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„So heuchlerisch“: Söders Klima-Ankündigung erzürnt Grüne

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Von: Florian Naumann

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Es grünt: Bayerns Ministerpräsident Markus Söder am Dienstag auf dem Weg zu einer Pressekonferenz.
Es grünt: Markus Söder am Dienstag auf dem Weg zu einer Pressekonferenz. © Frank Hoermann/Sven Simon/www.imago-images.de

Große Klima-Pläne hat Markus Söder verkündet - doch wenig später fängt die CSU Wind-Pläne des Umweltministers ein. Die Grünen attestieren im Gespräch mit Merkur.de ein „Schauspiel“ ohne Effekt.

München - Die Umfragen sahen die Union in der Wählergunst zuletzt deutlich hinter den Grünen. Und dann gab es auch noch ein einschneidendes Klima-Urteil aus Karlsruhe: Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) reagierte am Montag mit einem Klima-Rundumschlag - vermutlich auf beide Nachrichten zugleich.

Die These, dass Söder nun grün wie die Grünen wirken will, sie lag jedenfalls nahe. Doch es werden Zweifel an den Ankündigungen laut. Am Mittwoch wurde der CSU-Chef vom eigenen Koalitionspartner überrundet: Umweltminister Thorsten Glauber (Freie Wähler) kündigte noch weitergehende Maßnahmen an, unter anderem beim Thema Windkraft - die „10-H-Regel“ (siehe Infokasten) sollte fallen. Doch CSU-Generalsekretär Markus Blume kassierte den Vorstoß im Münchner Merkur umgehend.

Die Grünen wiederum werfen Söder nicht nur deswegen Lippenbekenntnisse vor - konkrete Schritte für die nahe Zukunft gebe es nicht, die Klima-Positionierung Söders sei „heuchlerisch“, rügte der Energie- und Klimaschutz-Sprecher der Landtags-Grünen, Martin Stümpfig, im Gespräch mit Merkur.de. Auch das schnelle Aus für Glaubers Pläne sei ein Beleg, dass Söder nur ein „Schauspiel“ liefere: „Immer nur schöne Pläne, aber wenn‘s konkret wird, kneifen“, sei die Maßgabe der CSU.

Söder verkündet Klima-Plan - und verärgert Grüne: Windkraft-Blockade zeige „Realitätsverlust“ der CSU

Die Liste von Söders Klimawünschen war am Montag lang ausgefallen: „Cleantech-Offensive mit mehr erneuerbaren Energien, Agrar-Solarparks, Photovoltaik-Pflicht auf Neubauten, Urban-Farming, Holz vor Beton, Ausbau von ÖPNV und Schiene sowie ökologisches Fahren mit einem Ende des fossilen Verbrennungsmotors bis 2035“, nannte Bayerns Regierungschef.

Das ist so heuchlerisch. Da fehlen einem dann wirklich die Worte.

Martin Stümpfig, klimapolitischer Sprecher der Landtags-Grünen über Markus Söders Reaktion auf das Karlsruher Urteil zum Klimaschutzgesetz

Stümpfig zweifelt aber am Willen Söders, nun tatsächlich zu handeln. „Das sind erst einmal wieder große, große Ankündigungen. Es werden Ziele angekündigt, die in weiter Ferne sind. An konkreten Maßnahmen haben wir von Herrn Söder aber noch gar nichts gehört.“ Glaubers Pläne für eine Abschaffung der 10-H-Regel wären „ein Schritt“ gewesen, vielleicht sogar der Weg über eine „goldene Brücke“ nach dem Karlsruher Richterspruch, erklärte Stümpfig.

Stattdessen offenbare sich ein „Realitätsverlust“ der CSU - ohne Windkraftausbau sei ein klimaneutrales Bayern bis 2040 überhaupt nicht machbar, urteilte der Grüne. Solarenergie allein sei keine ausreichende Option, da im Winterhalbjahr der Stromverbrauch am höchsten und die Solarstromerzeugung am niedrigsten sei.

Klimamaßnahmen in Bayern - wichtige Begriffe

Die 10-H-Regel: Die seit 2014 in Bayern geltende Regel besagt, dass ein Windrad mindestens das Zehnfache seiner Höhe von Wohnbebauung entfernt sein muss. Um davon abweichen zu können, muss ein Gemeinderat einen ausdrücklichen Beschluss fassen. Kritiker beklagen, seither sei der Windkraftausbau in Bayern praktisch zum Erliegen gekommen. Markus Söder und die CSU wollen aber an „10-H“ festhalten.

CO2-Schattenpreis: Die Grünen fordern seit einiger Zeit diesen Mechanismus: Der sogenannte CO2-Schattenpreis soll bei allen Wirtschaftlichkeitsberechnungen von sämtlichen Vergaben und Bauvorhaben des Landes mit 180 Euro pro Tonne Kohlendioxid (CO2) angesetzt werden.

