Militärexperte rügt Deutschlands Kampfpanzer-Haltung: „So funktioniert das im Krieg nicht“
Kiew fordert im Ukraine-Krieg weiter Kampfpanzer westlicher Bauart. Welche Vorteile diese bringen würden, erklärt Militärexperte Gustav Gressel gegenüber Merkur.de von IPPEN.MEDIA.
München — Knapp neun Monate nach dem Beginn des Ukraine-Kriegs ist sich der Westen über die Lieferung von modernen Waffensystemen in die Ukraine noch immer uneinig. Vor allem beim Thema moderne Kampfpanzer scheiden sich weiter die Geister — auch in der Bundesrepublik. Während die Union sich in Person von Oppositionsführer Friedrich Merz und auch Vertreter der FDP für eine Lieferung ausgesprochen haben, stellt sich Verteidigungsministerin Christine Lambrecht (SPD) bisher noch quer. Deutschland wolle keinen Alleingang bei der Lieferung von modernen Kampfpanzern – wie dem deutschen Leopard 2 – machen und auf seine Nato-Partner warten.
Ukraine-Krieg: Kiew fordert Lieferung von Kampfpanzern - Welchen Effekt hätten die Waffensysteme?
In der Ukraine bleibt der Ruf nach Kampfpanzern jedoch laut. Doch welchen Effekt hätte die Lieferung von Leopard-2-Panzern ins Kriegsgebiet in der aktuellen Phase für die ukrainische Armee? Der Militärexperte Gustav Gressel vom European Coucil of Foreign Relations (ECFR) hat die Lage gegenüber Merkur.de von IPPEN.MEDIA eingeordnet.
„Die Kampfpanzer würden zunächst den gleichen Zweck erfüllen wie die Panzer vom Typ T-64B aus ukrainischen Beständen, die T-72M aus westlicher Lieferung oder die T-72B, T-80U und T-90A/M aus russischen Beutebeständen“ so Gressel. „Der größte Unterschied ist, dass der Leopard 2 die 120 mm NATO-Standardmunition verschießt, während alle oben genannten Panzer die sowjetische 125 mm Munition verwenden“, erklärte der Militär-Experte weiter. Die sowjetische Munition gehe im andauernden Konflikt immer weiter zur Neige und könne nur von wenigen Firmen in Europa hergestellt werden. „120 mm NATO-Standardmunition wird jedoch in Südkorea, USA, Deutschland, Italien, Frankreich und weiteren europäischen Ländern hergestellt. Da ist man mit dem Munitionsnachschub flexibler“, erklärte Gressel weiter.
Militär-Experte über Waffenlieferungen: Sowjetischer Panzer „brennen meist mit der Besatzung aus“
Neben der Munition würden Leopard-2-Panzer noch einen weiteren Vorteil für das ukrainische Militär bringen. „Ein getroffener T-64/72/80/90 (die verschiedenen von der Ukraine eingesetzten Panzertypen sowjetischer Bauart, Anm. d. Red.) brennt meist mit der Besatzung aus“, erklärte Gressel. „Bei westlichen Panzern ist die Chance höher, dass die Besatzung einen Treffer überlebt.“ Dieser Punkt könne auch deswegen für die ukrainischen Streitkräfte entscheidend sein, da es viel Zeit in Anspruch nimmt, eine gute Panzerbesatzung neu auszubilden.

Deutsche Waffenlieferungen in die Ukraine: MARS2, Gepard und Panzerhaubitze 2000
Im laufenden Konflikt hat Deutschland bisher bereits andere moderne Waffensysteme geliefert. So hatte die Bundesregierung bereits im Sommer die Panzerhaubitze 2000, den Mehrfachraketenwerfer MARS2 oder den Flugabwehr-Panzer vom Typ Gepard an die Ukraine geliefert. Eine Lieferung von Kampfpanzern vom Typ Leopard 2 könnte dennoch von entscheidender Bedeutung für den weiteren Kriegsverlauf sein und die bisher gelieferten Waffesysteme ergänzen.
Militär-Experte mit Fußball-Vergleich: Ukraine „soll nur mit Torhütern spielen“
„Deutschland hat bisher keine Kampfpanzer geliefert. Wie in einer Fußballmannschaft hat jedes Waffensystem eine bestimmte Rolle. Sie brauchen gute Spieler in allen Funktionen, sonst klappt das mit der Mannschaft nicht“, so Gressel. „Die aktuelle deutsche – und auch amerikanische – Position ist, dass die ukrainische Mannschaft nur mit Torhütern spielen soll.“ Berlin und Washington würden sich von dieser defensiven Taktik das Ausbleiben einer weiteren Eskalation durch Russland erhoffen. Die Einschätzung des Experten: „So funktioniert das halt im Krieg nicht. Im Fußball übrigens auch nicht.“ Derweil äußert sich ein weiterer Militärexperte zu Nutzen und Eskalationsgefahr. Werden bald auch Kampfjets geliefert?

In der Ukraine ärgert man sich derweil weiter über die ausbleibenden Lieferungen. Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj hat die EU-Staaten am Donnerstag eindringlich zur Lieferung moderner Panzer aufgerufen „Es gibt keinen rationalen Grund, warum die Ukraine sie nicht jetzt schon bekommen sollte“, sagte er am Donnerstag beim EU-Gipfel, zu dem er per Video zugeschaltet wurde. „Ich bitte Sie darum, Führung zu zeigen. Derjenige, der als erster moderne Panzer liefert, eröffnet die Möglichkeit für Lieferungen aus der ganzen Welt und wird als einer der größten Verteidiger der Freiheit unserer Zeit im Gedächtnis bleiben.“ Auch der ukrainische Botschafter in Deutschland, Oleksij Makejew, hat sich wiederholt für die Lieferung von Kampfpanzern ausgesprochen. (fd)