Die Salzminen von Soledar: Eine Untergrundstadt und ihre Bedeutung für den Ukraine-Krieg
Im Ukraine-Krieg toben heftige Kämpfe um die Kleinstadt Soledar. Doch basiert die strategische Bedeutung der dortigen unterirdischen Salzminen nur auf Wunschdenken?
Soledar – In friedlichen Zeiten war Soledar, wenige Kilometer von der Kleinstadt Bachmut entfernt, ein Industriezentrum mit etwa 11.000 Einwohnerinnen und Einwohnern. Inzwischen tobt der Ukraine-Krieg schon seit fast einem Jahr – Schulen, Geschäfte und Wohnhäuser der Bergbaustadt liegen in Trümmern.
Ukrainische und russische Truppen liefern sich seit Monaten Gefechte in der Region. Einer der Gründe: Unter Soledar ruht ein riesiges unterirdisches Salzbergwerk, dessen Stollen sich über mehr als 200 Kilometer in die umliegende Region erstreckt. Zu Friedenszeiten diente das größte europäische Bergwerk dieser Art nicht nur der Wirtschaft, sondern auch als Touristenattraktion.
Heute ist die Salzproduktion im Bergwerk eingestellt, während darüber rund um Soledar die Kämpfe toben. Von offizieller Seite wurde in den vergangenen Monaten jedoch nie erklärt, warum so viel Blut um die unscheinbare Kleinstadt vergossen wird. Dass die unterirdischen Salzminen von Interesse sind, dürfte aber feststehen.

Ukraine-Krieg: Wagner-Chef bezeichnet Salzminen als „Sahnehäubchen“
Anfang Januar bezeichnete Jewgeni Prigoschin, Chef der Söldergruppe Wagner, die Region Bachmut auf Telegram als „zentralen Punkt der Ostfront und als ein wichtiges Logistikzentrum“. Später schwärmte er von einem „Sahnehäubchen“, als er von dem „System der Soledar- und Bachmut-Minen“ sprach, die „eigentlich ein Netz unterirdischer Städte“ seien. Das Motiv des russischen Militärs – oder zumindest das des Kremls – scheint damit geklärt.
Mehrfach behauptete Prigoschin, dass man Soledar inzwischen vollständig erobert habe – eine Meldung, die auch Moskau bestätigte. Kiew hingegen beharrt weiterhin auf eine beinahe vollständige Kontrolle ihrerseits. Um die Verteidigung aufrechterhalten zu können, hatte die Ukraine zuletzt erneut um Waffen aus dem Westen gebeten und die Verteidigungslinien um Bachmut verstärkt.
Prigoschin zufolge wurden seit circa 100 Jahren Waffen in den Tunneln gelagert – eine Behauptung, die angesichts der ukrainischen Waffennot unwahrscheinlich scheint. Laut Militärexpertinnen und -Experten wird aber auch die strategische Bedeutung des unterirdischen Systems überschätzt.
Weder Bachmut noch Soledar haben große strategische Bedeutung im Ukraine-Krieg
Die Ausgänge der Tunnel seien den Ukrainern bekannt, das Verstecken von Waffen und Fahrzeugen würde den Russen kaum gelingen, sagte Ian Hill im Gespräch mit ABC News. Der ehemalige neuseeländische Botschafter in Russland, der jetzt am Zentrum für Verteidigungs- und Sicherheitsstudien der Massey University lehrt, glaubt eher, „dass der gesamte strategische Wert von Soledar darin besteht, Bachmut anzugreifen“. Doch selbst dieser strategische Wert sei „sehr fraglich“.
Der australische Politik-Experte Charles Miller sagte ebenfalls, dass weder Bachmut noch Soledar eine besonders hohe strategische Bedeutung für eine vorrückende Armee hätten. „Sie liegen in der Nähe einiger Straßenkreuzungen, aber es ist unwahrscheinlich, dass Russland, wenn es sie einnehmen würde, in der Lage wäre, eine große Dynamik zu entwickeln“, sagte Miller.
Propaganda im Ukraine-Krieg: Bei Bachmut und Soledar geht es auch um die Symbolik
Basieren die russischen Bemühungen um Bachmut und Soledar also eher auf Wunschdenken als auf Fakten? Vielleicht, wenn es um militärische Strategien geht, allerdings nicht im Falle der russischen Propaganda. Soledar und Bachmut liegen in der Region Donezk – eine der vier im September annektierten Oblasten. Die Einnahme der beiden Kleinstädte würde Russland einen Schritt näher an die vollständige Kontrolle über das weitgehend russischsprachige Gebiet von Donezk bringen.
„Selbst wenn die Städte dem Erdboden gleichgemacht werden, wie es bei Mariupol der Fall war, wäre der Propagandawert, den sie in den Händen der russischen Maschinerie haben, erheblich“, sagte Ian Hill. Die russische Besessenheit, die Region einzunehmen, hat im Umkehrschluss aber auch dazu geführt, dass die Ukraine den Erhalt der Städte priorisiert – ebenfalls aus symbolischen Gründen.
Ukraine-Krieg: Welche Schritte Russland als Nächstes plant
Das britische Verteidigungsministerium, das regelmäßig über die Fortschritte im Ukraine-Krieg informiert, teilte in der vergangenen Woche jedenfalls mit, dass die Wagner-Gruppe „mit ziemlicher Sicherheit ihre Positionen“ in der Stadt gehalten hätten. Auch der ehemalige britische Geheimdienstoffizier Philip Ingram erklärte gegenüber Newsweek, dass die russischen Truppen „nur sehr langsam und unter hohen Kosten“ vorankäme.
„Die Ukrainer haben die russische Aufmerksamkeit auf Bachmut gelenkt“ fügte er hinzu. Eine Analystin des Institute for the Study of War (ISW) brachte kürzlich erst den Gedanken ins Spiel, dass die Ukraine den Feind möglichst lange in die Schlacht um Bachmut verwickeln will, um andere Offensiven starten zu können.
Am Sonntag (15. Januar) hatte das Institut zwei langfristige Prognosen für die nächsten Schritte im Krieg vorgestellt. Eine Möglichkeit wäre der Versuch Moskaus, eine Großoffensive in der Oblast Luhansk durchzuführen. Die zweite Option wäre eine Defensivoperation, um eine ukrainische Gegenoffensive im Keim zu ersticken. Weitere Offensiven im Inneren des Landes seien nicht zu erwarten, da die Annexion von Luhansk, Saporischschja, Donezk und Cherson „die offiziellen Kriegsziele des Kremls bleiben und zu den am ehesten erreichbaren Zielen Russlands gehören“, so das ISW. (nak)