„Glaubwürdigkeit verspielt“: Seehofer erntet in Ministeriums-Rundbrief offenbar heftige Kritik

Noch keinen Monat im Amt - und schon erntet Horst Seehofer in seinem eigenen Ressort heftigen Gegenwind. Berichten zufolge kursiert im Innenministerium ein brisanter Rundbrief.
Berlin - Neun Männer sind auf dem Foto zu sehen, das Horst Seehofer (CSU) aktuell einige Schwierigkeiten bereitet. Denn das am Dienstag veröffentlichte, später zurückgezogene und dann wieder-veröffentlichte hochoffizielle Bild zeigt nicht irgendeine Männer-Runde - sondern Seehofer mit den acht ausschließlich männlichen Staatssekretären seines neuen Superministeriums.
Bereits am Dienstag musste Bayerns Ex-Regierungschef wegen der auch optisch frappierenden offensichtlichen Absenz weiblicher Führungskräfte einen Shitstorm im Netz einstecken. Schwerer dürfte aber wohl Kritik von anderer Seite wiegen: Wie Zeit Online berichtet, regt sich auch in Seehofers eigenem Haus merklicher Widerstand - in einem internen Rundschreiben erhebe die Gleichstellungsbeauftragte des Innenministeriums schwere Vorwürfe.
„Koalitionsvertrag verhöhnt“, „Glaubwürdigkeit verspielt“? - Seehofer kassiert harte Vorwürfe aus dem Innenministerium
Seehofer „verhöhne den Koalitionsvertrag“ mit seinen Personalentscheidungen, schreibt Gleichstellungsbeauftragte Maria Spetter in dem Brief, der Zeit Online angeblich als Faksimile vorliegt. Damit nicht genug: Die reine Männerrunde stelle „einen politischen wie gesellschaftlichen Rückschritt dar, der neue Fronten zwischen Männern und Frauen aufmacht“ - Seehofer habe mit dem Verstoß gegen die Regierungsvereinbarungen bereits seine Glaubwürdigkeit verspielt.

Spetter begründet ihre Vorwürfe mit einem Passus im Koalitionsvertrag, der "gleichberechtigte Teilhabe von Frauen und Männern in Leitungsfunktionen im öffentlichen Dienst bis 2025" vorsieht. Als Innenminister stehe Seehofer besonders in der Pflicht. Denn er sei „für das Öffentliche Dienstrecht und den gesellschaftlichen Zusammenhalt verantwortlich“.
Gleichstellungsbeauftragte schreibt von „völligem Unverständnis“ im Haus
Offenbar steht Spetter mit ihrem Unmut in dem von Seehofer geführten Ministerium nicht alleine da - so stellt es die Gleichstellungsbeauftragte selbst jedenfalls dar. Ein von ihr eingeholtes internes Meinungsbild zeige, dass das Seehofers Personalentscheidungen "auf völliges Unverständnis im Haus" stießen, schreibt Spetter. Sie ließen viele Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Ministeriums ratlos, betroffen und wütend zurück.
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Brisant ist für Seehofer in jedem Falle der relativ offene Widerstand im eigenen Hause - zumal das Innenministerium alles andere als ein sozialdemokratisch geprägtes Ressort ist. Seit 1982 gab es in Person von Otto Schily (SPD) nur einen einzigen Innenminister, der nicht den Reihen der Union entstammte. Ein Umstand, der sich üblicherweise durchaus auch im Personal eines Ressorts widerspiegelt.
Innenministerium dementiert nicht
Zuvor hatte bereits der Tagesspiegel von einer „empörten E-Mail“ Spetters berichtet. Dabei handelte es sich offenbar um jene Mail, in der die Gleichstellungsbeauftragte besagtes Meinungsbild der Mitarbeiter zur neuen Staatssekretärsriege einholte: Angehängt war an das Schreiben angeblich ein Voting mit Auswahlmöglichkeiten von „Geht gar nicht“ bis „Ist mir egal“.
Nun hat der interne Konflikt also offenbar die nächste Eskalationsstufe erreicht. Für Seehofer die nächste offene Baustelle neben Unions-Zoff um seine drastischen Äußerungen zu den Themen Grenzschutz und Islam. Zugleich schwächelte die Union in einer jüngst veröffentlichten Wahlumfrage.
Das Innenministerium wollte die Existenz des Rundschreibens auf Anfrage von Zeit Online übrigens weder bestätigten noch dementieren.
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fn