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Kriegswende? Ukraine gewinnt mit Vorstoß Gelände zurück – Putins Armee gehen die Waffen aus

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Von: Wolfgang Hauskrecht

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Die Ukraine verzeichnet offenbar Geländegewinne – während Russland die Munition knapp zu werden scheint. Auch der Gaspreis fällt. Wendet sich das Kriegsglück?

München – Viel ist von der Front derzeit nicht zu erfahren. Aber was über soziale Netzwerke durchsickert und sonst öffentlich gemacht wird, deutet darauf hin, dass die Gegenoffensive Wirkung zeigt. Gestern vermeldete der ranghohe ukrainische Militär Oleksij Gromow die Rückeroberung von 20 Ortschaften in der Region Charkiw. Man sei 50 Kilometer ins feindliche Gebiet vorgedrungen. Russischen Kriegskorrespondenten zufolge sind russische Einheiten von der Einkesselung bedroht . Auch im Süden rund um Cherson sei man „tief“ in die russischen Stellungen eingedrungen und habe „mehrere Ortschaften befreit“, so Gromow. Der britische Geheimdienst erklärte, die Ukraine attackiere wichtige russische Nachschubwege.

Ukraine: Wendet sich das Kriegsglück? Wie westliche Experten die Situation beurteilen

Geht Russland im Ukraine-Krieg die Luft aus? Präsident Wladimir Putin beteuert weiterhin einsilbig, alles laufe nach Plan. Viele westliche Experten beurteilen die Lage anders. Putins Armee habe eklatante Nachschubprobleme, sagte etwa der Militärökonom Marcus Keupp auf ntv. Es fehle an Soldaten, Waffen, Munition, Panzern. Der Dozent der Militärakademie der ETH Zürich spricht von einer Verlustquote, wie es sie „nicht einmal im Zweiten Weltkrieg“ gegeben habe. Keupp zufolge habe Russland vor dem Krieg rund 2.700 einsatzfähige Panzer gehabt und davon bereits an die 1.000 verloren – also fünf Panzer am Tag. „Spätestens in einem Jahr hat die russische Armee keine Panzer mehr, wenn die Abnutzung so weitergeht.“

Ähnlich sieht es laut Keupp bei der Artillerie aus. Noch bis Ende Juli hätte Russland bis zu 50.000 Granaten täglich verschossen. „Nun wird es im Donbass langsam still“, sagte er dem Nachrichtenportal. Auch die Kanonen würden knapp. Keupp beruft sich auf eine neue Beobachtung, wonach Russland seit vergangener Woche teure und schwer produzierbare Flugabwehrsysteme als Artillerie nutzt – worunter die Flugabwehr leide. Dass Russland für ausreichend Ersatz sorgen kann, glaubt Keupp nicht. Selbst wenn, fehle es an Soldaten, die einen Panzer nicht nur fahren, sondern auch taktisch nutzen könnten. Keupps Fazit: Durch die Waffenlieferungen der Nato werde die Ukraine immer stärker, während Russland seine Reserven abnutze. „Ich würde sagen, in vier Wochen sind wir beim ungefähren Gleichstand.“

Alle aktuellen Informationen finden Sie in unserem News-Ticker zum Ukraine-Krieg.

Putins Lage in Ukraine-Krieg zunehmen schlechter: Wirtschaftssanktionen helfen

Die Wirtschaftssanktionen tragen Experten zufolge dazu bei. Wegen des Technologie-Embargos kann Russland nur schwer Militärgerät kaufen und es fehlt an Bauteilen für die eigene Waffen-Produktion – die Experten ohnehin für schwach halten. Die russische Industrie habe nicht „das Potenzial, die Produktion ernsthaft hochzufahren, schrieb Pavel Luzin, russischer Experte für internationale Beziehungen, jüngst auf dem russischen Portal The Insider.

Ukrainische Streitkräfte haben mehr als 1000 russische Soldaten eingekesselt (Symbolfoto).
Ukrainische Streitkräfte haben mehr als 1000 russische Soldaten eingekesselt (Symbolfoto). © dpa

Russland sucht zunehmend die Hilfe befreundeter Länder. So lieferte der Iran Drohnen, aus Nordkorea will Putin Millionen Artilleriegranaten und Raketen kaufen. Guntram Wolff, Direktor der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik, wertet das als Akt der „Verzweiflung“. Die Sanktionen hätten Russlands militärische Kapazitäten „erheblich geschwächt“, sagte Wolff dem Handelsblatt. Angeblich macht sich beim russischen Militär sogar Furcht breit, was zu einem Soldatenmangel führe.

Mehr Gas von Norwegen als Russland: Putins „Gas-Waffe“ kommt zunehmen abhanden

Auch eine andere Waffe kommt Putin zunehmend abhanden: das Erdgas. Der Anteil russischen Gases in Europa ist laut EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen von 40 auf 9 Prozent gesunken. Norwegen schickt der EU-Kommission zufolge inzwischen mehr Gas als Russland, auch der Import von US-Flüssiggas steigt. Weitere Entspannung könnten Frankreichs Atomkraftwerke liefern – die allerdings Wartungsbedarf haben.

Der Gasmarkt reagiert als Folge nicht mehr so nachhaltig. Der Preis für europäisches Erdgas lag gestern mit 197 Euro je Megawattstunde auf dem tiefsten Stand seit Anfang August, nachdem er zu Wochenbeginn wegen des vorläufigen Lieferstopps über die Pipeline Nord Stream 1 noch Richtung 300 Euro geschnellt war. Asien funktioniert als Ersatzmarkt für Putin nur begrenzt. Es fehlt an Pipelines dorthin. Experten zufolge kann Asien den Lieferausfall nach Europa ohnehin nicht kompensieren.

Was all das am Ende bedeutet, ist die Frage. Knickt Putin ein? Droht er erneut mit Atomwaffen? Im Moment scheint Russlands Machthaber noch darauf zu spekulieren, dass die Rezessionsangst die Menschen im Westen auf die Straße treibt – und Europa zum Einlenken zwingt.

Die UN erhebt gegen Russland zahlreiche Menschenrechtsverletzungen. So werden ukrainische Kinder verschleppt und in Russland zur Adoption freigegeben.

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