Nato-Beitritt in Sicht? Rekord-Umfrage in Schweden – Finnischer Minister warnt vor Russlands Machtstreben

Geht es nun schnell? Finnland debattiert offiziell über den Nato-Beitritt – in Schweden dreht sich im Ukraine-Konflikt die Stimmung langsam sogar bei eingefleischten Gegnern.
Stockholm – In der Frage eines Nato-Beitritts von Schweden und Finnland wird es langsam ernst: Eine neue Umfrage in Schweden zeigt wohl vor allem angesichts des Ukraine-Konflikts wachsende Zustimmung zu dem möglichen Schritt – auch ein Leitmedium der traditionell Nato-kritischen Regierungspartei der Sozialdemokraten schwenkt mittlerweile um. In Finnland lief am Mittwoch (20. April) eine mehrstündige Parlamentsdebatte zum Thema. Weitere Schritte könnten dann vergleichsweise schnell folgen.
Schweden vor Nato-Beitritt: Umfrage zeigt Rekord-Zustimmung - Leitmedium ändert Kurs
In Schweden ließ eine Umfrage des Instituts Demoskop aufhorchen. 57 Prozent der Befragten sprachen sich darin für einen Nato-Beitritt aus. Satte sechs Prozentpunkte mehr als noch im vergangenen Monat und zugleich der höchste bislang gemessene Zustimmungswert. 21 Prozent der Befragen waren gegen eine Nato-Mitgliedschaft Schwedens, 22 Prozent zeigten sich unentschlossen.
In Auftrag gegeben hatte die Erhebung die Boulevardzeitung Aftonbladet. Sie gilt als sozialdemokratisch geprägt. Und genau auf die Sozialdemokraten richten sich nun auch die Blicke in Stockholm. Sie führen unter Ministerpräsidentin Magdalena Andersson eine Minderheitsregierung. 41 Prozent ihrer Wähler sprachen sich für die Nato aus – das waren sogar 12 Prozentpunkte mehr als im Vormonat. Andersson hatte beim Thema Nato-Beitritt lange gebremst, zuletzt angeblich aber sogar konkrete Pläne gefasst.
Auch Aftonbladet selbst änderte nun seine Ansicht: „Wladimir Putins Krieg zeigt, dass wir der Nato beitreten müssen, um Schwedens Sicherheit zu garantieren“, schrieb die Zeitung am Mittwoch in einem Leitartikel, in dem sie ihre neue Position näher erläuterte. Auch schwedische Militärexperten hatten zuletzt eher nüchtern-kühl auf Drohungen aus dem Kreml reagiert.
Nato-Schutz im Ukraine-Krieg? Finnland debattiert den Beitritt - Warnung vor Russland
Auch Finnlands Regierungschefin Sanna Marin hat jüngst angekündigt, ihr Land könne in der Frage innerhalb der kommenden Wochen einen Beschluss fassen. Am Mittwoch nahmen die 200 Abgeordneten der Eduskunta, des Reichstags in Helsinki, Diskussionen über eine sicherheitspolitische Analyse der Regierung auf, die unter anderem Vorteile und Risiken eines möglichen finnischen Nato-Beitritts benennt.
Nach der Debatte befassen sich verschiedene Ausschüsse mit dem Bericht, ehe das Thema zurück ins Parlament geht. Der gesamte Prozess dürfte einige Wochen in Anspruch nehmen. Die Regierung und Staatspräsident Sauli Niinistö müssen all das nicht abwarten, sie können sich jederzeit zu einem Nato-Antrag entschließen. In solch einer wegweisenden Frage wird in dem Land jedoch ein breiter Konsens angestrebt - auch, weil die Frage vor dem Beschluss, ob sich Finnland für einen Beitritt entscheidet, letztlich an den Reichstag zurückgehen wird.
Außenminister Pekka Haavisto gab jedoch eine klare Präferenz zu erkennen. „In einer Lage, in der Russland versucht, Interessenssphären aufzubauen und bereit ist, auch militärische Gewalt anzuwenden, kann Finnland Bewegungsspielraum schrumpfen, wenn wir nicht reagieren“, erklärte er laut einem Bericht der Zeitung Hufvudstadsbladet. Auch die Regierungsparteien SDP, Grüne und die oppositionelle konservative Sammlungspartei sendeten Signale pro Nato. Die SDP allerdings eher vorsichtig: „Wir sind bereiten, die Beschlüsse zu fassen, die am besten Sicherheit garantieren“, sagte Fraktionschef Antti Lindtman.
Finnland und Schweden wollen „enge Partner“ bleiben: Putins Drohungen bereiten Sorge
Der russische Angriffskrieg auf die Ukraine hat in Finnland und in Schweden eine Debatte über einen Nato-Beitritt neu entfacht. Beide Staaten sind enge Partner, aber keine Mitglieder des Militärbündnisses. Zu Beginn der Parlamentsdebatte betonte Außenminister Pekka Haavisto, es sei wichtig, dass Finnland und Schweden danach strebten, Beschlüsse ungefähr gleichzeitig und in dieselbe Richtung zu fassen. Ähnlich hatte sich zuvor Marin geäußert. Zwischenzeitlich sah es aus, als könnten sich die sicherheitsstrategischen Wege der Länder trennen.
Zeitgleich ließ Präsident Niinistö am Mittwoch mitteilen, dass er und seine Frau Jenni Haukio Schweden auf Einladung von König Carl XVI. Gustaf am 17. und 18. Mai einen Staatsbesuch abstatten werden. Auf dem Programm stünden unter anderem Treffen mit Mitgliedern der Königsfamilie und mit Ministerpräsidentin Andersson. Ziel des Staatsbesuches sei es, die enge Zusammenarbeit und die zunehmend engeren Beziehungen zwischen den beiden Ländern in der veränderten sicherheitspolitischen Situation zu bekräftigen.
Die Regierung hatte ihre sicherheitspolitische Analyse vor einer Woche veröffentlicht. Sie schrieb darin, dass sich Finnland im Falle eines Nato-Antrags auf umfassende Versuche der Einflussnahme sowie Risiken vorbereiten müsse, die schwer vorherzusehen seien. Zu diesen Risiken zählten auch zunehmende Spannungen an der über 1300 Kilometer langen Grenze zwischen Finnland und Russland. Eine klare Empfehlung für oder gegen einen Nato-Antrag lieferte der Bericht nicht. Russland hat Finnland und Schweden mehrmals vor einem Nato-Beitritt gewarnt. (dpa/fn)