Sein Problem: Habeck hat die Macht, die 10H-Regel einfach zu streichen. Seine Beamten bereiten genau das vor. In einem Entwurf zur Änderung des Baugesetzbuches steht, die Länderöffnungsklausel werde gestrichen. Der Entwurf kursiert seit wenigen Tagen. Bisher fiel die FDP in der Berliner Ampel Habeck bei diesem Plan in den Arm, weil in Nordrhein-Westfalen auch landesweite Abstandsregeln gelten. Seit dem Wahlabend ist aber sehr unwahrscheinlich, dass die Liberalen in NRW weiterregieren – freie Bahn also für Habeck?
Seit dem Dschungel-Foto hat sich Söder bei der Windkraft spürbar bewegt. In einer sehr mühsamen Sitzung beschwor er seine CSU-Fraktion im Landtag, eine Aufweichung von 10H mitzutragen. Nur noch 1000 Meter Abstand soll an Bahnstrecken, Autobahnen, in Wäldern, auf industriellen Nebenanlagen und beim Ersatz bestehender Anlagen gelten. 800 neue Windräder verspricht Söder damit und ein Erreichen von Habecks zwei-Prozent-Ziel, er hält aber offiziell an 10H fest.
Der CSU-Chef will das einbetten in ein grundlegendes Energiekonzept, will dem Grünen ein Gesamtpaket vorschlagen. 30 Seiten ist der Entwurf dick, heute will er ihn an Habeck absenden. Darin geht es auch um den Ausbau der Wasserkraft, mehr Photovoltaik und Biogas-Anlagen, dazu den temporären Weiterbetrieb mehrerer Kernkraftwerke. „Unser Ziel ist: So viel wie möglich, aber mit und nicht gegen die Bürger – sonst werden viele Projekte scheitern“, sagt Söder.
Er beklagt, dass Habeck zu stark auf Wind fixiert sei und generell die Republik aus der Perspektive der küstennahen Nordländer betrachte. Habeck lässt die Bayern wiederum zappeln. „Das wird noch nicht reichen“, sagte er unlängst über den 10H-Kompromiss, „aber man sieht, dass da eine Dynamik stattfindet.“
Ein Polit-Poker also – und die CSU ist in der schlechteren Lage. Söder ist das anzumerken am Montag, als er nach einer Sitzung des Parteivorstands zu Habeck gefragt wird. Einerseits umschmeichelt er den Vizekanzler, bescheinigt den Grünen eine „wirklich nicht schlechte Performance“. Andererseits warnt er Habeck offen vor einem „Wortbruch“ beim Wind. Er habe doch bei seinem Besuch in München „die Zusage“ gegeben, „dass 10H nicht automatisch fallen muss“, dass man „nicht über Bayern hinweggeht“. (cd)