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80 Jahre alte Schiffsgeschütze auf Fahrzeugen und Spaten im Nahkampf: Russland leidet unter Materialmangel

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Von: Christoph Gschoßmann

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Ein Jahr Krieg und viele Verluste: Russland kämpft wohl mit einer handfesten Materialkrise. Es kursieren Berichte von Uralt-Modifikationen auf Fahrzeugen und Handspaten als Angriffswaffen.

München / Kiew - Gibt es eine große Materialkrise beim russischen Militär? Was nun über die Ausrüstung der Armee von Wladimir Putin bekannt wurde, klingt schwer danach: Es ist die Rede von alten Schiffsgeschützen auf Panzern und Klappspaten, die die Soldaten im Nahkampf benutzen.

Ukraine-Krieg: Russland baut alte Truppentransporter mit Schiffsgeschützen um

Das US-Magainz Forbes meldet, dass ein „verzweifeltes“ Russland alte Truppentransporter des Typs MT-LB mit 80 Jahre alten Geschütztürmen ausstattet. Ursprünglich waren diese für Patrouillenboote gebaut worden. Demnach erbeuteten ukrainische Soldaten ein solches umgerüstetes Fahrzeug mit einem 2M-7-Geschütz, mit zwei 14,5-Millimeter-Maschinengewehren und einem Stahlschild als Deckung erstmals Anfang Februar. Fundort war der Umkreis der Stadt Wuhdelar in der Region Donezk. Die Kleinstadt hat internationale Bekanntheit erlangt, nachdem die russischen Truppen dort bei der „größte Panzerschlacht des Krieges“ herbe Verluste einstecken mussten. Ein Panzerfriedhof aus 130 zerstörten Maschinen zeugt davon.

Auch Anfang März kursierten Bilder von MT-LBs mit einer 2M-3-Kanone inklusive Dach-Geschützturm, bei dem es sich um zwei übereinander angeordnete 25-Millimeter-Kanonen in einer Stahlwanne handelt. In Serie gefertigt wurde dieser von 1950 bis 1984 - als Flugabwehrkanone auf über 30 Schiffsklassen.

Ukrainische Soldaten in der Stadt Trostyanets neben einem zerstörten russischen Truppentransporter.
Ukrainische Soldaten in der Stadt Trostyanets neben einem zerstörten russischen Truppentransporter. © Fadel Senna/afp

Auch Ukraine nutzt altes Equipment und Modifikationen

Für Forbes ist der Fall klar: Nachdem die Russen im ersten Jahr ihres umfassenderen Krieges gegen die Ukraine „mehr als 9.000 Panzer, Kampffahrzeuge, Lastwagen und Haubitzen verloren haben“, gehen dem Aggressor die modernen gepanzerten Fahrzeuge zur Neige – und sie können nicht schnell genug neue bauen, um dies auszugleichen.

Laut dem Magazin sind die Russen aber nicht die einzigen, die sich im Ukraine-Krieg auf altes Equipment und Modifikationen verlassen. Auch die Ukrainer bauen alte MT-LBs um, indem sie ihnen 100-Millimeter-Panzerabwehrkanonen verpassen. So werde die Reichweite deutlich gesteigert, von 2.700 Meter auf 9.000 Meter.

Spaten als Angriffswaffe: Wie gravierend ist der russische Materialmangel?

Russische MT-LBs können auch als Flugabwehrgeschütz verwendet werden, schreibt Forbes weiter. Ohne Radar gibt es aber keine zentrale Steuereinheit, die die Raketen lenkt. Das wiederum verhärtet den Verdacht, dass Russland die Umbauten schlicht aus Mangel an Alternativen anordnet. Auch alte Transportpanzer vom Typ BRT-50 sollen an der Front fotografiert worden sein.

Britische Militärexperten sprachen ebenfalls zuletzt von Waffen- und Munitionsengpässen auf russischer Seite, die bizarre Konsequenzen nach sich ziehen sollen. In seinem täglichen Kurzbericht schrieb das britische Verteidigungsministerium am Sonntag, Moskau setze im Nahkampf auch gewöhnliche Feldspaten ein.

Hintergrund sind Äußerungen russischer Reservisten, die angegeben haben sollen, nur mit „Schusswaffen und Schaufeln“ zum Angriff auf einen einbetonierten ukrainischen Stützpunkt geschickt worden zu sein. Laut Großbritannien rankt sich um den gängigen Feldspaten des Typs MPL-50 der russischen Streitkräfte - eigentlich ein Schanzwerkzeug - ein Mythos. Dieser erhebt den Spaten zur tödlichen Waffe, dabei sei er seit seiner Einführung im Jahr 1869 kaum weiterentwickelt worden. (cgsc mit dpa)

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