Putin-Sturz brächte die Nato in große Gefahr - britischer Ex-Diplomat erklärt Atom-Szenario in sechs Schritten

Sollte Russlands Armee sich gegen Wladimir Putin auflehnen, wäre der Westen in Gefahr: Putins Nachfolger würden eine Niederlage nicht akzeptieren.
London - Was passiert, wenn Russland im Ukraine-Krieg mit dem Rücken zur Wand steht? Könnte es zu einer Meuterei in der Armee kommen, Wladimir Putin zurücktreten müssen? Ein britischer Ex-Diplomat, Tim Willasey-Wilsey, schreibt im britischen Sicherheits-Think-Tank Royal United Services Institute (RUSI), dass es bereits Anzeichen für Meutereien in der Armee gegeben habe, etwa der abrupte Rückzug aus Charkiw im September.
Eine Auflehnung des russischen Militärs gegen Putin inm Ukraine-Krieg bezeichnet Willasey-Wilsey zwar als einen Grund zur Freude für den Westen. „Eine Meuterei brächte aber auch einige Tage an erhöhtem Risiko mit sich“ - ein erhöhtes Risiko für den Einsatz von Atomwaffen, so der Ex-Diplomat.
Tim Willasey-Wilsey
war für 27 Jahre britischer Diplomat in Afrika, Lateinamerika, dem Nahen Osten und Asien. Er hat derzeit eine
Gastprofessor am King’s College London und hält Vorträge über den Umgang der Regierung mit Kriegsführung, Ansätze zur Konfliktlösung sowie über Terrorismus und Aufstände.
Bei Putin-Sturz: Sechs Schritte bis zur Apokalypse: So sieht der Atomwaffenexperte die Gefahr
Sechs Schritte bis zum Einsatz von Nuklearwaffen sieht Tim Willasey-Wilsey, falls das ukrainische Heer auf keinen Widerstand mehr stoßen würde. Innerhalb weniger Tage hätte die ukrainische Armee das ganze Territorium zurückerobert, das seit 24. Februar von Russland eingenommen wurde. „Und dann würde es kompliziert werden“, so der Sicherheitsexperte über etwaige Szenarien im Ukraine-Krieg.
- Moskau würde der Ukraine ein Ultimatum stellen, dass die Armee nicht auf Territorium vordringen dürfe, das die Russland vor dem 24. Februar eingenommen hatte - also Teile des Donbas und die Insel Krim.
- Deutschland und Frankreich würden der Ukraine raten, sich nicht hinter die Grenzen zu begeben - aber Großbritannien und die USA könnten die Ukraine vielleicht darin bestärken, sich auch auf Krim-Territorium vorzuwagen.
- Der ukrainische Präsident Selenskyj könnte der Armee einige Tage Zeit geben, um die ukrainische Bevölkerung im Donbas und auf der Krim für möglichen Kriegsverbrechen der russischen Armee zu schützen.
- Die Ukraine würde Zehntausende russische Soldaten gefangen nehmen - und vielleicht auch trotz der Bitten des Westens, sie freizulassen, in Gefangenschaft halten.
- Wladimir Putin würde in Russland unter Druck geraten: Alexander Bortnikov (Direktor des Inlandsgeheimdiensts FSB) oder Nikolai Patrushev (früherer FSB-Direktor) könnten versuchen, Putins Nachfolger zu werden - und extremere Positionen vertreten als Putin selbst.
- Das wäre der Zeitpunkt, an dem russische Atomwaffen eingesetzt werden könnten: Entweder als Abschreckung über der Ukraine oder dem Schwarzen Meer, aber auch gegen einen Nato-Staat gerichtet.
„All dies ist kein Argument dafür, Russland nicht aus der Ukraine zu verdrängen, aber es ist eine Aufforderung an westliche Regierungen, Moskau ihre Absichten mit absoluter Klarheit mitzuteilen“, fordert der Ex-Diplomat. „Grundlegend wäre eine Zusicherung an die russische Regierung und das Volk, dass ihre territoriale Integrität vor 2014 in keiner Weise gefährdet ist“, schreibt er, was seiner Einschätzung nach bei einem Putin Sturz und zukünftigen Entwicklungen im Ukraine-Krieg notwendig wäre.
Ukraine-Krieg: Experten warnen vor Schockstarre wegen Atomdrohungen
Erst vor einem Ukraine-Unterstützungstreffen in Ramstein drohte der Putin-Vertraute Medwedew erneut mit dem Einsatz von Nuklearwaffen. Und auch am Samstag drohte Medwedew dem Westen unverhohlen im Zusammenhang mit den Panzerlieferungen im Ukraine-Krieg.
Mehrere Experte warnen davor, wegen Atomdrohungen in Schockstarre zu verfallen. Dass man sich nicht an die Debatte um einen Einsatz von Atomwaffen gewöhnen darf, argumentieren Friedensorganisationen wie die Internationale Kampagne zur Abschaffung von Atomwaffen (ICAN). Sie setzen sich unter anderem gegen eine weitere Lagerung von Atomwaffen im deutschen Büchel, einer 1.100-Einwohner-Stadt in Rheinland-Pfalz, ein. (kat)