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Straches Skandal-Video erschüttert Österreich

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Von: Sebastian Horsch

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Vor Kanzler Kurz liegen große Herausforderungen.
Vor Kanzler Kurz liegen große Herausforderungen. © dpa / Roland Schlager

Österreichs Vizekanzler ist gestürzt, die Regierung ist zerbrochen: Ein Skandal-Video erschüttert die Alpenrepublik. Während Kanzler Sebastian Kurz schon auf Neuwahlen blickt, steht noch immer die Frage im Raum, wer hinter all dem steckt.

München/Wien – Als Österreichs Kanzler vor die Presse tritt, strahlt sein Hemd blütenweiß. Nichts soll haften bleiben an ihm von all dem Dreck, den sein Koalitionspartner aufgewirbelt hat. „Genug ist genug“, sagt Sebastian Kurz. Mit dieser FPÖ will er nicht mehr regieren. Im September soll es Neuwahlen in Österreich geben.

Erst einige Stunden ist es da gerade her, dass Vizekanzler Heinz-Christian Strache seinen Rücktritt erklärt hat, nachdem der „Spiegel“, die „Süddeutsche Zeitung“ und der österreichische „Falter“ über ein 2017 aufgenommenes Video berichtetet hatten, das Unglaubliches zeigt.

Straches Skandal-Video erschüttert Österreich

Strache – damals noch FPÖ-Spitzenkandidat vor der Wahl – lümmelt darin auf einer Couch, in dem offensichtlichen Glauben, zu Gast in der Urlaubs-Villa einer russischen Oligarchin auf Ibiza zu sein. Er selbst verharmlost das Ganze als „b’soffne Gschicht“. Vermutlich würde das den Kern der Sache auch ganz gut treffen, wäre der Mann, der sich da um um Kopf und Kragen redet, nicht Österreichs späterer Vizekanzler. Und würde er dieser Frau, die vorgibt, für viele Millionen Euro die in Österreich einflussreiche „Krone“-Zeitung übernehmen zu wollen, nicht lukrative staatliche Aufträge in Aussicht stellen – falls sie mit ihrer damit gewonnenen Medienmacht die FPÖ unterstütze. Zudem deutet Strache in dem mehrstündigen Video an, von angeblichen Sex- und Drogeneskapaden seines damaligen ÖVP-Gegenkandidaten Kurz erfahren zu haben.

„Was über mich in diesem Video gesagt wird, von Beschimpfungen bis hin zu sehr derben Anschuldigungen und Unterstellungen, ist alles eigentlich nebensächlich“, sagt Kurz. Wirklich schwerwiegend seien hingegen „die Ideen des Machtmissbrauchs“, die der Film zeige. „Auch, wenn die Methoden klarerweise (...) verachtenswert sind, der Inhalt ist einfach wie er ist“, sagt Kurz. Zumal am Sonntagabend weitere Mitschnitte von Treffen die Runde machen. Mindestens bis Ende August sollen Strache-Vertraute mit der angeblichen Oligarchin in Kontakt gestanden haben.

Österreich: Wer steckt hinter dem Video?

Völlig offen ist noch, wer hinter all den Aufnahmen steckt. Die „SZ“ erklärt, den Ibiza-Film von ihrem Informanten auf abenteuerliche Weise in einem verlassenen Hotel erhalten zu haben. Auch der Satiriker Jan Böhmermann hat wohl seit Längerem von dem Film gewusst. So wird sein Manager zitiert, zudem legen es die Andeutungen nahe, die Böhmermann im April in einer Video-Dankesrede beim österreichischen Fernsehpreis gemacht hat. Damals hatte er ironisch behauptet, nicht anwesend sein zu können, weil er „gerade ziemlich zugekokst und Red-Bull-betankt mit ein paar FPÖ-Geschäftsfreunden in einer russischen Oligarchen-Villa auf Ibiza rumhänge“.

Auch die Polit-Aktivisten vom Zentrum für Politische Schönheit sollen das Video gekannt und womöglich auch verbreitet haben, behaupten österreichische Zeitungen. Doch dass Böhmermann oder diese Gruppe die Falle arrangiert haben, gilt als eher unwahrscheinlich.

Gleichzeitig fällt immer wieder noch ein anderer Name, den auch Kurz in seinem Statement erwähnt. Er lautet: Tal Silberstein.

Der israelische Politikberater ist in Österreich kein Unbekannter. Er gilt als ein Meister, wenn es darum geht, andere anzupatzen, wie der Österreicher sagt. Frei übersetzt heißt das: Silberstein bewirft sie mit Dreck. Schnüffeln, provozieren, Fallen stellen. In seiner Welt nennt man das Negativkampagne. „Wir müssen aus einem sauberen Kandidaten einen schmutzigen machen“, soll er mal gesagt haben. Silberstein hat auf diese Weise Wahlkämpfe auf dem gesamten Globus beeinflusst, auch für die sozialdemokratische SPÖ in Österreich.

„Die FPÖ kann es nicht“, sagt Kanzler Kurz

Für das Rennen 2017 hatten ihn die Sozialdemokraten wieder engagiert. Das primäre Angriffsziel: die ÖVP und ihr Kanzlerkandidat Sebastian Kurz. Lanciert wurden die fingierten Facebook-Seiten „Die Wahrheit über Sebastian Kurz“ und „Wir für Sebastian Kurz“. Auf ersterer wurde Kurz in die Nähe einer Art jüdischen Weltverschwörung gerückt. Die zweite, eine angebliche Fan-Seite mit stark rechtspopulistischer Schlagrichtung, sollte hingegen potenzielle Kurz-Wähler aus der Mitte abschrecken. Am Ende lag allerdings nicht Kurz in Trümmern, sondern die SPÖ-Kampagne. Und im August 2017 wurde Silberstein verhaftet, schon länger bestand der Verdacht auf Geldwäsche und Betrug. Bemerkenswert: Erst kurz zuvor – am 24. Juli 2017 – war das Strache-Video aufgenommen worden.

Wer auch immer Strache und seinem Begleiter, dem FPÖ-Fraktionschef Johann Gudenus (er trat am Abend aus der Partei aus und legte sein Nationalratsmandat nieder), die Falle gestellt hat, scheint sein Ziel zumindest nicht verfehlt zu haben.

„Die FPÖ kann es nicht“, sagt Kanzler Kurz, als er vor Journalisten aus aller Welt die Koalition beendet. Offenbar hatte er in den Stunden zuvor aber auch vieles versucht hatte, seine Koalition noch zu retten. Er forderte weitere Personalwechsel, über Strache und Gudenus hinaus. „Es ging um einen Neustart ohne Skandale und ohne Kickl“, bestätigen Regierungskreise. Der umstrittene Innenminister Herbert Kickl ist einer der Scharfmacher der FPÖ. Doch zu diesem Opfer waren die Freiheitlichen nicht bereit. „Die Neuwahlen waren kein Wunsch, sie waren eine Notwendigkeit“, sagt Kurz.

18 Monate nach dem Start ist das europaweit mit Argusaugen verfolgte Projekt einer Koalition von Konservativen und Rechtspopulisten damit gescheitert. Auch die einzige Landes-Koalition der SPÖ mit der FPÖ im Burgenland wurde nun für beendet erklärt.

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