SPD sieht Koalition vor Auflösung

Berlin - Die Koalition aus Union und FDP steuert mit ihrem Dauerkonflikt und der schwierigen Bundespräsidentenwahl aus Sicht der SPD unweigerlich auf ihre Auflösung zu.
“Die Erosion von Schwarz-Gelb schreitet unaufhaltsam fort“, sagte SPD-Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier der “Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung“ (FAS). Die Spitzen der Koalitionsparteien ermahnten sich unterdessen gegenseitig zu mehr Verlässlichkeit.
Die Grünen warfen Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) akute Führungsschwäche in der Koalition vor. “Bei Schwarz-Gelb meutert das Unterdeck gegen die Brücke“, sagte Fraktionschef Jürgen Trittin der Zeitung. Der Regierungskurs existiere nur noch auf der Seekarte. “So dümpelt das schwarz-gelbe Regierungsschiff ohne Antrieb und Steuerung vor sich hin.“ Die Menschen wollten keine längeren Atomlaufzeiten und keine “Entsolidarisierung durch die unsoziale Kopfpauschale“ bei der Krankenversicherung.
Darüber streitet die Bundesregierung
SPD-Fraktionsvize Steinmeier betonte, bei der Wahl Christian Wulffs zum Bundespräsidenten sei am Mittwoch ein erhebliches Misstrauen zwischen CDU, CSU und FDP zutage getreten. “Wer ein bisschen politische Erfahrung hat, weiß: Das geht nicht mehr weg.“
Wulff hatten bis zum Schluss knapp 20 Stimmen aus dem eigenen Lager gefehlt. Erst im dritten Wahlgang wurde der CDU-Politiker gekürt.
Angesichts der jüngsten Streitereien über Sparpaket, Gesundheitsreform und Atomlaufzeiten forderte CSU-Chef Horst Seehofer die Partner zu mehr Verlässlichkeit auf. “Einmal getroffene Entscheidungen müssen eingehalten werden“, sagte der bayerische Ministerpräsident der “Bild am Sonntag“. Zudem sei es wichtig, die vereinbarte Linie auch gemeinsam zu vertreten.
Kanzlerin Merkel lehnt trotz der Erwartung verbesserter Steuereinnahmen Abstriche am geplanten Sparkurs ab. “Ich sage dazu ein klares Nein“, sagte sie am Samstag in ihrer wöchentlichen Videobotschaft. “Es geht um Zukunftspolitik mit soliden Finanzen, und dabei müssen wir entschiedene Schritte unternehmen.“
Die Bundesregierung: Merkel und ihre Minister
CDU-Generalsekretär Hermann Gröhe kleidete seinen Appell zum Zusammenhalt der Koalition passend zur Weltmeisterschaft in die Fußballsprache: “Es gehört zu einer Koalition eben auch, auch dem anderen mal ein Tor gönnen, auch mal zuspielen, mal wirklich Mannschaft zu sein. Und da gibt es Verbesserungspotenziale.“ Das könne man aber nicht befehlen, erklärte er in der “Leipziger Volkszeitung“ (Samstag) mit Blick auf Kritik an Merkels Führungsrolle. “Mannschaftsgeist will da aus Einsicht wachsen.“
Verteidigungsminister Karl Theodor zu Guttenberg (CSU) mahnte: “Die Menschen erwarten statt des x-ten Aufrufs zum Neuanfang eine Regierung, die mit Substanz, Reformbereitschaft und Niveau die Probleme angeht. Deshalb sind wir gewählt worden.“ Dieser Erwartung müsse die Koalition jetzt schnellstens gerecht werden, sagte Guttenberg der “Welt am Sonntag“.
Niedersachsens neuer Ministerpräsident David McAllister (CDU) empfahl den Koalitionären, “sich künftig mit der Sache und weniger mit sich selbst zu beschäftigen“. Dem “Hamburger Abendblatt“ (Samstag) sagte er: “Jeder Einzelne kann seinen Beitrag dazu leisten, dass das Erscheinungsbild der Koalition wieder besser wird.“
Ähnlich äußerte sich der Kieler FDP-Fraktionschef Wolfgang Kubicki. “Ich gehe davon aus, dass man dazu übergeht, sich gemeinsam konkreten Sachproblemen zu widmen, statt sich gegeneinander zu profilieren“, sagte er der Nachrichtenagentur dpa. So müsse es zügig eine fundamentale Gesundheitsreform und eine Vereinfachung des Steuersystems mit Reduzierung der Mehrwertsteuer-Ausnahmen geben. Der Bundeskanzlerin warf Kubicki aber inhaltliche Unklarheit vor. “Ich sehe bei Angela Merkel gegenwärtig keine systematische Linie.“
dpa