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Debatte um 10H-Regel: Söder warnt Habeck vor „Wortbruch“ und befürchtet „Windschock“

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Von: Christian Deutschländer

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Bayerns Ministerpräsident Markus Söder und Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck bei einem Treffen im Januar in München.
Bayerns Ministerpräsident Markus Söder und Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck bei einem Treffen im Januar in München. © Tobias Hase/dpa

Finale im Kampf um 10H: Heute schickt Bayern das neue Energiekonzept an den Bundesklimaminister. Es wird zur Machtprobe zwischen Bayern und Berlin.

München – Sie sehen auf den alten Fotos fast aus wie zwei Reisekumpel, die sich durchs Sumpfgebiet des Amazonas-Dschungels schlagen: Allzeit bereit, sich gegenseitig vor Wanderspinnen und Würgeschlangen zu retten. Dabei standen Robert Habeck und Markus Söder in der Staatskanzlei nur vor einer üppig begrünten Wand. Diese Kulisse kam gerade recht, um beider Einsatz für erneuerbare Energien zu bebildern. Schöne Bilder, wirklich – doch der Eindruck von Harmonie war und bleibt trügerisch.

Der Antrittsbesuch des grünen Bundesklimaministers beim CSU-Ministerpräsidenten in München ist nun vier Monate her. Es war der Auftakt für den Versuch, eine Lösung im erbitterten Streit um die Windkraft zu finden. In diesen Tagen zeigt sich, ob es für einen Kompromiss reicht. Womöglich nicht.

Habeck verlangt mehr Windränder in Bayern: Söder befürchtet „Windschock“

Habeck verlangt mehr Windräder im Bundesgebiet, er will Vorranggebiete auf zwei Prozent der Landesfläche. Ihm und den Grünen erscheint die nur in Bayern geltende Abstandsregel 10H (die zehnfache Höhe des Windrads als Mindestabstand zum nächsten Wohnhaus) dabei als Hindernis. Söder und seine CSU wollen zwar mehr Windkraft, fürchten aber massive Konflikte in allen Ecken des Landes um jeden einzelnen Rotor. Vor allem für Oberbayern, entlang der Berge, sagt er düster einen „Windschock“ voraus, wenn Investoren weitgehend genehmigungsfrei Masten aufstellen dürften. Söder dämpft zudem die Wind-Euphorie für Bayern, sieht hier viel größere Potenziale bei Wasser und Sonnenenergie.

Sein Problem: Habeck hat die Macht, die 10H-Regel einfach zu streichen. Seine Beamten bereiten genau das vor. In einem Entwurf zur Änderung des Baugesetzbuches steht, die Länderöffnungsklausel werde gestrichen. Der Entwurf kursiert seit wenigen Tagen. Bisher fiel die FDP in der Berliner Ampel Habeck bei diesem Plan in den Arm, weil in Nordrhein-Westfalen auch landesweite Abstandsregeln gelten. Seit dem Wahlabend ist aber sehr unwahrscheinlich, dass die Liberalen in NRW weiterregieren – freie Bahn also für Habeck?

Energie-Debatte: Söder verspricht 800 neue Windräder - will aber an 10H-Regel festhalten

Seit dem Dschungel-Foto hat sich Söder bei der Windkraft spürbar bewegt. In einer sehr mühsamen Sitzung beschwor er seine CSU-Fraktion im Landtag, eine Aufweichung von 10H mitzutragen. Nur noch 1000 Meter Abstand soll an Bahnstrecken, Autobahnen, in Wäldern, auf industriellen Nebenanlagen und beim Ersatz bestehender Anlagen gelten. 800 neue Windräder verspricht Söder damit und ein Erreichen von Habecks zwei-Prozent-Ziel, er hält aber offiziell an 10H fest.

Der CSU-Chef will das einbetten in ein grundlegendes Energiekonzept, will dem Grünen ein Gesamtpaket vorschlagen. 30 Seiten ist der Entwurf dick, heute will er ihn an Habeck absenden. Darin geht es auch um den Ausbau der Wasserkraft, mehr Photovoltaik und Biogas-Anlagen, dazu den temporären Weiterbetrieb mehrerer Kernkraftwerke. „Unser Ziel ist: So viel wie möglich, aber mit und nicht gegen die Bürger – sonst werden viele Projekte scheitern“, sagt Söder.

Habeck nicht zufrieden mit CSU-Vorschlägen - Söder warnt vor „Wortbruch“

Er beklagt, dass Habeck zu stark auf Wind fixiert sei und generell die Republik aus der Perspektive der küstennahen Nordländer betrachte. Habeck lässt die Bayern wiederum zappeln. „Das wird noch nicht reichen“, sagte er unlängst über den 10H-Kompromiss, „aber man sieht, dass da eine Dynamik stattfindet.“

Ein Polit-Poker also – und die CSU ist in der schlechteren Lage. Söder ist das anzumerken am Montag, als er nach einer Sitzung des Parteivorstands zu Habeck gefragt wird. Einerseits umschmeichelt er den Vizekanzler, bescheinigt den Grünen eine „wirklich nicht schlechte Performance“. Andererseits warnt er Habeck offen vor einem „Wortbruch“ beim Wind. Er habe doch bei seinem Besuch in München „die Zusage“ gegeben, „dass 10H nicht automatisch fallen muss“, dass man „nicht über Bayern hinweggeht“. (cd)

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