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Ordensobere mahnen bei Seehofer: Flüchtlingspolitik braucht sensible Sprache

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Von: Christian Deutschländer, Claudia Möllers

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Nach dem „differenzierten“ Gespräch mit Horst Seehofer stehen die Ordensoberen vor der Staatskanzlei: (v.l.) Pater Kiechle, Prof. Mirjam Schambeck, Pater Cornelius Bohl, Prof. Carmen Tatschmurat (Äbtissin der Abtei Venio in München) und Schwester Sabine Adam (Provinzoberin der Mitteleuropäischen Provinz der Congregatio Jesu). © Haag

München - Als „Klosteraufstand“ hatte der offene Brief von 45 Ordensoberen an Ministerpräsident Seehofer am 11. November bundesweit für Schlagzeilen gesorgt. Darin hatten sie die Flüchtlingspolitik der CSU massiv kritisiert. Jetzt kamen die Ordensleute zum Gespräch in die Staatskanzlei.

Lang hat es gedauert, das klärende Gespräch, zu dem Bayerns Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU) fünf Vertreter der Ordensoberen in die Münchner Staatskanzlei eingeladen hatte. Eine Stunde war vorgesehen, nach eindreiviertel Stunden verließen die Ordensleute die Staatskanzlei wieder. Und sie lächeln, als sie durch die große, graue Stahltür treten. „Es war ein differenziertes und gutes Gespräch über die Anliegen, die wir im Brief auch geäußert haben“, fasst der deutsche Jesuitenprovinzial Pater Stefan Kiechle (München) das Gespräch zusammen.

Die Atmosphäre war gut, man hat lange und ausführlich gesprochen über den Brief, in dem die Ordensvertreter eine politische Rhetorik kritisiert hatten, die Geflüchtete ins Zwielicht stelle, anstatt sie als Mitmenschen zu betrachten, die Solidarität bräuchten. Die Ordensleute hatte sich auch gegen Transitzonen, Auffanglager, eingeschränkten Familiennachzug und die Einschränkung von Einzelfallprüfungen bei Asylverfahren ausgesprochen.

„Wir konnten rüberbringen, dass man auf Sprache achten muss“, glaubt Pater Kiechle. „Sprache kann ausgrenzen, Sprache kann abwerten. Sprache schafft Fakten, die dann auch Stimmungen machen, Stimmungen wiederum machen Politik.“ Und er nennt ein Beispiel: Den Ausdruck „massiver Asylmissbrauch“.

Im Gespräch aber erlebten die Ordensleute Seehofer als „viel differenzierter“. Auch die Ankündigung der Aufnahmezentren klang in den Ohren der Ordensoberen zunächst sehr negativ. „Man hatte sofort Assoziationen an ein Konzentrationslager, wo die Menschen versammelt und als Masse behandelt werden mit dem Ziel, sie möglichst schnell wieder zurückzuschicken. Das darf auf gar keinen Fall sein. Das haben wir gemeint“, erklärte Kiechle.

Professorin Mirjam Schambeck, Franziskanerin aus Würzburg und Initiatorin des Briefes, erklärt, sie hätten vor allem deutlich machen wollten, dass Politik durch die Rhetorik bestimmte Menschen verunsichert oder auch mitnehmen kann. Dass darauf deutlich mehr Achtsamkeit an den Tag gelegt werden müsse als bisher. „Es geht darum, die Bürger mitzunehmen, zu zeigen, dass ganz viel möglich ist, wenn die konstruktiven Kräfte gebündelt werden“, so Schambeck. Verantwortliche in den Verwaltungen müssten darin gestärkt werden, Geflüchtete nicht als Problem zu verstehen, sondern sich für die konkreten Menschen einzusetzen. „Ich glaube dieses Anliegen ist auch sehr gut rübergekommen.“

Die fünf Ordensvertreter haben im Gespräch mit Seehofer vor einer Verschärfung des Asylrechts gewarnt – mit Verweis auf die Asylrechtsänderung Anfang der 90er-Jahre, die durch Angstszenarien ausgelöst worden sei. „Da hat er sehr zugestimmt“, so Schambeck. Der Ministerpräsident habe eingeräumt, dass Deutschland derzeit in einer komfortableren Situation sei. „Wirtschaftlich werden wir das gut schaffen können“, zitierte die Ordensfrau Seehofer.

Und der Hausherr selber? Seehofer überließ den Ordensleuten weitgehend die Deutung des Treffens, sagte nur, die Gäste seien „dankbar“ gewesen. Er habe die drei Säulen seiner Flüchtlingspolitik erläutert – Hilfe für Flüchtlinge, schnelle Abweisung unberechtigter Asylbewerber, Hilfe in den Herkunftsländern. Er habe außerdem über „Gesinnungs- und Verantwortungsethik“ gesprochen. Frei übersetzt dürfte das heißen: Die Kirche könne aus Gesinnung heraus absolute Hilfe für jeden Flüchtenden fordern, die Politik habe aber eine Verantwortung auch für Kosten, Belastung und Folgen.

Die Ordensleute verließen jedenfalls die Staatskanzlei guten Mutes. Von Klosteraufstand keine Spur. „Wir sind keine Politiker, keine Besserwisser und auch keine naiven Gutmenschen“, sagte der Provinzialminister der Deutschen Franziskanerprovinz Pater Dr. Cornelius Bohl (München). Man habe den Flüchtlingen eine Stimme geben wollen. „Und die ist, glaube ich, auch gehört worden.“

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