Erst Panzer, dann Kampfjets? Warum der Ukraine trotzdem die Zeit davonläuft
Putin will die Ukraine mit einer Offensive überrumpeln. Eine russische Panzer-Masse soll den überlegenen Leopard-2 ausschalten. Kommt die Nato-Hilfe zu spät?
Moskau/Kiew – Die schweren Waffen kommen, doch die Ukraine will mehr: Nach der Zusage für 150 Kampfpanzer der Nato pocht Kiew auch auf die Lieferung von Kampfjets und U-Booten. Denn die Zeit wird knapp. Offenbar zieht Russland derzeit massive Kräfte für eine Frühjahrsoffensive zusammen. Der Plan: Die Ukraine überrumpeln und die Panzerschlacht entscheiden, bevor Leopard-2 und Abrams einsatzbereit sind. Kann das gelingen? Fachleute sagen: Ja.
So warnte Militärexperte Wolfgang Richter von der Stiftung Wissenschaft und Politik trotz der Panzerlieferung davor, Russland im Ukraine-Krieg zu unterschätzen. Russland habe noch sehr große nationale Reserven, die offenbar bereits reaktiviert wurden, gab Richter im Gespräch mit dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND) zu bedenken. So seien bereits mit Panzern beladene Züge auf dem Weg in Richtung Kriegsgebiet. „Auch wenn es sich nicht um das neueste Material handelt, sind es große Mengen“, fügte der frühere Oberst hinzu.
Gegen Russlands Angriffskrieg: Nach den Kampfpanzern pocht die Ukraine auf Lieferung von Kampfjets
Zuletzt hatte Russland in seinem Angriffskrieg herbe Verluste und Rückschläge hinnehmen müssen. Doch der Winter hat die Kampfhandlungen an vielen Stellen verlangsamt. Erwartet wird, dass die Schlachten mit Beginn des Frühjahrs wieder intensiver werden. Nach zähen Verhandlungen hatte die Ukraine deswegen der Nato die Lieferung von 150 westlichen Kampfpanzern bis Ende März abgerungen. Die Panzer vom Typ Leopard-2 oder Abrams gelten dem russischen T14 Armata als überlegen. Dennoch will die ukrainische Regierung um Präsident Wolodymyr Selenskyj mehr. Lautstark wird auch die Lieferung von Kampfjets und U-Booten gefordert.

Leopard-2 gegen T-72: Russland setzt bei Offensive auf die schiere Masse
Doch Russland will sich nicht vorschnell geschlagen geben und laut Expertenmeinung der westlichen, technologischen Überlegenheit eine schiere Masse bei der Offensive entgegensetzen. Dies sei schon immer die militärische Doktrin Russlands im Panzerkrieg gewesen, sagte der frühere österreichische Bundesheer-Kommandant Markus Reisner dem RND. Die Überlegung sei, dass man vier russische T‑72 brauche, um einen westlichen Leopard zu zerstören. „Drei T‑72 werden zerstört, aber der vierte Panzer knackt den Leopard.“
Drei T‑72 werden zerstört, aber der vierte Panzer knackt den Leopard.
Und offenbar verfügt Russland trotz der hohen Verluste weiterhin über ausreichend Mengen. So beziffert Experte Richter das Potenzial russischer Panzer an der ukrainischen Front auf bis zu 4000 Stück. Damit der Vorteil nicht unnötig in sich zusammenschrumpft, könnte die russische Gegenoffensive bereits im Februar gestartet werden – also weit bevor der Leopard oder der Abrams die Front erreichen. Das meldete am Montag (30. Januar) auch Bloomberg unter Berufung auf Quellen aus dem Kreml.
Ukraine-Krieg: Ausbildung an Leopard-2 dauert zu lange
Die Ukraine hatte schon lange den Westen für die zögerliche Haltung bei der Panzerfrage gerügt. Jetzt sollen ukrainische Soldatinnen und Soldaten bis Ende März an den westlichen Kampfpanzern ausgebildet werden. Doch der Erfolg gilt als unsicher. Denn neben dem Zeitfaktor sehen Militärexperten einen weiteren Grund dafür, warum die Panzerlieferung aus dem Westen nicht überbewertet werden sollte.
Die Nato-Panzer sind vor allem dann überlegen, wenn sie im Verbund mit Schützenpanzern, schwerer Artillerie, Hubschraubern und Kampfflugzeugen in die Schlacht ziehen. Doch dazu fehlt der Ukraine das Material oder die Sachkenntnis, hieß es in einem Bericht des US-Magazins Politico. Das Training dafür sei nicht in wenigen Wochen zu stemmen.
Kampfjet-Lieferung: Kanzler Scholz versucht die Debatte abzuwürgen
Und so verwundert es nicht, dass die Selenskyj-Regierung auf weiteres Kriegsgerät dringt, nämlich die Kampfjets. Die Debatte gewinnt immer mehr an Fahrt. Zwar versuchte Kanzler Olaf Scholz (SPD), die Diskussion um die Kampfflugzeuge zumindest in Deutschland abzuwürgen. Doch ob er sich auf Dauer gegen die Lieferung wehren kann, bleibt abzuwarten. Auch in der Panzerfrage hatte er sich monatelang quergestellt – ehe er am Ende doch einlenken musste. (jkf)