„Da sind uns die Hände gebunden“: Schweden in Erdogans Griff – Siko-Debatte zeigt das Dilemma

Was, wenn Erdogan „Nein“ sagt? Finnlands Präsident und der Nato-Generalsekretär üben bei der Siko den Schulterschluss. Entwarnung geben können sie nicht.
München - Die Türkei blockiert weiterhin den Nato-Beitritt von Schweden und Finnland. Oder genauer gesagt: den Schwedens. Denn Finnland hat von Präsident Recep Tayyip Erdogan mittlerweile das mehr als heikle Angebot erhalten, dem Bündnis „alleine“ beizutreten. Schweden werde „schockiert“ sein, hatte er zuletzt beinahe maliziös-genüsslich erklärt.
Der richtige Umgang mit dieser Lage war am Samstag (18. Februar) auch bei der Münchner Siko Thema. Das Ergebnis: Es ist kompliziert. Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg betonte, er arbeite „unermüdlich“ an grünem Licht aus Ankara für beide Länder – und er sei zuversichtlich, dass das bis zum Nato-Gipfel in Vilnius im Juli gelinge. Auch Finnlands Präsident Sauli Niinistö versicherte, man werde sich nicht „auseinanderdividieren“ lassen.
Doch am Ende räumten beide auch ein: Wenn der türkische Präsident Erdogan nur diesen Schritt zulasse, dann werde Finnland wohl auch ohne Schweden den Schritt in die Arme der Nato machen. Trotz aller historischen Verbindungen zu Schweden und trotz des „gemeinsamen“ Beitrittsantrags. Eine Rolle scheinen dabei auch Formalia zu spielen: Rein praktisch geht es um zwei getrennte Ersuchen. Und mit dem Go aus der Türkei (sowie aus Ungarn) wäre Finnland als Mitglied bestätigt. Die Äußerungen von Stoltenberg und Niinistö klangen nicht gerade nach einer Kapitulation – aber ein gewisser Fatalismus schien mitzuschwingen.
Erdogan blockiert Schwedens Nato-Beitritt: Finnland befürchtet „schwierige Situation“
„Unsere Position ist glasklar: Wir haben zusammen mit Schweden ein Beitrittsgesuch geäußert“, sagte Niinistö in der gemeinsamen Diskussionsrunde mit Stoltenberg. Es liege aber „alles in den Händen der Türkei“: „Wir haben viele Botschaften aus der Türkei erhalten – und da muss man aufpassen, denn manchmal ändern sich die Signale. Aber Schritt für Schritt haben die Türken ausgedrückt, dass sie Finnlands Beitrittsgesuch unterstützen wollen – aber nur das von Finnland.“
Auf diese „Spaltungsversuche“ reagiere man gar nicht erst, versicherte Niinistö. Wenn es aber bei dem türkischen Urteil bleibe, dann sei das „eine schwierige Situation“. „Da sind uns die Hände gebunden“, beklagte das Staatsoberhaupt. Finnland könne schließlich nicht einfach das Beitrittsgesuch zurückziehen. Seinen Teil habe das Land getan.
Auch Stoltenberg konnte bei allem demonstrativen Optimismus keinen anderen Bescheid erteilen. „Meine Botschaft ist, dass beide Länder für den Ratifizierungsprozess bereit sind. Ich fordere dazu auf, die Ratifizierung abzuschließen“, sagte der Nato-Generalsekretär. Beide Länder müssten beitreten. Gleichwohl sprach auch er von einer „türkischen Entscheidung“: Wenn die Türkei nur eines der beiden Ansuchen ratifiziere, dann werde nur Finnland ein Bündnismitglied. Stoltenberg betonte aber, schon jetzt säßen sowohl Schweden als auch Finnland als „Eingeladene“ mit am Nato-„Tisch“.
Schweden und Finnland in die Nato? Pistorius erhöht bei der Siko Druck auf Erdogan
Einige Minuten zuvor war auch die finnische Ministerpräsidentin Sanna Marin auf dem Podium der „Main Hall“ im Hotel Bayerischer Hof Rede und Antwort gestanden. „Wir möchten gemeinsam mit Schweden Mitglied werden. Nicht nur, weil wir gute Nachbarn sind, gute Freunde“, sagte sie. Die Nato würde ebenfalls von der Stärke beider Länder profitieren. „Wir können natürlich nicht die Ratifizierungsentscheidung eines anderen Landes beeinflussen“, konstatierte aber auch Marin. Damit war das Thema beendet – der Nato-Beitritt war eigentlich nicht Gegenstand des Panels.
Den Druck auf Erdogan zu erhöhen, versuchte am Samstagnachmittag auch Deutschlands Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) noch einmal. Der Beitritt Schwedens und Finnlands sei „im Interesse unserer schwedischen und finnischen Freunde, aber auch im Interesse des Verteidigungsbündnisses“, sagte er in seiner Rede vor dem Siko-Plenum.
Entscheidend ist vorerst aber wohl, ob Erdogan den Beitritt in seinem Interesse sieht: Der türkische Präsident befindet sich mitten im Wahlkampf. Einige Beobachter halten das Veto und den lautstarken Streit über Koranverbrennungen in Schweden nicht zuletzt für ein Manöver zur Sicherung des Wählerrückhalts in der Türkei. Ob damit im Umkehrschluss die Chancen nach den mutmaßlich im Mai stattfinden Wahlen für Schweden steigen – es bleibt fürs Erste offen. (fn)