Maybrit Illner: Flüchtlingsdeal-Erfinder erhebt schwere Vorwürfe - „Wir wissen seit Jahren, dass ...“

Im ZDF-Talk von Maybrit Illner machte Flüchtlingsdeal-Erfinder Gerald Knaus der EU schwere Vorwürfe. Und auch die anderen Gäste geraten beim Thema Flüchtlinge in Rage.
- Türkei-Talk im ZDF: Der aktuelle Flüchtingsandrang an der türkisch-griechischen Grenze war am Donnerstag Thema bei Maybrit Illner.
- CDU-Politiker Ziemiak sparte dabei nicht mit Kritik an Erdogan und den Vorschlägen der Grünen-Politikerin Baerbock.
- Flüchtlingsdeal-Erfinder Knaus macht unterdessen der EU schwere Vorwürfe.
Berlin - Tausende Flüchtlinge, die in die EU gelangen wollen, müssen derzeit unter katastrophalen humanitäre Bedingungen in Flüchtlingslagern auf griechischen Inseln* ausharren, immer wieder kommt es zu gewalttätigen Eskalationen an der türkisch-griechischen Grenze und der türkische Präsident Reccep Tayyip Erdogan legt nach seiner Ankündigung vom vergangenen Samstag, die Grenze zu Griechenland geöffnet* zu haben, noch nach: Nun überlegt er auch noch, die Grenze zwischen Syrien und der Türkei für notleidende Menschen in Idlib zu öffnen.
Maybrit Illner (ZDF) zur Türkei/Griechenland-Krise: Ist Erdogans Verhalten Erpressung oder Notwehr?
Bei Maybrit Illner ging es deshalb am Donnerstagabend um die Frage „Erdogan und die Flüchtlinge - Erpressung oder Notwehr?“ Der Wiener Migrationsforscher Gerald Knaus (49) war 2016 maßgeblich am Flüchtlingsabkommen mit der Türkei beteiligt* und erhebt nun schwere Vorwürfe gegen Deutschland und die EU. „Wir wissen seit Jahren, dass aus Idlib irgendwann viele nach Europa kommen wollen“, sagte er im ZDF. „Aber die EU wirkt ohnmächtig und ziemlich unwillig.“ CDU-Generalsekretär Paul Ziemiak (CDU) grätschte dazwischen. „Die Flüchtlinge an der Grenze sind keine Syrer, sondern vor allem Afghanen“, behauptete er.
Auch gegen Grünen-Co-Parteichefin Annalena Baerbock (39) teilt er aus. Ihre Forderung, Deutschland solle sofort 5000 Flüchtlinge aufnehmen, bezeichnet Ziemiak als „verantwortungslos“. Seine Befürchtung: Würden 5000 Geflüchtete in Deutschland aufgenommen, würden umgehend 50.000 Folgen. „Wir brauchen Humanität, aber wir brauchen auch Ordnung“, mahnt Ziemiak außerdem. Dazu gehören ihm zufolge auch sichere Außengrenzen. Vom Publikum bekommt er dafür Beifall. Noch lauter ist der Applaus allerdings, als Baerbock die menschenunwürdigen Zustände in den Lagern in Griechenland kritisiert und fordert, Deutschland müsse zu seinen Zusagen stehen, dass man immer wieder Kontingente abnehme.
Türkei-Griechenland bei Maybrit Illner (ZDF): Baerbock bekommt Unterstützung vom Flüchtlingsdeal-Erfinder
Unterstützung bekommt die Grünen-Politikerin von Migrationsexperte Knaus. „Wir sollten die Kinder sofort von den Inseln holen“, fordert dieser. Ziemiak interessierte sich im Gegensatz dazu mehr für den türkischen Staatschef. „Wir müssen Herrn Erdogan zeigen, dass wir nicht erpressbar sind*“, betonte er. „Herr Erdogan bestimmt nicht, wer in die EU kommt! Sondern die EU bestimmt das selbst!“ Da gab ihm ausnahmsweise sogar Baerbock in gewisser Weise recht. „Wir sind zum Spielball geworden, weil Erdogan weiß, wie er sofort Chaos stiften kann“, räumte sie ein.
Besonders emotional wird Illners Talkshow, als Islamwissenschaftlerin Lamya Kaddor zu Wort kommt. Sie gibt tausenden anonymen Flüchtlingen aus Syrien ein Gesicht, indem sie vom Schicksal ihres Vaters erzählt. Er hatte vor fünf Jahren in dem Bürgerkriegsland ein Bein verloren. Seine Kinder konnten ihn daraufhin nach Deutschland bringen, doch ihr Vater kehrte immer wieder nach Idlib zurück, um dort nach Verwandten zu suchen. „Vor drei Monaten kam eine Beileids-SMS“, erzählte sie. „Papa wurde ausgeraubt und ermordet.“ Drei Millionen Menschen seien in Syrien eingekesselt und es gebe keinen Ausweg mehr, sagte Kaddor und stellte damit das traurige Schicksal ihres Vaters wieder in einen größeren Kontext. Mit Blick auf die aktuellen Entwicklungen ist sie sich sicher: „Die EU erntet, was sie gesät hat.“
Flüchtlingsdebatte bei Maybrit Illner (ZDF): Ziemiak will, dass die EU zum Akteur wird
Zum Ende der Sendung hin, befassen sich die Gäste schließlich damit, wie die Probleme gelöst werden können. Ziemiak will, dass Europa nicht länger Zuschauer bleibt, sondern Akteur wird. Knaus rät zu einer internationalen Konferenz und Baerbock schlägt einen „humanitären Korridor“ für Idlib vor und rät gleichzeitig zu „Druck auf Erdogan, die Islamisten dort nicht weiter zu unterstützen“.
Wie sich die Lage an der griechisch-türkischen Grenze weiter entwickelt, lesen Sie in unserem aktuellen News-Ticker.
Auch interessant: Welche Folgen die Syrien-Krise und die dadurch ausgelösten Migrationsbewegungen für Deutschland haben, lesen Sie ebenfalls bei Merkur.de*.
Maybrit Illner diskutierte in ihrer ZDF-Talkshow über die neuen Lockerungen in der Corona-Krise. Nicht alle ihrer Gäste sind von den Maßnahmen überzeugt.
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Die ARD zeigte einen Kommentar zur Flüchtlingslage an den EU-Außengrenzen. Dafür erntete der Sender Lob von den Grünen und Kritik aus der AfD.