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Ukraine-Konflikt: Harte Tech-Sanktionen treffen Russland – wird China einspringen?

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Von: China.Table

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Der stellvertretende Gouverneur der Industrial and Commercial Bank of China (ICBC), Hu Hao (2. L), und der stellvertretende Gouverneur der Zentralbank der Russischen Föderation, Dmitry Skobelkin (2. R) feiern die Aufnahme des Betriebs der ICBC als Verrechnungsbank für den chinesischen Renminbi (CNY) in Russland.
Zahlungsabwicklung in Yuan für Russland: China könnte als Retter vor westlichen SWIFT-Sanktionen einspringen (Archivbild) © Bai Xueqi/Imago/Xinhua

Die neuen Technologie-Sanktionen können die Wirtschaft Russlands empfindlich treffen. China könnte die Strafmaßnahmen mit eigenen Lieferungen auffangen. Doch wollen beide Seiten das?

Peking/Berlin – Der Druck auf Russlands Wirtschaft im Ukraine-Konflikt* wächst. Neben Finanz-Sanktionen sollen in Zukunft auch keine Hightech-Güter mehr nach Russland geliefert werden. US-Präsident Joe Biden* sprach schon am Tag der russischen Invasion in die Ukraine von Sanktionen, die dauerhaft Russlands Wirtschaft schwächen könnten*. „Einige der stärksten Auswirkungen unseres Handelns werden im Laufe der Zeit eintreten, wenn wir Russlands Zugang zu Finanzmitteln und Technologie für strategische Sektoren seiner Wirtschaft einschränken und seine industrielle Kapazität für die kommenden Jahre abbauen“, sagte Biden.

Seit vergangenem Wochenende ist es beschlossene Sache, dass nicht nur die USA, sondern auch Deutschland und eine Reihe weiterer Länder etliche russische Banken und Finanzinstitute aus dem internationalen Bankdatensystem SWIFT ausschließen*. Finanz-Experten weltweit sind sich einig, dass dies das härteste Sanktionsmittel gegen Russland ist. Rohstoffe aus Russland können nicht mehr bezahlt werden. Der Handel mit westlichen Ländern kommt zum Erliegen und wirft Russland um Jahrzehnte zurück.

Den ausländischen Unternehmen vor Ort drohen dadurch wohl Verluste in Milliardenhöhe, wenn sie ihre wirtschaftlichen Aktivitäten im Land einschränken oder gar ganz aufgeben müssen. Einzig China* will – als einer der wenigen Verbündeten Russlands – weiterhin den Handel mit Moskau aufrechterhalten.

Ukraine-Konflikt: China unklar positioniert im Umgang mit Russland - will es Moskau unterstützen?

Ohnehin hat sich China noch immer nicht klar gegen Putins Kriegsentscheidung positioniert*. Vielmehr klingen die Verlautbarungen aus dem Pekinger Außenministerium monoton und ohne Empathie für jegliche Werte: „China unterstützt den Einsatz von Sanktionen zur Lösung von Problemen nicht und ist gegen einseitige Sanktionen, die keine Grundlage in internationalem Recht haben“, zitierte das Außenministerium noch am Sonntag eine Erklärung des chinesischen Außenministers Wang Yi.

Der Sorge, dass Pekings Handel mit Russland die Sanktionen aus dem Westen auffangen könnte, hat die Pressesprecherin der US-Regierung bereits Wind aus den Segeln genommen. China werde die Auswirkungen der Sanktionen nicht decken können, sagte Jen Psaki. Ihr Argument: Der Anteil Chinas und Russlands an der Weltwirtschaft ist weit geringer ist als der Anteil der G7-Länder, zu denen die USA und Deutschland gehören. Laut Daten der Weltbank entfielen im Jahr 2020 17,3 Prozent der globalen Wirtschaftsleistung (BIP) auf China und 1,7 Prozent auf Russland. Die G7-Staaten kommen auf 45,8 Prozent. 

Bei den Wirtschaftssanktionen geht es vor allem um Halbleiter, Computer, Handys und andere Hightech-Güter, die Russland benötigt, um seine „Wirtschaft zu modernisieren“, wie EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen es formuliert. Demnach ist auch klar, dass Technologien, die im militärischen Bereich genutzt oder zu dessen Unterstützung eingesetzt werden könnten, künftig kaum mehr nach Russland exportiert werden dürfen.

