Putin-Kritik aus der Militär-Elite? „Silowiki“ fordern angeblich neue Eskalations-Stufe in der Ukraine

Die russische Militär- und Geheimdienst-Elite fordert angeblich eine Ausweitung des Krieges in der Ukraine. Bis jetzt sei Russland zu zurückhaltend vorgegangen.
Moskau – Die russische Militärelite pocht offenbar auf weitreichendere Angriffe im eskalierten Ukraine-Konflikt. Das berichtet der Focus unter Berufung auf das „Zentrum für europäische politische Analyse“ (CEPA) in Washington. Die militärischen Ziele des russischen Präsidenten Wladimir Putin genügten der russischen Militärelite, den sogenannten „Silowiki“, nicht, heißt es.
Dem CEPA zufolge halten Teile der russischen Armee die Strategie Russlands für katastrophal. Russland führe diesen Ansichten nach keinen Krieg gegen die Ukraine, sondern gegen die Nato. Der US-Thinktank wiederum berief sich in seiner Darstellung auf hochrangige Geheimdienstmitarbeiter.
Ukraine-Krieg: Russland will Donbass und Süden des Landes einnehmen - für „Silowiki“ nicht genug?
Russland strebt im Krieg gegen die Ukraine offiziell die vollständige Kontrolle über den gesamten Donbass sowie den Süden des Landes an. Dies sei seit Beginn der „zweiten Phase der Spezialoperation“ eine der Aufgaben der Armee, sagte Generalmajor Rustam Minnekajew am Freitag laut russischen Nachrichtenagenturen. Ein Ziel sei es, eine Landverbindung zwischen der annektierten Krim und von Russland besetzten Gebieten zu schaffen.
Laut Minnekajew, Vize-Kommandeur der Truppen des zentralrussischen Militärbezirks, könnte die Kontrolle über die Südukraine Russland auch in die Lage versetzen, die prorussischen Separatisten in Transnistrien in der Republik Moldau zu unterstützen. Damit wäre auch ein „Korridor nach Transnistrien“ geschaffen, wo es „ebenfalls Fälle von Unterdrückung der russischsprachigen Bevölkerung“ gebe, sagte er.
Russland im Ukraine-Krieg: Forderung nach weiterer Gewalt in der Militärelite?
Einigen Teilen der Silowiki zufolge verhält sich das russische Militär dennoch zu zurückhaltend. Wie das CEPA mitteilte, sind einige russische Militärs der Auffassung, dass Russland nur unter „Friedensbeschränkungen“ kämpfe. Russland habe bisher nur Luftangriffe auf Schlüsselbereiche der ukrainischen Infrastruktur gefahren.
Berichte von zerstörten Theatern, Krankenhäusern und Wohngebieten zeichnen hingegen ein anderes Bild. Einige Mitglieder der russischen Militärelite forderten nun den totalen Krieg, schreibt der Focus. Ein weiterer Vorwurf laute, dass der russische Geheimdienst FSB Putin nicht richtig informiere. Der ehemalige Leiter der zuständigen Abteilung, Sergej Besseda, soll bereits verhaftet worden sein und im Gefängnis sitzen.
Ukraine-Krieg: Eskalationsforderungen hinter den Kulissen? Auch von Atomwaffen ist wohl die Rede
Laut Focus hat auch der russische Blogger und Geheimdienstveteran Alexander Arutjunow eine Ausweitung des Krieges in der Ukraine gefordert. In einem an Putin adressierten Video soll er gesagt haben: „Lieber Wladimir, entscheide dich, kämpfen wir in einem Krieg oder spielen wir nur herum?“ Das Video soll im Anschluss in russischen Geheimdienst- und Militärkreisen viral gegangen sein.
Ein anderer russischer Telegramkanal, der mit der russischen Luftwaffe assoziiert wird, kündigte an, dass von nun an mehr ukrainische Ziele angegriffen werden sollen, um Waffenlieferungen aus dem Westen zu stoppen. Das hatte auch Außenminister Sergej Lawrow angedeutet. Zudem wurde dem Bericht zufolge auf dem Kanal behauptet, weitere Erfolge der ukrainischen Truppen würden „mit ziemlicher Sicherheit den Einsatz von Atomwaffen“ provozieren.
Ukraine-Krieg: Putin angeblich vor neuartiger Kritik aus Militärkreisen
Die Meinungsunterschiede des Kreml-Chefs Putin und Teilen seiner militärischen Elite seien in dieser Form ein neues Phänomen. Laut dem Focus hat die Silowiki 2014 bei Annexion der Krim noch vereint hinter dem russischen Präsidenten gestanden. Dass der Ukraine-Krieg weiter eskaliert wird, sei wahrscheinlich. Putin sei zwar der Oberbefehlshaber, es seien dennoch das Militär und der Geheimdienst, die die militärischen Handlungen durchführen. (lp/AFP)