Gespaltene Meinung auf den Straßen von Moskau: Ukraine-Krieg Fluch oder Segen für Russland?
Wie sehen die russischen Bürger die Entwicklungen im Ukraine-Krieg? Ein von einem Radiosender erhobenes Stimmungsbild zeigt eine geteilte Meinung.
Moskau — Der Krieg zwischen Russland und der Ukraine dauert nun seit über neun Monaten an. Viel hat sich seitdem getan auf dem Schlachtfeld. Standen die Truppen von Präsident Wladimir Putin im März noch vor den Toren von Kiew, liegen die Frontlinien inzwischen im Osten und Südosten des Landes. Die Truppen beider Seiten wurden durch den andauernden Kampf stark in Mitleidenschaft gezogen. Berichte zeigen prekäre Zustände sowohl bei den russischen, als auch bei den ukrainischen Truppen. Unzählige Soldaten und Zivilisten haben im Ukraine-Krieg ihr Leben verloren.
Moskaus Bürger zum Ukraine-Krieg: „Russland gewinnt immer. Es verliert nie“
Und wofür? Mit dieser Frage hat sich der US-finanzierte Rundfunkveranstalter Radio Free Europe auf die Straßen von Moskau begeben und die Bewohner um eine Einschätzung gebeten. Das Meinungsbild in der russischen Hauptstadt, das der Sender zeichnet, ist ein diverses. Nur in einer Sache sind sich die Bürger einig: Als „Krieg“ bezeichnet niemand das, was sich aktuell in der Ukraine abspielt. Die Befragten wählen die offizielle Bezeichnung des Kreml: „Militärische Spezialoperation“.

Und auch in der Einordnung der Entwicklungen schließen sich einige der vom Kreml vorgegebenen Linie an. „Wir hatten keine Zeit zu verlieren. Wir mussten es tun und wir haben gewonnen“, sagte eine befragte Russin dem Radiosender zu den Gründen für die Invasion. „Russland gewinnt immer. Es verliert nie. So ist es schon seit Jahren“, stimmt eine weitere Moskauer Bürgerin zu. Sie habe durch die Spezialoperation nur eine Sache verloren, erklärt die Frau weiter: Ihre Freiheit zu reisen. „Aber Russland ist so groß, ich werde so mehr von Russland sehen.“ Ein weiterer Mann betont in Linie mit der Kreml-Darstellung: „Es gibt keinen Platz für Faschisten auf der Welt.“
Ukraine-Krieg: Auch kritische Stimme aus Russland — „Ich kann nur die Verluste sehen“,
Auf den Ukraine-Krieg angesprochen, wollten sich jedoch nicht alle Befragten äußern. „Ich würde lieber nichts über die militärische Spezialoperation sagen. Ich glaube einfach, dass es eines Tages Frieden geben wird“, sagte einer der Befragten. „Ich kann darüber nichts sagen, wie ihr genau wisst“, erklärt ein weiterer Mann den Journalisten. Kritik an der russischen Regierung kann in der Bevölkerung nicht ohne Gefahr geäußert werden.
Trotzdem hielt dies diverse Bürger Moskaus nicht vor einer kritischen Äußerung über den Ukraine-Krieg ab. „Russland hat offensichtlich die Leben seiner Soldaten verloren. Doch was haben wir gewonnen? Für mich persönlich überwiegen die Verluste die Gewinne“, erklärte ein weiterer befragter Bürger. „Das ist eine schwierige Frage. Ich sehe keine Gewinne. Ich kann nur die Verluste sehen“, lautete die Kritik eines anderen Mannes. Ein junger Mann sorgte sich im Interview über die westlichen Sanktionen und die „Krise“ in Russland. Er verwies zudem darauf, dass viele Marken das Land verlassen hätten.
Krieg zwischen Russland und der Ukraine: Ende nicht vorhersehbar
Unklar ist aktuell jedoch, wie der Kreml einen Sieg in der „militärischen Spezialoperation“ gegen die Ukraine definiert. Der Fokus der russischen Streitkräfte konzentriert sich aktuell jedoch auf die durch Präsident Putin als annektiert erklärten Regionen Donezk, Luhansk, Saporischschja und Cherson.
In letzterem musste die russische Armee jedoch zuletzt einen herben Rückschlag einstecken, als sich die Militärführung für einen Rückzug aus der gleichnamigen Regionalhauptstadt entschied. Ukrainische Offizielle beharrten zuletzt wiederholt darauf, dass Ukraine die russischen Besatzer für einen Sieg hinter die Grenzen vor 2014 zurückdrängen müsste. Das würde auch eine Rückeroberung der völkerrechtswidrig annektierten Halbinsel Krim bedeuten. (fd)