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Mögliche Ukraine-Demo mit Höcke-Rechten und Gerüchte um neue Parteigründung: Wohin will Sahra Wagenknecht?

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Von: Marcus Mäckler, Leonie Hudelmaier

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Nach Corona und Energiekrise bringen nun die Waffenlieferungen an Kiew die politischen Extreme zusammen. In Berlin könnten am Samstag Wagenknecht-Linke mit Höcke-Rechten demonstrieren. Das Signal für ein neues Bündnis?

München – Der Mann am Mikrofon kriegt sich gar nicht mehr ein. „Wir brauchen die große Querfront für den Frieden“, sagt er. Von Höcke bis Wagenknecht müsse sie reichen, also von ganz rechts bis weit links. Dann, ruft Jürgen Elsässer, heiße es nur noch „Deutschland einig Vaterland“. Und die Zuhörer bei der Kundgebung am vergangenen Samstag gegen die Münchner Sicherheitskonferenz, einige mit „Ami go home“-Plakaten bewaffnet, brechen in Jubel aus.

Elsässer ist Chefredakteur des rechtsextremen Magazins „Compact“. Radikale wie er träumen vom politischen Schulterschluss mit linken Kräften; sie sehen die Zeit gekommen. Elsässer, früher selbst ein Linker, hat auch schon eine Galionsfigur erkoren: Sahra Wagenknecht. Im Dezember hob er sie sogar auf den Titel seines Kampfblatts. „Die beste Kanzlerin“, stand da. „Eine Kandidatin für Links und Rechts.“

„Die beste Kanzlerin“ - Wie steht Wagenknecht zur Unterstützung von Rechts?

Es ist nicht so, dass Wagenknecht das gutheißt. Aber sie wehrt sich auch nicht gegen die Vereinnahmung. Im Protest gegen die deutsche Ukraine-Politik findet offenbar zusammen, was eigentlich nicht zusammengehört.

Sarah Wagenknecht während einer Wahlkampfkundgebung in Bonn.
Sahra Wagenknecht während einer Wahlkampfkundgebung in Bonn. © IMAGO / Rainer Unkel

Elsässer trommelt seit Tagen zur Teilnahme an Wagenknechts Berliner „Friedens-Demo“. Davor erwärmte sich AfD-Chef Tino Chrupalla für das umstrittene „Manifest für Frieden“, das die Linken-Politikerin mit Alice Schwarzer verfasst hat. Parteigrenzen, schreibt Chrupalla, dürften keine Rolle spielen. Danach gefragt, ob Leute wie er überhaupt willkommen seien, sagt Wagenknecht dem „Spiegel“, es sei „jeder willkommen, der ehrlichen Herzens für Frieden und für Verhandlungen“ sei. Ihr Ehemann Oskar Lafontaine sagt in einem Interview, bei der Kundgebung vor dem Brandenburger Tor werde es „keine Gesinnungsprüfung“ geben und niemand werde nach seinem Parteibuch gefragt. Abgrenzung nach rechts? Fehlanzeige.

Waffenlieferungen an Kiew bringen die politischen Extreme zusammen

Vereinzelt führt das zu Protesten: Der Politik-Wissenschaftler Johannes Varwick etwa, einer der 69 Erstunterzeichner des Manifests, zog seine Unterschrift wegen der mangelnden Distanz nach rechts zurück. Auch Wagenknechts Partei unterstützt ihren Aufruf nicht. Für die Linke sei es schwierig, dass „Sahra Wagenknecht als stark umstrittene Persönlichkeit innerhalb der eigenen Partei mit linkskonservativen und nationalistischen Positionen sehr wohl auch rechte Positionen bedient“, erklärt Gesine Höltmann, Sozialwissenschaftlerin vom Zentrum für Zivilgesellschaftsforschung.

Linken-Chefin Janine Wissler, Fraktionsvorsitzender Dietmar Bartsch, Sarah Wagenknecht und Ex-Fraktionsvorsitzender Bernd Riexinger.
Genossen oder Gegner? Von links: Linken-Chefin Janine Wissler, Fraktionsvorsitzender Dietmar Bartsch, Sahra Wagenknecht und Ex-Fraktionsvorsitzender Bernd Riexinger. © Imago

Gut möglich, dass sie das aber gar nicht besonders stört. Seit einer Weile schon hält sich das Gerücht, Wagenknecht gründe bald eine neue Partei, eine Art lagerübergreifendes Sammelbecken der Unzufriedenen. Die Berliner Kundgebung wäre demnach eine Art Testlauf: Wie viele Menschen kann sie hinter sich versammeln? Angemeldet sind 10.000 Teilnehmer, Wagenknecht rechnet aber mit „vielen Tausend“ mehr. Das könnte Ansporn für die Parteigründung sein. Mit wem sich Wagenknecht dort dann tatsächlich im Schulterschluss positioniert, ist gleichzeitig „ein wichtiges Indiz für ihre eigene Positionierung und ausschlaggebend für die weitere Entwicklung innerhalb der Linkspartei“, sagt Höltmann.

Besonders AfD-Wähler könnten zu neuer Wagenknecht-Partei wandern

In der AfD ist man bei einer Wagenknecht-Partei vor allem um Wählerstimmen besorgt. Im Oktober sagte AfD-Vorsitzende Alice Weidel, dass die Linken-Politikerin großen Zuspruch aus „großen Teilen unseres Wählerumfeldes“ bekomme. Entstanden sei „eine gewisse Konkurrenz“. Der Landesvorstand Sachsen-Anhalt warnte in einer Mail an seine Mitglieder vor Wagenknecht: Auch wenn ihre Aussagen „geradehin so klingen, als kämen sie von der AfD“, müsse deutlicher gemacht werden, dass „wer diese Politik haben will, AfD wählen muss“, zitierte der „Spiegel“ aus der Mail. Wohl auch um die AfD entsprechend zu positionieren, haben Chrupalla und Vertreter der AfD angekündigt, nicht an ihrer Demo teilzunehmen.

Es ist die Skepsis gegenüber den USA, aber auch die Sympathie für Russland, in der sich linke und rechte Lager oftmals treffen – und dort versucht Wagenknecht womöglich anzusetzen. Laut Umfragen hätte vor allem im Osten „eine ,Liste Sahra Wagenknecht‘ ein gewisses Wählerpotenzial“, sagt Höltmann. Darunter seien derzeitige Wähler von AfD und Linke am stärksten vertreten.

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