Die Moderaten, mit vollem Namen „Die Moderate Sammlungspartei“ sind Mitglied der Europäischen Volkspartei - und damit nicht nur formal das Äquivalent zur Union in Deutschland. So erfolgreich wie CDU und CSU waren sie aber in jüngeren Tagen lange Zeit nicht: Erst in den 90er-Jahren unter Carl Bildt gelangten die Moderater erstmals wieder an die Macht. Von 2006 bis 2014 führten sie mit Ministerpräsident Fredrik Reinfeldt die Regierung an - und ein konservatives Bündnis mit Zentrum, Christdemokraten und Liberalen. Mit gut 30 Prozent der Stimmen erreichten die Reinfeldt-„M“ 2010 ein Hoch.
In die Schweden-Wahl 2022 führt Ulf Kristersson die Moderaten. Nach der Wahl 2018 und nach dem Misstrauensvotum gegen Löfven 2021 hatte Kristersson sogar einen offiziellen Regierungsbildungsauftrag erhalten, scheiterte aber zweimal. Von den Höhenflügen der 2010er ist die Partei mittlerweile weit entfernt. Bei rund 17 Prozent sahen Wahlumfragen die Moderaten kurz vor dem Urnengang - und damit deutlich hinter den Schwedendemokraten. Für Kristersson könnte das ein Problem werden. Und
zugleich ein kleiner Treppenwitz: Denn 2019 war es Kristersson selbst, der sich mit SD-Chef Jimmie Akesson darauf einigte, künftig bei Bedarf zu kooperieren. Das hatten alle Riksdags-Parteien lange ausgeschlossen.
Politisch standen die Moderaten schon deutlich vor dem Sozialdemokraten für einen Beitritt zur Nato ein. Ihre weiteren Themen passen bestens in das Schema mitteleuropäischer Mitte-Rechts-Parteien: „Nun schaffen wir Ordnung in Schweden“, heißt ihr auf die innere Sicherheit gemünzter Wahlslogan. Auch mehr Arbeitsplätze statt Transferleistungen und eine Atomkraft-Renaissance stehen auf dem Wunschzettel von Kristerssons Partei. An die Macht wollen sie wieder in einem breiten Bündnis: Mit Zentrum, Christdemokraten, Liberalen - und notfalls wohl auch den Schwedendemokraten.
Die Zentrumspartei („Centerpartiet“) ist eine Art Springer zwischen konservativem und linkem Lager. Sie gehört aber auch zu den Kleinparteien: Zweistellige Ergebnisse hat die Partei seit den 1980ern nicht mehr erreicht. Auf europäischer Ebene hat sich das Zentrum zusammen mit der FDP bei den Liberalen einsortiert. Ihre Geschichte unterscheidet sich aber doch deutlich von der Lindners Freier Demokraten: Bis in die 60er war die Partei als die parlamentarische Vertretung der Landwirte unterwegs, in den 70ern dann eher grün und atomkraftskeptisch. Mit dieser Ausrichtung stellte die Centerparti sogar zweimal den Ministerpräsidenten.
Mittlerweile scheint Parteichefin Annie Lööf zumindest vage an diese Zeiten anknüpfen zu wollen: „Grün“ und „freiheitlich“, mit starker Betonung des Kampfes gegen den Klimawandel, sieht sich die Partei selbst. In wirtschaftlichen Fragen stimmt die Zentrumspartei stark mit den Moderaten überein. Dennoch deutete Lööf zuletzt an, Andersson für die beste Kandidatin zu halten – fast schon ein Unterstützungs-Bekenntnis. Die Regierung Reinfeldt hatte dabei einst auch die Centerparti unterstützt. Und auch in einem Punkt hat sie mit ihrer Vergangenheit gebrochen - auch die „C“ wollen ein Atomkraft-Comeback in Schweden.
Für deutsche Verhältnisse überraschend wirkt die Existenz einer „christdemokratischen“ Partei neben den dominierenden Moderater. Tatsächlich haben sich die Moderater aber erst 2022 wieder in stärkerer Betonung „christliche Werte“ auf die Fahnen geschrieben. Zuvor herrschte offenbar Bedarf an einer Alternative: 1964 gründete sich – unter anderem aus Protest gegen die Abschaffung des Religionsunterrichts an Grundschulen – die „Christdemokratische Einheit“, 1991 zog der Vorläufer der Christdemokraten erstmals in den Riksdag ein. Und direkt in das konservative Regierungsbündnis unter Carl Bildt.
Seither kämpfen die „Kristdemokrater“ (KD) immer wieder einmal mit der Vierprozenthürde, auch unter der aktuellen Vorsitzenden Ebba Busch sanken die Umfragewerte dann und wann bedenklich - machten aber auch Ausflüge über die 10-Prozent-Marke. Ebenso instabil wie der Zuspruch in der öffentlichen Meinung scheint die politische Ausrichtung der KD. In den 00ern verabschiedete sich die Partei von Positionen wie einem strikten Nein zu gleichgeschlechtlichen Ehe. In den 10ern drängte aber gerade die parteieigene Jugendorganisation in Richtung schärferer Standpunkte - sogar Rufe nach einer Positionierung als schwedische „Tea Party“ in Anlehnung an republikanische Hardliner in den USA wurden laut. Zu den aktuellen Forderungen zählt eine „straffe“ Migrationspolitik mit „kräftiger“ Begrenzung der Zuwanderungszahlen. Für Zusammenarbeit mit den Schwedendemokraten ist die Partei offen. Auf lokaler Ebene praktiziert sie solche Kooperationen sogar bereits.
