„Lage ist kritisch“: Tote und harte Maßnahmen an Belarus‘ Grenze – Nachbarn befürchten Schlimmes

Weitgehend unbeachtet schwelt an der belarussisch-polnischen Grenze weiterhin eine schwere Krise. „Die Lage ist kritisch“, heißt es auf IPPEN.MEDIA-Anfrage aus dem Bundestag.
Berlin/München - Im Sommer 2021 dominierte die auch humanitär verheerende Lage an der belarussisch-polnischen Grenze die Schlagzeilen - Machthaber Alexander Lukaschenko hatte nach Ansicht vieler Beobachter gezielt Migranten als „Waffe“ eingesetzt. Mit dem Ukraine-Krieg ist das Thema nahezu vollständig aus den deutschen Medien verschwunden.
Doch gelöst ist das Problem noch lange nicht. Zuletzt hat Litauen den Ausnahmezustand in der Grenzregion verlängert. Und auch rund um die russische Exklave Kaliningrad könnten neuer Schwierigkeiten und menschliches Leid drohen. Unter anderem aus der Bundestags-SPD kommen mahnende Stimmen.
Lukaschenko und Putin bereiten weiter Grenz-Ängste: „Lage an Grenze zu Belarus kritisch“
„Die Situation an der Grenze zu Belarus ist angespannt und kritisch“, sagte Entwicklungspolitikerin Derya Türk-Nachbaur aus der Kanzlerpartei IPPEN.MEDIA auf Anfrage. „Es steht außer Frage, dass die belarussische Regierung diese fragile Lage ausnutzt“, warnte sie. Das gelte ungeachtet der Tatsache, dass die Situation an der belarussischen Grenze zuletzt in den Hintergrund gerückt sei.

Von einer Entspannung kann wohl tatsächlich keine Rede sein: Nach Angaben des European Council on Refugees and Exiles waren im Februar vier tote Geflüchtete im belarussisch-polnischen Grenzgebiet gefunden worden. Die Vereinigung Grupa Granica sprach von 37 Todesfällen und 300 Vermissten seit Beginn der Krise.
Auch von harten Maßnahmen der polnischen Grenzschützer wird berichtet: Etwa von wiederholten „Pushbacks“. Nach offiziellen Angaben wurde aber auch eine Deutsche des Landes verwiesen, weil sie Hilfspakete durch den Zaun in den Grenzstreifen gereicht haben soll. Darüber berichtete die Webseite notesfrompoland.com. Die Vorfälle könnten den enormen Druck an der Grenze zu Belarus verdeutlichen - und das Spannungsfeld, sich russischen und belarussischen Destabilisierungsversuchen zu widersetzen und Menschenrechte zu wahren, in dem sich Anrainerstaaten Belarus‘ bewegen. Polens Regierungs hat sich allerdings ohnehin mit einem migrationsfeindlichen Kurs profiliert.
Kaliningrad: Lage an Russlands Grenze zur EU „beunruhigend“
„Wenn erforderlich, werden wir gegebenenfalls weitere Maßnahmen in Erwägung ziehen“, erklärte Türk-Nachbaur IPPEN.MEDIA. mit Blick auf die Grenze zwischen EU und Belarus. Sie richtete den Blick aber auch auf Kaliningrad. Schon vor einiger Zeit hatte die russische Staatsagentur Interfax gemeldet, der Flughafen der Stadt wolle Fluglinien aus Katar, den Vereinigten Arabischen Emiraten und der Türkei anlocken. Das International Center for Migration Policy Development (ICMPD) warnte, Wladimir Putin wolle womöglich ebenfalls Migranten „als Waffe instrumentalisieren“.
Türk-Nachbaur bewertete die Gesamtlage an Kaliningrads Grenzen als „beunruhigend“. „Die polnische Regierung baut dort derzeit einen elektronischen Grenzzaun“, berichtete sie. Man werde die Situation genau verfolgen.
Sorge an der Suwalki-Lücke: Polen und Litauen wollen sich an Belarus‘ und Russlands Grenze rüsten
Sorgen gibt es im Baltikum aber auch aus anderen Gründen - mit Blick auf mögliche militärische Pläne Russlands. Polens Verteidigungsminister Mariusz Blaszczak berichtete zuletzt vom Bau sogenannter „Panzerigel“ an der Grenze zu Kaliningrad. Litauen sieht sich noch stärker bedroht. Nur die gerade einmal 80 Kilometer lange „Suwalki-Lücke“ trennt hier Belarus und die russische Exklave.
Der litauische Ex-Militär Vaidotas Malinionis forderte laut einem Bericht des Senders LRT zuletzt gemeinsame Verteidigungsvorkehrungen mit Polen. Eine weitgehend ungeschützte Grenze könne einen leichten Durchmarsch Russland erleichtern, warnte er. Laut LRT plant Polen bereits, eine Militär-Einheit in Divisionsstärke in der Nähe Kaliningrads zu stationieren - auch, um gegebenenfalls die Suwalki-Lücke verteidigen zu können. In Litauen soll auch die Bundeswehr dauerhaft präsent sein. (fn)