von Hindernissen: Ausschaltung des Hindernis (Fluss) für die eigene Truppe, meist mindestens zwei Überquerungsstellen und eine Reserve.
- 6. Angriff: Die Truppen überqueren die Brücken und verteilen sich auf der anderen Seite des Übergangs, um den weiteren Vormarsch vorzubereiten.
US-Militärexperte: Ziel war Stärkung der Hauptachse des russischen Vormarschs
Eine solche Flussüberquerung und die Durchführung der sechs Phasen erfordert viele Ressourcen, wie Ryan weiß: seien es Personal, Planung oder Material. Mit dem Bau der Brücken über den Fluss und der anschließenden Überquerung hätten die Russen, Ryan zufolge, das Ziel verfolgt, ihre Hauptachse des Vormarschs zu stärken. Und genau das ist der Grund, warum die Zerstörung der Brücken durch die ukrainischen Truppen so schmerzhaft ist. Ryan schreibt: „Wahrscheinlich hat nicht nur ein Bataillon, sondern eine ganze Brigade einen großen Teil ihrer Kampfkraft verloren.“
Zu der verlorenen Kampfkraft zählt auch einiges an Brückenbau-Ausrüstung, die für den weiteren Verlauf des Krieges und des Vormarschs noch von Bedeutung hätte sein können.
US-Ex-General sieht „bedeutenden Rückschlag“ des Vormarschs
„Durch die Niederlage bei der Überquerung des Angriffsflusses haben die Russen wahrscheinlich eine Vormarschachse verloren, von der sie offensichtlich dachten, dass sie für ihre Ostoffensive von Nutzen sein würde. Dies ist ein bedeutender Rückschlag für sie“, so hebt Mick Ryan, der US-Ex-General, nochmals die Zerstörung dieser Hauptachse als besonderes relevant hervor.
Wie erfolgreich der ukrainische Schlag gegen die russischen Truppen dennoch wirklich war, lässt sich nur schwer unabhängig einschätzen. In einem weiteren Bericht konstatiert Militärgouverneur Hajdaj nämlich, dass es den Angreifern wohl doch gelungen sei, den Fluss zu überqueren. Die Situation habe sich demnach „bedeutend verschlechtert“.