Stümpfig ging mit Söders Reaktion auf das Scheitern des Bundes-Klimagesetzes in Karlsruhe hart ins Gericht. Das Bundes-Klimaschutzgesetz habe Söder 2019 mit unterzeichnet, sein bayerisches Pendant sei gerade einmal sechs Monate alt. „Und dann stellt er sich hin und begrüßt das Urteil aus Karlsruhe - das ist so heuchlerisch. Da fehlen einem dann wirklich die Worte“, sagte Stümpfig Merkur.de. Bislang bestehe die bayerische Klimapolitik nur aus Ankündigungen: „Wir haben nichts, wirklich gar nichts, seit Markus Söder Ministerpräsident ist.“

Söders Klima-Plan: Grüne verärgert über „schöne Ziele“ - „Freie Wähler haben nichts zu melden“

Angesichts des zur Abwendung massiver Folgen des Klimawandels knappen CO2-Budgets müsse jetzt schnell gehandelt werden, forderte Stümpfig weiter. In einem Dringlichkeitsantrag hätten die Landtags-Grünen bereits direkt umsetzbare Maßnahmen eingefordert, darunter ein CO2-Schattenpreis, eine planungssichere Solarpflicht für alle Neubauten, obligatorische E-Mobilität in den staatlichen Fuhrparks wo immer möglich, eine Wind-Agentur der Staatsforsten - und die Abschaffung der 10-H-Regel, die die CSU nun bereits wieder abgelehnt hat.

Das Genannte könne bis Ende Mai verabschiedet werden, meint der Grüne. Es werde sich also zeigen: „Passiert jetzt was oder passiert nichts?“. Auf die Freien Wähler und das Umweltministerium sei dabei angesichts der Koalitions-Streitigkeiten nicht zu zählen: „Es ist leider so, dass das, was die Freien Wähler vorschlagen, keine Rolle spielt, weil sie nichts zu melden haben.“

Grüne widersprechen Söder beim Thema Klima und planen an Volksbegehren - Verband rügt „schlechtestes Klimagesetz“

Auch eine der plakativsten Äußerungen Söders zweifelte Stümpfig an. Ökologisches Bewusstsein sei längst „Teil der Alltagskultur“, hatte der CSU-Chef erklärt. Stümpfig sieht es etwas anders. Zwar gebe es in der Bevölkerung eine große Akzeptanz für Klimathemen oder auch erneuerbare Energien. Anders sehe es oft aus, wenn es etwa an konkrete Kaufentscheidungen gehe. Das sei zwar „menschlich“, erklärte der Grüne. Dennoch sei nun noch mehr Umweltbildung nötig - alle demokratischen Parteien stünden dabei vor „viel Arbeit“.

Einem neuen Klimagesetz der Staatsregierung zuzustimmen, wenn die Koalition um Söder „den Weckruf aus Karlsruhe verstanden“ habe, schloss Stümpfig zwar nicht aus. Dennoch wollen die Grünen nun gemeinsam mit SPD, ÖDP den Verbänden LBV und Bund Naturschutz sowie Fridays For Future ein Volksbegehren auf den Weg bringen - wohl analog zum Erfolg des Bienen-Volksbegehrens. Allerdings gebe es „hohe Hürden“, räumte Stümpfig ein. „Wir müssen schauen, was uns Corona erlaubt.“

CSU-Klimapolitik in der Kritik: „Schlechtestes Gesetz Deutschlands“ - Söder kündigte aber auch Waldmaßnahmen an

Kritik übte am Mittwoch auch die Landesvertretung Bayern des Bundesverbands Erneuerbare Energie. In einem Brief an Söder, der Merkur.de vorliegt, attestierte der Verband dem Freistaat „eines der schlechtesten Klimaschutzgesetze Deutschlands“. Klären solle man nun in einer Sitzung des Energie- und Klimabeirats: „Welches CO2-Restbudget haben wir noch für Bayern, wenn wir unseren Beitrag zur Einhaltung der Pariser Beschlüsse leisten wollen?“ Aus der Antwort müsse man dann konkrete Schritte abgeleitet werden, hieß es.

Söder selbst sieht Bayern und die CSU hingegen als Vorreiter beim Thema Klimaschutz. Tatsächlich hatte der Freistaat unter seiner Ägida einige Impulse aufgenommen. Neben den Vorschlägen des Volksbegehrens „Rettet die Bienen“ setzte Söder auch eine Waldoffensive auf die Agenda. So sollen bis 2023 insgesamt 30 Millionen Bäume gepflanzt werden - fünf Millionen mehr als ursprünglich vorgesehen. (fn mit Material von dpa)

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