Auch die Liberalen („Liberalerna“) sind auf europäischer Ebene wie die Centerparti Mitglied der „Allianz der Liberalen und Demokraten für Europa“. Ihre Geschichte ist allerdings länger: Schon kurz nach der Jahrhundertwende setzten sich die Liberalen gegen monarchische Machtbefugnisse ein; später zerbrach die Partei an einem Streit über ein generelles Alkoholverbot und fand sich als markt- bis sozialliberale Kraft und „Folkparti“, „Volkspartei“, wieder zusammen. Der nächste Bruch folgte in den 1990ern: Der Zusatz „liberal“ kam in den Namen hinzu, das Festhalten am traditionellen schwedischen Wohlfahrtsstaat schwand.
Mittlerweile hat sich die Gruppe vom Wort „Volkspartei“ getrennt, nicht zuletzt in Abgrenzung vom dänischen rechtspopulistischen Namensvetter. Inhaltlich passt die Partei zum Meinungsspektrum der deutschen FDP: Bildung und Integrationschancen für Einwanderer stehen im Programm weit oben. Zugleich wirbt die Partei von Chef Johan Pehrson recht offen um Hilfsstimmen konservativer Wähler: „Eine konservative Mehrheit nur mit uns“, heißt es in der Wahlkampagne. Der Hintergrund ist klar: Mit
Umfragewerten knapp oberhalb der 5 Prozent ist der Einzug in den Riksdag keine ausgemachte Sache. Ein Wegfall der liberalen Stimmen würde die Chancen auf einen Machtwechsel zugunsten der Konservativen aber massiv dämpfen.
Auch die schwedische Linke („Vänsterparti“) begann ihre Geschichte zwar als Abspaltung von den Sozialdemokraten. Sie ist aber deutlich älter als ihr deutsches Pendant - und hat entsprechend auch stärkere ideologische Ausschläge mitgemacht. Ende der 60er firmierte sie als „Linkspartei Die Kommunisten“. Der Namenszusatz fiel 1990, ein neues Parteiprogramm definierte die Linke als „sozialistisch und feministisch“. In den Folgejahrzehnten hob die Vänsterparti lange ein kategorisches Nein zur EU auf ihre Agenda. Erst 2019 strich die Partei diesen Programmpunkt.
In den beiden vergangenen Wahlen verhalf die Linke den Sozialdemokraten mehr oder minder direkt in die Minderheitsregierung. Dabei knirschte es allerdings zunehmend: 2018 wollten die Mitteparteien die Regierung Löfven nicht dulden, wenn die Linke mit Boot sitzt. Dennoch waren die Stimmen der Partei nötig, um die Regierung am Leben zu halten. Nach einem Streit über die Mietwohnungspolitik brachten die Linken das Kabinett Löfven zu Fall. „Klassenunterschiede und Ungerechtigkeiten“ abbauen, Umweltschutz und Feminismus stehen weiter an erster Stelle der Forderungen. Zugleich zählte die Linke um ihre Chefin Nooshi Dadgostar zu den schärften Kritikern der Zugeständnisse der schwedischen Regierung an die Türkei, insbesondere beim Thema der Auslieferung kurdischer Menschen.
Schweden besitzt, wie die meisten europäischen Länder, eine „grüne“ Partei im Parlament. Parallelen zu den deutschen Grünen gibt es natürlich: Etwa eine gemischtgeschlechtliche Spitze und, natürlich, den Fokus auf Umweltpolitik. Auch die „Miljöpartiet De Gröna“ („Umweltpartei Die Grünen“) hat sich in den 1980ern gegründet, einige Jahre später die ersten Wahlerfolge gefeiert und einen schleichenden Wandel zu liberaleren Positionen durchgemacht. Von den Umfragewerten ihrer Schwesterpartei um Robert Habeck und Annalena Baerbock können die Grünen in Schweden aber nur träumen: Ihre große Sorge ist der Sturz unter die Vierprozenthürde.
Trotzdem: Bis Ende 2021 saßen die Grünen in einer gemeinsamen Regierung mit den Sozialdemokraten. Der Bruch kam der Partei dann aber durchaus gelegen, wie Politikwissenschaftlerin Bennich-Björkman Merkur.de erklärt. Die Grünen seien zwischenzeitlich unter die Vierprozenthürde gerutscht: „Sie haben ziemlich eindeutig darunter gelitten, mit den Sozialdemokraten an der Regierung beteiligt zu sein. Als so kleine Partei waren sie nicht in der Lage, einige ihrer wichtigsten Anliegen durchzusetzen.“ Auch 2022 schien der Wiedereinzug in den Riksdag nicht gesichtert - die Wahlumfragen sahen die Grünen der „Parteisprecher“ Per Bolund und Märta Stenevi aber immerhin knapp oberhalb der ominösen Vierprozent-Marke. (fn)