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Seehofer plant wieder Asylprüfungen an den EU-Außengrenzen - „flexible Solidarität“

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Von: Sabine Oberpriller

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Abschluss G6-Innenministertreffen
Bundesinnenminister Horst Seehofer hat beim Innenministertreffen der G6-Staaten einen neuen Plan zu Regulierung der Asylanträge vorgelegt. © picture alliance/dpa / Sven Hoppe

Die Politik ist sich gemeinhin einig, dass die EU-Asylpolitik einiger Reformen bedarf. Nun startet Bundesinnenminister Horst Seehofer einen neuen Vorstoß und setzt einen ambitionierten Zeitplan.

Brüssel/München - Bundesinnenminister Horst Seehofer will eine Neuregelung des EU-Asylsystems vorantreiben. Seit Jahren kommen die EU-Mitgliedsstaaten beim Ringen um eine Lösung nicht überein. Seehofer will dieses Dilemma nun beenden, mit einem - neuen, alten - Vorschlag: Die Entscheidung über Asylanträge soll nach seiner Vorstellung an die Außengrenzen der EU verlagert werden, um die Zahl der in Europa einreisenden Flüchtlinge zu reduzieren. 

Seinen Vorschlag hat Seehofer bereits seinen Innenministerkollegen aus Frankreich, Italien, Großbritannien, Polen und Spanien beim Treffen der G6-Gruppe in München vorgelegt und auch gleich ein Datum genannt, bis zu dem der Plan entschieden sein soll: Bis zur deutschen Ratspräsidentschaft ab Juli 2020 sollen konkrete Gesetzesvorschläge vorliegen.

Seehofer: „Dublin-Verfahren ist gescheitert“

Derzeit ist das Dublin-Verfahren in Kraft, laut dem grundsätzlich der Staat für das Asylverfahren zuständig ist, in dem der Schutzsuchende zuerst europäischen Boden betreten hat. Das betrachtet Seehofer als gescheitert. Und nicht nur er. Dass das Verfahren einer Reform bedarf, darüber sind sich die meisten Politiker einig.

Seehofers Idee: Bereits an der EU-Grenze solle auf Grundlage einheitlicher EU-Regeln die Frage geklärt werden: „Hat jemand Schutzbedarf, ja oder nein?", sagte Seehofer am Dienstag nach dem Treffen. Je nach Ergebnis der Prüfung sollen die Flüchtlinge dann direkt von der Grenze in ihre Herkunftsländer zurückgebracht oder auf EU-Mitgliedsländer verteilt werden, sagte der Minister.

Asyldebatte: Frontex soll Anträge prüfen und Rückführungen vornehmen

Dazu soll die EU-Grenzschutzbehörde Frontex eine wichtigere Rolle bekommen: Sie soll laut Seehofer für die Rückführung der Flüchtlinge sorgen, deren Antrag an der Außengrenze abgelehnt wurde - dafür müsste Frontex stärker aufgestockt werden. Bisher ist der Aufbau einer Reserve von 10.000 Einsatzkräften bis 2027 geplant. Damit sollen die Behörden der Nationalstaaten und besonders Grenzländer wie Italien und Griechenland entlastet werden, in denen besonders viele Flüchtlinge zuerst europäischen Boden betreten.

Aufbauend auf die Prüfung an der EU-Außengrenze plädiert Seehofer für „flexible Solidarität“: Länder, die keine Flüchtlinge aufnehmen wollten, könnten sich etwa durch Finanzmittel oder Bereitstellung von Personal für Frontex an dem neuen Asylsystem beteiligen. Auf die übrigen Staaten sollen die Flüchtlinge mit positivem Bescheid dann verteilt werden - und dort solle dann über die genaue Form des Asyl- oder Flüchtlingsstatus entschieden werden.

Asylprüfung an den EU-Außengrenzen ist schon einmal gescheitert

Das war bisher der Knackpunkt. Denn eine Prüfung der Flüchtlinge und Asylsuchenden an den Außengrenzen stand bereits im Sommer 2018 im Raum und wurde beim EU-Gipfel auch beschlossen, wie merkur.de* berichtet. Der Plan scheiterte aber zum einen daran, dass die sogenannten Visegard-Staaten Polen, Tschechien, Slowakei und Ungarn sich gegen eine verpflichtende Aufnahme wehrten und zum anderen, weil kein EU-Staat die damals angedachten „Ausschiffungsplattformen“ beherbergen wollte.

Auch diesmal bleibt viel zu tun. Seehofer räumte ein, dass es im Kreis der G6-Minister, aber auch in seinem Ministerium und in der großen Koalition, noch eine ganze Serie von Fragen zu seinem Plan gebe. Unter anderem müsse noch geklärt werden, anhand welcher Kriterien die Asylanträge an der Außengrenze geprüft werden sollen und auf welchem Wege abgelehnte Bewerber juristisch gegen die Entscheidung vorgehen können.

Asylanträge an den EU-Außengrenzen auch bei SPD Zustimmung

Unter den G6-Ministern stieß Seehofer aber bereits auf Zustimmung. Die Mehrheit der G6-Minister habe den Bundesinnenminister unterstützt, sagte EU-Innenkommissar Dimitris Avramopoulos. Er lobte Seehofer als „praktischen Politiker“. Auch die SPD ist offen für Seehofers Vorschlag, wie Lars Castellucci, migrationspolitischer Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, der Welt mitteilte: „Horst Seehofer sollte schnell ein erstes Modellverfahren auf den Weg bringen und dafür europäische Partner gewinnen“, sagte er. Allerdings will die SPD in Deutschland den Sonderweg für alle freihalten, die beispielsweise über die Flughäfen einreisen.

Skeptischer äußerte sich Hanne Beirens vom Brüsseler Migration Policy Institute: „Die Staats- und Regierungschefs der EU haben sich schon im vergangenen Jahr darauf geeinigt, 'kontrollierte Zentren' in der EU einzurichten“, sagte sie der Welt: Bisher sei aber die Sorge vieler Staaten groß, am Ende für einen Großteil der Migranten verantwortlich zu bleiben.

Menschenrechtsorganisationen kritisieren den Plan von zentralen Kontrollzentren. ProAsyl etwa bemängelt, dass zentrale Kontrollzentren zum Beispiel in Griechenland und Italien bereits jetzt überlastet seien, die Bedingungen für Asylsuchende menschenunwürdig, die Versorgung mangelhaft und die Rechtsberatung unzureichend.

mit dpa und afp

*Merkur.de ist Teil des bundesweiten Ippen-Digital-Netzwerkes.

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