Heimliche Einigung auf Grundrente?

Das Treffen der Koalitionsspitzen heute Abend im Kanzleramt ist ein besonderes. Zwei der drei teilnehmenden Parteichefs sind neu im Amt: Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU) und Markus Söder (CSU).
Berlin – Außerdem hat sich die inhaltliche Ausgangslage mit dem „Werkstattgespräch“ der CDU zur Flüchtlingspolitik und den gleichzeitig gefassten Sozialbeschlüssen der SPD stark verändert. Jetzt muss sich zeigen, was noch gemeinsam geht.
Grundrente, Brexit, Bahn: Tagesordnung hat es in sich
Auf der Tagesordnung steht eine Fülle von Punkten, die sich in den vergangenen viereinhalb Monaten ergeben haben. So lange liegt das letzte Treffen zurück. Dazu gehört der Kohleausstieg, bei dem entschieden werden muss, wie die Empfehlungen der Kommission umgesetzt werden können. Auch der Brexit, die Lage der Bahn und die Auktion neuer Mobilfunkfrequenzen samt der Beteiligung chinesischer Firmen sind Beratungsgegenstände. Wegen des aufgekündigten Vertrages über Mittelstreckenraketen stoßen auch Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU) und Außenminister Heiko Maas (SPD) zu der Runde.
Aber das alles ist Regierungsalltag. Spannender wird anderes: Die SPD hat sich am Wochenende deutlich sozialer positioniert – oder, wie Michael Grosse-Brömer (CDU) stichelte, ein „Resozialisierungsprogramm zur Überwindung ihres Hartz IV-Traumas“ aufgelegt. Wird die Union also bei „Respektrente“, „Bürgergeld“ und den anderen, sehr teuren Reformvorschlägen mitgehen? Bisher gab es nur harsch ablehnende Stellungnahmen. Gipfelnd in dem Spruch von CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt, bei der SPD sei „der eine oder andere vom linken Affen gebissen“ worden.
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Grundrente: SPD-Chefin Nahles stapelt tief - oder gibt es schon eine Einigung?
Lässt man das Gepolter beiseite, so hat auch SPD-Chefin Andrea Nahles die Erwartungen etwas gedimmt: Die Beschlüsse vom Wochenende seien „erst einmal“ eine Positionierung der SPD. „Ich wüsste nicht, was sie mit der Frage Verbleib oder Nicht-Verbleib in der Koalition zu tun hätten.“ Allerdings ist die Grundrente schon deswegen ein Thema, weil sie im Koalitionsvertrag steht. Und, glaubt man der „Bild“-Zeitung, gibt es hinter den Kulissen sogar schon eine Einigung. Genauer: Es geht um die von Arbeitsminister Hubertus Heil (46, SPD) propagierte Respekt-Rente für besonders bedürftige Senioren. Die soll dem Bericht zufolge tatsächlich kommen, und zwar noch in diesem Jahr und nur mit einer „Prüfung light“ der Bedürftigkeit. „Grundrente“ soll das Kind jetzt heißen, spätestens bis Anfang Mai soll der Minister einen Gesetzentwurf vorlegen. Mai deshalb, weil man damit noch vor der Europawahl bei der Wählerschaft punkten könnte. Der Gesetzentwurf soll laut Bild noch vor der Sommerpause ins Kabinett, damit könnte die Grundrente noch im laufenden Jahr kommen. CDU-Vorstand Mike Mohring (47) gegenüber der Zeitung: „Die Grundrente kann und muss dieses Jahr beschlossen werden.“

Neben dem Inhaltlichen geht es auch um die neue personelle Aufstellung der Koalition. Die Gewichte haben sich verschoben. Kanzlerin Angela Merkel war in der Runde immer der Primus, weil sie zugleich CDU-Chefin war. Das ändert sich mit Kramp-Karrenbauer nun. Sie kenne AKK und Söder zwar gut, sagte Andrea Nahles gestern. Aber dennoch sei sie auf die Zusammenarbeit in dem Gremium sehr gespannt.
Gipfel für Söder und Kramp-Karrenbauer besonders wichtig
Für Kramp-Karrenbauer ist die Zusammenkunft besonders wichtig: Sie hat kein Regierungsamt und keinen Sitz im Bundestag. Ähnliches gilt für Markus Söder. Als Ministerpräsident in München ist er weit weg vom Geschehen. Erst mit seiner Teilnahme am GroKo-Gipfel kommt er richtig in der Bundespolitik an. Was auch seine Position daheim im Freistaat festigen dürfte.
W. KOHLHOFF/H. STRAUSS/ M.DÜRR