China liefert 70 Prozent aller in Russland verwendeten Chips - doch die USA designen sie

Wie effektiv werden aber die Hightech-Sanktionen des Westens sein? Das Problem ist schnell benannt: Es ist China, das weltweit zu den führenden Herstellern von Elektronik, Maschinen und anderen Industriegütern gehört. Rund 70 Prozent der Chips, die Russland benötigt, kommen aus China. Im Gegenzug liefert Russland Energie und Lebensmittel nach China*

Doch die USA sind führend darin, Chips zu designen, sie halten immer noch die meisten Patente in dem Bereich. Wohingegen China nur einer von vielen Produktionsstandorten der Welt ist, an dem Chips hergestellt werden. Und, dass die in den USA designten Chips nicht aus China nach Russland geliefert werden, dafür sorgt die Foreign Product Direct Rule (FPDR) der US-Regierung. Denn durch die FPDR werden beschlossene Exportrestriktionen indirekt auch bei Produzenten wirksam: Wenn die Herstellung wesentlich von US-Produkten abhängt, etwa von Software, Bauteilen oder Chips, fallen die Endprodukte ebenfalls unter das Sanktionsregime und benötigen eine separate US-Ausfuhrgenehmigung.

Ukraine-Krise US-Sanktionen gegen Chinas Huawei als Blaupause für Russland-Sanktionen

„Die Maßnahmen der Trump-Regierung gegen Huawei könnten als Blaupause dienen. Dort kam die sogenannte Foreign Direct Product Rule (FDPR) zur Anwendung. Das Besondere an ihr ist ihre Reichweite: Sie betrifft auch im Ausland produzierte Technologien, die einen bestimmten Anteil an US-Technologien enthalten oder mithilfe amerikanischer Software oder Equipment hergestellt wurden“, sagt Sophie-Charlotte Fischer, Forscherin am Zentrum für Sicherheitsstudien der ETH Zürich und Spezialistin für Sanktionsregime für Hochtechnologien.

Dennoch sieht der Verband der US-Halbleiter SIA anhand der Technologiesanktionen im Allgemeinen keine schweren finanziellen Einbußen in der Halbleiterbranche. „Russland ist kein bedeutender Verbraucher von Halbleitern“, sagt John Neuffer, CEO von SIA. Gerade einmal 0,1 Prozent der weltweiten Chipkäufe entfallen laut Daten der SIA auf Russland. Auch das US-Forschungsunternehmen IDC rechnet vor, dass der russische Chipmarkt lediglich einen Handelswert von 50 Milliarden US-Dollar in einer globalen Industrie von 4,5 Billionen US-Dollar hat.

Sanktionen im Ukraine-Konflikt: Wie sehr möchte Russland von Chinas Technologie abhängig werden?

Paul Triolo, Leiter für Technologiepolitik bei der Beratungsfirma Albright Stonebridge Group, sagte Politico gegenüber, dass er zwar davon überzeugt ist, dass China den Bedarf Russlands an fortschrittlichen Chips nicht decken kann. Er sieht aber, dass chinesische Firmen sich in der jüngsten Vergangenheit so gut positioniert haben, dass sie konkurrenzfähige Cloud-Dienste und Unternehmenssoftware anbieten können, um die derzeit in den USA oder Europa verfügbaren Optionen zu ersetzen. 

Und auch diese Option stellt sowohl Peking als auch Moskau vor schwierigen Entscheidungen: Denn durch solch einen Schritt könnte China selbst zum Zielobjekt von Sanktionen aus Washington werden. Zudem ist die Volksrepublik selbst auf Chips aus dem Ausland angewiesen, da das Land noch nicht in der Lage ist, diese eigenständig zu entwickeln.

Gleichzeitig haben die russische Regierung und ihr Sicherheitsapparat erhebliche Bedenken, Netzwerktechnologien aus China zu nutzen und sich damit abhängig zu machen. „Die Frage ist, wie sehr Russland sich von kritischen chinesischen Technologien abhängig machen möchte“, sagt Sophie-Charlotte Fischer.

Von Ning Wang

Die Journalistin Ning Wang arbeitet seit 2020 als Redakteurin für die Table.Media Professional Briefings und schreibt über Themen zu Wirtschaft, Politik, Kultur und Gesellschaft. Davor berichtete sie aus Peking als China-Korrespondentin für den Tagesspiegel, schrieb für die Neue Züricher Zeitung am Sonntag und Zeit Online.

Dieser Artikel erschien am 14. Februar 2022 im Newsletter China.Table Professional Briefing – im Zuge einer Kooperation steht er nun auch den Lesern der IPPEN.MEDIA-Portale zur Verfügung. *Merkur.de ist ein Angebot von IPPEN.MEDIA.

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