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Türkischer Außenminister erwartet „Religionskriege“, Erdogan einen „Kreuzzug“

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Recep Tayyip Erdogan
Recep Tayyip Erdogan © dpa

Antalya - Die Türkei lässt den Tonfall im Streit mit Europa weiter eskalieren. Von „Religionskriegen“ und „Kreuzzug“ ist die Rede. Auch Holland werde „bezahlen“, poltert Erdogan.

Nach den Parlamentswahlen in den Niederlanden setzt die Türkei auf eine heftige Kriegsrhetorik. Nicht nur der türkische Außenminister Mevlüt Cavusoglu, sondern auch Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan befeuerten am Donnerstag bei Wahlkampfauftritten unabhängig voneinander den schwelenden Konflikt mit Europa. Die beiden Politiker wiederholten nicht nur alte Vorwürfe - sondern sprachen in markigen Worten auch von nahenden oder schon begonnenen „Religionskriegen“. Erdogan drohte explizit der holländischen Regierung.

Cavusoglu warnte bei einer Rede vor einem „Glaubenskrieg“ in Europa. „Ihr führt Europa einem Abgrund entgegen“, sagte Cavusoglu nach Angaben der staatlichen Nachrichtenagentur Anadolu vom Donnerstag im südtürkischen Antalya. „Bald könnten in Europa auch Religionskriege beginnen, und sie werden beginnen“. 

Zu den Parlamentswahlen in den Niederlanden sagte er, „Zwischen den Sozialdemokraten und dem Faschisten Wilders besteht überhaupt kein Unterschied, alle denken gleich.“ Cavusoglu kündigte zudem weitere Schritte gegen die Niederlande an und sagte: „Wir können uns mit denen nicht befassen, als wären wir Schmarotzer. Der Türke ist nirgendwo ein Schmarotzer.“

Cavusoglu: „Die Türkei befiehlt!“

Europa werde schon lernen, wie man mit der Türkei umzugehen habe, sagte Cavusoglu weiter. Ansonsten werde die Türkei es Europa beibringen. „Ihr werdet von Eurem befehlenden Diskurs absehen. Die Türkei befiehlt“, sagte er. Die Türkei sei die „Umma“, die weltweite Gemeinschaft von „zwei Milliarden“ Muslimen. „Deshalb könnt Ihr mit der Türkei nicht im Befehlston sprechen. Ihr müsst anständig reden, Ihr könnt um etwas bitten.“

Erdogan spricht von einem „Kreuzzug“

Auch der türkische Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan legte am Donnerstag weitere Spitzen gegen die europäischen Staaten nach. Zum Anlass nahm er ein Urteil des Europäischen Gerichtshofs, das besagt, dass Arbeitergeber muslimische Kopftücher und andere religiöse und politische Symbole verbieten dürfen. Bedingung ist aber, dass es eine allgemeine Regel gibt, die sich nicht gegen bestimmte Gruppen richtet.

Erdogan warf Europa einen „Kreuzzug“ gegen den Islam vor. "Wo ist die Glaubensfreiheit? Wo ist die Religionsfreiheit?", fragte Erdogan am Donnerstag bei einer Wahlkampfrede in Sakarya. "Der Europäische Gerichtshof, meine verehrten Brüder, hat einen Kreuzzug gegen den Halbmond gestartet", sagte Erdogan in der im Fernsehen übertragenen Rede in der Stadt östlich von Istanbul.

Mit Blick auf die Niederlande sagte Erdogan: „Das ist der neue Nationalsozialismus.“ Er wiederholte zudem den Vorwurf der letzten Tage und lastete Den Haag erneut das Srebrenica-Massaker in Bosnien-Herzegowina an. Erdogan bekräftigte, die Niederlande würden für den Eklat um den Wahlkampfauftritt türkischer Minister „bezahlen“. An Ministerpräsident Mark Rutte gerichtet sagte er: „Hey Rutte, du magst die Wahl als erste Partei gewonnen haben, aber Du musst wissen, dass du einen Freund wie die Türkei verloren hast.“

Auch Aufkündigung des Flüchtlingsabkommens angedroht

Bereits zuvor hatte Cavusoglu der EU mit der Aufkündigung des Flüchtlingsabkommens gedroht. Das Abkommen werde neu bewertet, sagte der türkische Außenminister nach Angaben der staatlichen Nachrichtenagentur Anadolu in einem Interview mit dem Sender 24 TV. Wenn Bedingungen wie die Visa-Freiheit für türkische Staatsbürger in der EU nicht erfüllt würden, dann könne das Abkommen aufgekündigt werden.

Das am 18. März 2016 abgeschlossene Flüchtlingsabkommen zwischen der der Regierung in Ankara und der EU sieht vor, dass die Türkei illegal nach Europa eingereiste Migranten nach deren jeweiligen Asylverfahren von den griechischen Inseln in der Ostägäis wieder zurücknimmt. Für jeden zurückgeschickten Schutzsuchenden aus Syrien nimmt die EU einen syrischen Flüchtling legal auf.

Die Beziehungen zwischen der Türkei und der EU sind wegen der Absage von Wahlkampfauftritten türkischer Minister angespannt. Zum Eklat kam es vergangenes Wochenende, als die Niederlande eine Auftritt der türkischen Familienministerin Fatma Betül Sayan Kaya in Rotterdam verhinderte. Die türkische Oppositionspartei HDP empfahl der Bundesregierung unterdessen, im Streit mit Erdogan „cool“ zu bleiben. Der Konflikt lenke den Fokus von den wichtigen Fragen des bevorstehenden Verfassungsreferendums und spiele dem türkischen Ministerpräsidenten so in die Karten.

Eine Chronologie der Eskalation des Streits zwischen den Niederlanden und der Türkei können Sie hier lesen.

dpa/fn

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