Einer der Nebeneffekte des russischen Gebarens ist, dass der Westen, der vor zwei Jahren hier in München noch über die innere Spaltung klagte, wieder zusammenrückt. Das ist auch am Freitag spürbar. US-Außenminister Blinken nennt Baerbock „meine Freudin und Kollegin“, lobt Deutschland als „Partner erster Wahl“ im diplomatischen Ringen und sagt, wie wichtig die „moralische Klarheit“ Berlins in der Krise ist. Ein Vorwurf, etwa wegen ausbleibender Waffenlieferungen Berlins, schwingt da nicht mit.
Er würde auch nicht ins neue Miteinander passen, von dem Blinken glaubt, selbst Russlands Präsident Wladimir Putin sei „ein wenig überrascht“ davon. Den Fokus legt der Amerikaner, wie schon in New York, auf die Sorge vor einer russischen Aggression. Schon jetzt sei ein Szenario in Gang: Moskau schaffe „falsche Provokationen“ mit dem Ziel, „schließlich eine neue Aggression gegen die Ukraine zu begehen“.
Wie ernst das zu nehmen ist, zeigt sich quasi zeitgleich. Während Baerbock und Blinken diskutieren, kündigen die Führer der selbst ernannten Volksrepubliken Donezk und Luhansk an, die Bevölkerung Richtung Russland zu evakuieren. Der Grund: Angeblich stehe die ukrainische Armee gefechtsbereit an der Grenze. Anzeichen dafür, dass das mehr als eine Behauptung ist, gibt es nicht.
Die Hoffnung auf eine diplomatische Lösung ist inzwischen auf Millimetergröße geschrumpft, was nicht heißt, dass sie verloschen ist. „Wir ringen um jeden Millimeter“, sagt Baerbock und verweist auf die regen Gespräche. Das sei immerhin besser als keine Bewegung.
Einem ist das alles nicht genug. Kiews Bürgermeister Vitali Klitschko ist auch nach München* gereist und stellt Baerbock zur Rede. „Danke für die 5000 Helme“, sagt er. „Aber damit allein können wir unser Land nicht verteidigen. Wir brauchen Defensivwaffen.“ Für die Deutsche, die Waffenlieferungen ablehnt, ist das unangenehm, aber sie verteidigt den Kurs der Regierung. Es sei eine „schwierige Entscheidung“, sagt sie, Klitschko direkt zugewandt. Aber jetzt sei der falsche Moment, „unseren Kurs um 180 Grad zu drehen“. (mmä) *Merkur.de ist ein Angebot von IPPEN.MEDIA