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Der treffsichere Gaudibursch

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- München - Wenn Fritz Fischer so richtig ins Reden kommt über den Biathlonsport, dann dauert es meistens nicht lange, bis sich auch ein paar philosophisch angehauchte Gedanken in den überwiegend wilden Fluss der Worte mischen. Da verwandelt sich zum Beispiel die Matte am Schießstand in einen Prüfstand für Charakterfestigkeit.

"Unsere Gesellschaft verstellt sich oft. Man tut auf cool", sagt Fischer, auf der Matte aber, "da kannst du dich nicht verstellen, da markiert keiner den wilden Mann". Denn da müsse ins Ziel getroffen werden, oft unter größter Anspannung, und manch einer mache schnell die Erfahrung: "Hoppla, so cool bin i gar net."

Fritz Fischer ist oft auf der Schießmatte gestanden, wenn es um Triumph oder Niederlage ging. Und einst, im Spätherbst seiner Karriere, hat er sich bei diesem Härtetest gar auf legendär coole Weise bewährt. 1992 ist das gewesen, beim olympischen Staffelrennen von Albertville war der damals schon 36-Jährige als Schlussläufer gestartet, und als es ans Schießen ging, lag er zwar in Führung, aber mit nur wenigen Sekunden Rückstand folgten der Norweger Kvalfoss und der Russe Tschepikow, zwei scheinbar übermächtige Konkurrenten.

"Jeder hat gesagt: der Fritz ist so sicher wie die Bank von England. Aber ich hätte mich am liebsten vergraben", erinnert sich Fischer. Andererseits habe er immer an sein Credo geglaubt: "Irgendwann im Leben bekommst du deine Chance." Jetzt war sie da. Fischer drückte zehnmal ab, zehnmal traf er. "Das ging so schnell, dass ich mir das heute noch nicht erklären kann. Patsch, patsch, patsch - und weg war ich." Fischer hatte dann auf der Zielgeraden so viel Vorsprung, dass er zur Feier des Staffelgolds die Deutschland-Fahne schwenken konnte - eine Geste, die damals noch ganz neu war.

Von dieser Ruhmestat, dem Höhepunkt in Fritz Fischers Laufbahn, wird heute sicher öfters die Rede sein. Denn der Biathlon-Veteran

feiert im Ruhpoldinger Kurhaus seinen 50. Geburtstag. Ein Jubiläum, das ihn schon leicht nachdenklich macht. Denn wie 50, so beteuert er, "fühle ich mich nicht". Für ihn sei das Alter nur "eine Papierfrage". Fischer, der längst in den Trainerberuf gewechselt ist, sagt: "Vom Kopf, vom Willen her bin ich immer noch Sportler."

Und auch sonst scheint Fischer sich im Laufe der Jahre nicht groß geändert zu haben. Schon zu aktiver Zeit präsentierte er sich bevorzugt als humoriger Bajuware. "Ich bin eben ein Kasperlkopf und Gaudibursch", sagt er. Dieser Selbsteinschätzung ist er auch gerecht geworden, als die von ihm betreuten Biathlon-Junioren 2001 fünf WM-Titel holten. Der Fischer Fritz hat daraufhin prompt eine Wette eingelöst und ist nur mit einer Unterhose bekleidet in die Loipe - bei minus zehn Grad.

Versteckspiel mit Fernsehreporter Morawetz

Seinen ausgeprägten Hang zum Frohsinn wussten früher auch die Teamkollegen zu schätzen: "Wenn's zum Lagerkoller gekommen ist, dann hab' ich die anderen rausgezogen und einen Scherz gemacht zum Auflockern."

Die saloppe Art des Fritz Fischer hat es ihm wohl aber auch selbst erst ermöglicht, sich als Biathlet einen großen Namen zu machen. Denn zu den Skijägern kam der gebürtige Kelheimer nur durch Zufall, und eigentlich auch viel zu spät. Angefangen hat alles 1974 bei der Bundeswehr in Pocking - einen Tag vor seiner Versetzung nach Landshut als Panzerfahrer. Fischer machte spaßeshalber bei einem 5000-Meter-Lauf mit - und lief allen davon. Der klar besiegte Kommandeur erkundigte sich daraufhin, wie viel Fischer denn trainiere. Die überraschende Auskunft lautete: gar nicht. Und als das eben entdeckte Naturtalent dann auch noch den Wunsch äußerte, in einem Hochgebirgszug eingesetzt zu werden, hat sich der Vorgesetzte sofort an die zuständige Stelle gewandt, und zwar mit den Worten: "Ich hab' einen ganz Wilden. Der hat mich über 5000 Meter geputzt - ohne Training!"

