Scholz bleibt Entscheidung erspart: Polen liefert der Ukraine keine Kampfjets aus DDR-Beständen

Die von Polen an die Ukraine gelieferten Kampfjets stammen nicht aus DDR-Beständen. Damit braucht es keine Zustimmung aus Deutschland. Doch es dürften nicht die letzten Flieger sein, die in den Krieg ziehen.
Warschau – Bundeskanzler Olaf Scholz kommt zumindest vorerst um eine heikle Entscheidung im Ukraine-Krieg herum. Denn Polen braucht nun doch kein Go vom SPD-Politiker für die Lieferung von Kampfjets an seinen östlichen und von Russland überfallenen Nachbarn. Wie Jacek Siewiera, Sicherheitsberater des polnischen Präsidenten Andrzej Duda, in einem Interview mit der Deutschen Presse-Agentur (dpa) klarstellte, stammen die vier Mig-29 sowjetischer Bauart, die der Ukraine übergeben werden, nicht aus Deutschland: „Das sind keine deutschen Flugzeuge.“
Somit muss die Bundesregierung der Lieferung nicht zustimmen. Weil Deutschland im Jahr 2002 Polen 23 Kampfjets des Typs verkauft hatte, die die Bundeswehr von der Nationalen Volksarmee (NVA) der DDR übernommen hatte, war die Diskussion aufgekommen, dass die nun an die Ukraine gelieferten Jets aus dem Bestand stammen könnten. Laut Siewiera besitzt Polen noch etwa ein Dutzend der ehemaligen DDR-Kampfflieger, die jedoch „zunächst im Dienste der polnischen Streitkräfte bleiben“ werden.
Über die Herkunft der vier Jets machte der Leiter des Nationalen Sicherheitsbüros keine Angaben. Medienberichten ist zu entnehmen, dass Polen 1989 zwölf Mig-29 von der Sowjetunion gekauft hat, sechs Jahre später folgten zehn aus Tschechien.

Polen liefert Kampfjets an die Ukraine: Folgen auch Modelle mit DDR-Vergangenheit?
Mitte März hatte Duda angekündigt, die vier Flieger an die Ukraine übergeben zu wollen. Weitere Kampfjets könnten folgen, diese werden für einen späteren Transfer vorbereitet. Sollte Warschau Mig-29-Jets aus ehemaligen DDR-Beständen weiterreichen wollen, müsste sich die Regierung in Berlin die Genehmigung dazu einholen. So ist es in den Verkaufsverträgen für Rüstungsgüter aus Deutschland in der Regel festgeschrieben.
Die Antwort darauf würde in der Bundesrepublik mit Spannung erwartet werden, denn die Bundesregierung sträubt sich davor, selbst Kampfjets in das Kriegsgebiet zu entsenden. Bislang war die Ampel darüber im Unklaren gelassen worden, woher die von Polen an die Ukraine übertragenen Jets stammen.
Video: Polen schickt Kampfflugzeuge in die Ukraine
Kampfjets für die Ukraine: Auch Nordmazedonien und die Slowakei haben geliefert
Während Deutschland also wie zuvor bei Waffen im Allgemeinen und später bei Kampfpanzern nun bei Jets den Daumen senkt, haben zwei andere Länder der Ukraine bereits mit militärischer Unterstützung aus der Luft ausgeholfen. Nordmazedonien schickte vier Jets des sowjetischen Typs Suchoi 25, die Slowakei lieferte vier Mig-29 und will in den nächsten Wochen neun weitere folgen lassen.
Nachdem der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj zuletzt wiederholt betont hatte, seine Luftstreitkräfte würden moderne Flugzeuge benötigen, scheinen sich immer mehr Verbündete darauf einlassen zu können. In Frankreich wird darüber diskutiert, ob Flugzeuge vom Typ Mirage 2000-9 an die Ukraine geliefert werden sollen. Präsident Emmanuel Macron sagte dazu: „Ich schließe absolut nichts aus.“
Die finnische Ministerpräsidentin Sanna Marin überraschte während ihres jüngsten Ukraine-Besuchs mit der Aussage, es könne über die Bereitstellung finnischer Hornet-Kampfjets diskutiert werden. Offen für die Lieferung westlicher Kampfjets zeigte sich auch der niederländische Ministerpräsident Mark Rutte beim Besuch von Scholz Anfang der Woche.
Liefert die USA Kampfjets an die Ukraine? Offenbar schon Pro-Stimmen im Kongress
Dagegen hat US-Präsident Joe Biden eine Lieferung von F-16-Jets bislang ausgeschlossen. Im Kongress sollen aber sowohl bei den Demokraten als auch bei den Republikanern Stimmen laut werden, die für einen solchen Schritt eintreten.
In dem dpa-Interview sagte Siewiera an die Verbündeten gewandt: „Ich bin sicher, dass es keine roten Linien geben sollte.“ Allerdings verwies er darauf, dass die Luftwaffe der Ukraine für den Einsatz moderner westlicher Kampfjets speziell ausgebildet werden müsse und zudem eine neue Taktik benötige. Daher sieht Siewiera deren Lieferung nicht als Priorität an: „Ich denke, der Westen sollte sich dringend auf Munition und all diese sofort einsatzbereiten Waffentypen konzentrieren – und erst dann auf westliche Kampfjets.“ (mg, dpa)