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„Putin hat den Genozid begonnen“: Bürgermeister prangert Kriegsverbrechen im Ukraine-Krieg an

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Von: Jens Kiffmeier

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Gefallen oder nicht? Russland vermeldet im Ukraine-Krieg die Einnahme von Soledar. Damit wächst die Angst vor Kriegsverbrechen durch Putins Truppen. Zu Recht?

Kiew/Moskau – Ob Butscha, Irpin oder Lyman – diese Städte sind im Ukraine-Krieg bereits zum Ort des Schreckens geworden. Massenerschießungen und Vergewaltigungen sollen dort unter russischen Besatzern offenbar an der Tagesordnung gewesen sein. Die Vereinten Nationen (UN) haben zahlreiche Kriegsverbrechen dokumentiert. Steckt hinter den Gräueltaten ein System? Die ukrainische Regierung wirft dies Russland jedenfalls vor. Deshalb richten sich jetzt bange Blicke nach Soledar, das möglicherweise nach heftigen Kämpfen unter russische Besatzung gefallen sein könnte.

Ukraine-Krieg: Söldner vermelden Einnahme von Soledar – Angst vor Kriegsverbrechen steigt

Angesichts der aktuellen Entwicklungen im Ukraine-Krieg rund um Soledar hat der Bürgermeister von Melitopol vor weiteren Kriegsverbrechen gewarnt. „Putin hat den Genozid in der Ukraine begonnen. Er will die gesamte ukrainische Nation ermorden“, warnte Iwan Federow kürzlich laut dem Nachrichtenportal t-online. Es gehe dem Kreml nicht darum, wie häufig behauptet, die ukrainischen Städte zu retten oder zu besetzen. Russlands Präsident Wladimir Putin wolle die Städte, die seine Truppen besetzt hätten, in Wahrheit auslöschen, so der Politiker. Viele Städte seien deswegen vollständig abgeschottet und die Bevölkerung von der Versorgung mit Essen und Medikamenten getrennt.

Lässt er seine Truppen im Ukraine-Krieg gezielt Kriegsverbrechen begehen? Russlands Präsident Wladimir Putin.
Lässt er seine Truppen im Ukraine-Krieg gezielt Kriegsverbrechen begehen? Russlands Präsident Wladimir Putin. © Mikhail Klimentyev/dpa

Der ukrainische Politiker befindet sich dem Bericht zufolge derzeit mit einer Delegation in Deutschland, um auf die Schrecken des Ukraine-Krieges aufmerksam zu machen und Hilfen für das Land anzumahnen. Seine Heimatstadt Melitopol liegt im Süden des Landes zwischen Odessa und Mariupol und wurde von russischen Soldaten bereits besetzt. Federow selber geriet zunächst in russische Gefangenenschaft. Bei einem Austausch zwischen Russland und der Ukraine kam er aber wieder frei.

Soledar gefallen? Einnahme der Stadt im Ukraine-Krieg aktuell umstritten

Derzeit konzentrieren sich die Kämpfe in der Ostukraine. Vor allem die Stadt Bachmut steht seit Wochen unter Beschuss, ebenso das nur knapp 15 Kilometer entfernte Soledar. Am Dienstagabend hatten die Söldner von der Wagner-Gruppe in der Stadt bereits einen Sieg verkündet. Nachdem die ukrainische Regierung lange zu der Entwicklung geschwiegen hatte, bezeichnete der Generalstab die Meldung, dass Soledar gefallen sei, als Fehleinschätzung. Der Kreml äußerte sich ebenfalls nicht ganz eindeutig. Die Einnahme der ostukrainischen Stadt könnte sich aber durchaus für Russland als wichtig erweisen, um die erfolgreichen Gegenangriffe der Ukraine aus den vergangenen Wochen zurückzuschlagen, wie es in einigen Einschätzungen von Militärexperten hieß.

Doch was blüht der Stadt dann? Und vor allem der Bevölkerung? In den von Russland kontrollierten Gebieten kommt es offenbar immer wieder zu Grausamkeiten und Kriegsverbrechen. Das zeigt auch ein abgehörtes Telefonat, dass der ukrainische Geheimdienst am Mittwoch veröffentlichte. Unabhängig überprüfen lässt sich die Echtheit der Aufnahme nicht. Immer wieder beschuldigen sich beide Seiten gegenseitig der Kriegsverbrechen. Doch das veröffentlichte Material lässt aufhorchen – und schockiert.

Abgehörtes Telefonat: Russlands Soldaten prahlen im Ukraine-Krieg mit Kriegsverbrechen

In dem angeblich abgefangenen Telefonat berichtet ein Soldat seinem Kameraden unverblümt von Kriegsverbrechen. Die Vorfälle sollen sich in der Stadt Lyman im Norden von Donezk ereignet haben. Dort mussten die russischen Truppen vor wenigen Wochen wegen der ukrainischen Gegenoffensive fluchtartig den Rückzug antreten. Doch offenbar hatten die Soldaten noch genug Zeit für Ermordungen und Vergewaltigungen.

„Als wir Lyman plötzlich verlassen mussten, haben wir alle getötet. (...) Vergewaltigt. Getötet. Erschossen“, heißt es in der bei Twitter verbreiteten Aufnahme. Und weiter: „Wir sind einfach rumgelaufen und haben geschossen. Die jungen Männer haben wir alle mitgenommen. Aber die jungen Frauen haben wir vergewaltigt, getötet, erschossen.“

Ukraine-Krieg: UN dokumentiert seit Beginn des Angriffskriegs die Kriegsverbrechen in der Ukraine

Es ist nicht das erste Mal, dass russische Soldaten von Kriegsverbrechen berichten. Nach dem Abzug der russischen Truppen aus Lyman fanden ukrainische Behörden nach eigenen Angaben rund 200 Einzelgräber und ein Massengrab. Bei den Toten handelte es sich demnach um Zivilisten, im Massengrab wurden auch ukrainische Soldaten gefunden. Auch Kleinkinder und ganze Familien waren unter den Getöteten.

Was ist ein Kriegsverbrechen?

Als Kriegsverbrechen werden im Allgemeinen schwere Verstöße gegen die Regelungen des humanitären Völkerrechts angesehen. Dazu zählen nach den Genfer Konventionen der Vereinten Nationen: Tötung, Geiselnahme, Folter oder Vergewaltigung von Zivilbevölkerung und Kriegsgefangenen.

Die Vereinten Nationen sammeln für mögliche Kriegsverbrechen trotz der Kämpfe im Ukraine-Krieg Beweise. Nach den Vorfällen dokumentierten die Ermittler allein rund um Mariupol bis zu 15.000 Beschwerden. Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj kündigte bereits ein Buch der Folterer an. Immer wieder wird auch im Westen der Ruf laut, dass Putin sich vor dem Kriegsverbrechertribunal in Den Haag verantworten soll. Doch die Chancen auf Umsetzung sind mehr als unwahrscheinlich. (jkf)

 

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