"Böse, sehr böse": Darum attackiert Trump Deutschland

Donald Trump hat bei seinem Besuch in Brüssel nicht mit harten Worten gespart. Gerade Deutschland griff der US-Präsident heftig an. Warum eigentlich?
Brüssel - Entspannung, Brückenbauen, die Wogen glätten? Mitnichten! US-Präsident Donald Trump hat am Donnerstag zum ersten Mal Brüssel besucht - und dabei gleich eine ganze Reihe von Nato- und EU-Staatschefs verprellt. Etwa mit dem Vorwurf an die versammelte Nato-Gemeinde, nicht genug Geld für das Militär auszugeben.
Ganz oben auf der Liste der Ärgernisse scheint für Trump aber Deutschland zu stehen. Bei der EU-Spitze habe sich der US-Präsident beklagt und die Deutschen als "böse, sehr böse" ("bad, very bad") bezeichnet, berichtete Der Spiegel unter Berufung auf Teilnehmer der Runde. Warum aber hat Trump ausgerechnet Deutschland im Visier - wo liegen die wichtigsten Differenzen zwischen den beiden Ländern?
1. Handelspolitik
Trumps stilistisch etwas plumpe Beschwerde über Deutschland hatte vor allem mit der deutschen Wirtschafts- und Handelspolitik zu tun. Die Informanten der Süddeutschen Zeitung etwa fassten den Trump'schen Angriff etwas anders auf: Das Blatt berichtete, der US-Präsident haben den deutschen Handelsüberschuss als "schlecht, sehr schlecht" bezeichnet. Eine Bestätigung für diese Äußerungen war in Brüssel zunächst nicht zu erhalten.
Bei Spiegel Online hieß es weiter, Trump habe seinen Gesprächspartnern von der EU gesagt: "Schauen Sie sich die Millionen von Autos an, die sie in den USA verkaufen. Fürchterlich. Wir werden das stoppen." Auch mit dieser Aussage dürfte in vorderster Front Deutschland gemeint gewesen sein. In keinem anderen EU-Land sind so viele Menschen in der Automobilindustrie beschäftigt, wie in Deutschland. Erst mit großem Abstand folgen Frankreich und Italien.
Kurz gefasst: Trump sieht äußerst kritisch, dass Deutschland einen großen Handels- und Export-Überschuss erzielt. Bereits im Januar hatte Trumps Wirtschaftsberater Peter Navarro gepoltert, Deutschland beute die USA aus. Mit ihrer Kritik stehen Trump und die USA allerdings nicht alleine da.
2. Militärpolitik
Trump hat in Brüssel auch seine Forderung nach höheren Verteidigungsausgaben der europäischen Nato-Mitglieder bekräftigt. 23 von 28 Nato-Mitgliedern gäben immer noch nicht zwei Prozent ihrer Wirtschaftsleistung für Verteidigung aus, sagte Trump. Damit meint er auch Deutschland. Hier liegt der Militäretat bei rund 1,2 Prozent des Bruttoinlandsproduktes
Viele dieser Nationen "schulden enorme Mengen Geld aus den vergangenen Jahren", sagte Trump. „Es gibt kein Schuldenkonto in der Nato", hatte Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU) schon im März im Zuge einer ähnlichen Debatte kühl gekontert.
Auch Bundeskanzlerin Merkel hielt nun dagegen. Die geplante Erhöhung der deutschen Verteidigungsausgaben sei ausreichend, sagte sie - auch wenn die Zwei-Prozent-Marke nicht erreicht wird.
3. Flüchtlingspolitik
Auch wenn auf diesem Feld weniger direkte Verknüpfungen bestehen: Dass Angela Merkels vergleichsweise liberale Asylpolitik Trump ein Dorn im Auge ist, ist schon lange bekannt. "Ich finde, sie hat einen äußerst katastrophalen Fehler gemacht, und zwar all diese Illegalen ins Land zu lassen", sagte Trump im Januar der Bild-Zeitung.
Auch am Donnerstag war die Einwanderung offenbar indirekt Streitthema zwischen Trump und Merkel. Der US-Präsident forderte dass die "Nato der Zukunft" ihr Augenmerk verstärkt auf die Einwanderung richten müsse.
Merkel hingegen sagte fast zeitgleich einen Satz, der sich durchaus als massiver Seitenhieb auf Trump verstehen ließ. Die Nato habe mit anderen dazu beigetragen, dass Deutschland wiedervereint sei, betonte sie bei der Einweihung eines Denkmals mit einem Mauerstück am Donnerstag vor dem neuen Nato-Hauptquartier. Heute sei sich die Allianz einig, "dass nicht Abschottung und nicht Mauern erfolgreich sind, sondern offene Gesellschaften, die auf gemeinsamen Werten aufgebaut sind". Trump selbst will immer noch eine Mauer an der Grenze zu Mexiko errichten lassen.
4. Persönliche Antipathien
Allem Anschein nach sind für Donald Trump persönliche Kontakte in der Politik äußerst wichtig - man denke an seine Lobeshymnen über das Treffen mit dem chinesischen Staats- und Parteichef Xi Jinping. Oder Berichte über äußerst schwierige Unterhaltungen mit Malcolm Turnbull, dem Premier des traditionellen Bündnispartners Australien.
Merkel ist für Trump offensichtlich keine hochgeschätzte Gesprächspartnerin. Nach dem ersten Vier-Augen-Treffen im März verweigerte der US-Präsident der Kanzlerin einen Handschlag. Ebenfalls wenig erbaulich verlief für Trump die Pressekonferenz unter Beteiligung deutscher Journalisten. Sie stellen ihm harte Fragen zu seiner Handelspolitik und der Behauptung, Barack Obama habe ihn abhören lassen. Trump hingegen hielt das für „Fake News“.
fn/dpa/AFP