Mit 18 Jahren stand Fischer erstmals auf Langlaufskiern, und manch einer sei da sehr skeptisch gewesen: "Der packt des eh net", habe es geheißen, "ein Niederbayer kann doch net langlaufen." Fischer aber hat sich nicht beirren lassen. Und als er dann mit 23 als Rekrut an den Chiemgau-Meisterschaften im Skilanglauf startete, hat er prompt gewonnen - vor Jochen Behle, der damals die ganz große deutsche Nummer war in der Loipe. Jahre später habe er Behle auf die Niederlage angesprochen, doch der heutige Langlauf-Bundestrainer reagierte eher ausweichend: "Der Jochen meinte, er hätte sicher verwachst . . .", sagt Fischer.

Im Winter darauf bestritt Fischer dann in Ruhpolding seinen ersten Biathlon-Weltcup, wurde auf Anhieb sensationeller Siebter und erregte damit das Interesse des Fernsehreporters Bruno Morawetz. Den TV-Mann hat später auch der Satz "Wo ist Behle?" berühmt gemacht. Doch schon in Ruhpolding habe er überall gefragt: Wo ist dieser Fischer? Der aber war unauffindbar. "Ich hab' mich eine Stunde lang hinter einem Baum versteckt", erzählt Fischer: "Ich hab' mir damals gedacht: Wie soll ich denn ein Interview geben, ich kann das doch gar nicht."

Das sollte sich aber bald ändern. Der spätberufene Fischer stieg zum deutschen Publikumsliebling auf, errang 1984 olympisches Bronze mit der Staffel, 1988 gewann er gar den Gesamtweltcup, zu den Winterspielen im gleichen Jahr in Calgary reiste der Ruhpoldinger als Favorit an. Aus der erhofften Medaille ("Ich wollte Gold, ich war in der Form meines Lebens") wurde jedoch nichts: Auf dem Flug nach Kanada wurde Fischer krank, eine Stirnhöhlenvereiterung ließ alle Hoffnungen platzen.

Das mit dem Einzel-Gold hat Fischer dann gewissermaßen als Stützpunkttrainer in Ruhpolding nachgeholt. Dort betreute er mit Michael Greis einen lange unterschätzten Spätstarter. Fischer, beim DSV auch als Biathlon-Bundestrainer für die Disziplin Langlauf angestellt, war jedoch von den besonderen Gaben des Allgäuers stets überzeugt: "Der Michi ist ein Mensch, an den du glaubst."

Zudem erfüllte Greis ein weiteres Kriterium der Fischer'schen Philosophie: "Sport ist so schwierig, weil er so einfach ist. Entscheidend ist, dass du den Erfolg willst. Ansonsten schaffst du es nicht." Vergangenen Winter holte der willensstarke Michael Greis bei den Olympischen Spielen von Turin dreimal Gold. Irgendwie, meint Fischer, habe sein Musterschüler die Medaille gewonnen, die er selbst 1988 so unglücklich verpasste: "Ich bin stolz darauf."

Seinen eigenen Werdegang führt Fritz Fischer auch auf die entsprechenden Gene zurück. "In unserer Familie war immer eine Grundkraft da." Schon sein Vater sei überaus sportiv gewesen, der Bruder Georg war 1988 Olympiateilnehmer im Langlauf, und auch die drei Söhne von Fritz Fischer verfügen über einschlägiges Potenzial. Die Skirennläufer Thomas (20) und Daniel (21) gehören dem alpinen B-Kader an. Der Jüngste, der 16-jährige Fritzi, sei gar "ein begnadetes Biathlon-Talent". Nur hat er es mit dem Training plötzlich sein lassen, um Fliesenleger zu werden.

Fritz Fischer will seinen Filius aber nicht umstimmen: "Ich geb' dem Fritzi den Freiraum, ich mach' doch sein Leben nicht kaputt." Schließlich bestehe die Welt ja nicht nur aus Sport: "Der steht um sechs auf, macht seine Arbeit, und auf d'Nacht ist er glücklich." Schön, dass auch so etwas in Fritz Fischers Biathlon-Philosophie passt.

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