Atom-Gefahr für Deutschland: Geheimdienste erörtern Kanzler Scholz mögliche Szenarien

Eine Atomkatastrophe in der Ukraine würde ganz Europa schwer treffen. Das Kanzleramt wurde wohl vor radioaktiven Wolken über Deutschland gewarnt.
München - Im Ukraine-Krieg liefern sich das ukrainische Militär und die Truppen des russischen Machthabers Wladimir Putin schwere Kämpfe auch im Oblast Saporischschja. Ausgerechnet dort befindet sich das größte Atomkraftwerk Europas. Die gesamte Welt bangt um das Schicksal des Kraftwerks. Gleichzeitig verstärkt der Kreml atomare Drohungen. Eine nukleare Katastrophe in der Ukraine würde besonders Europa schwer treffen.
Genau um dieses Szenario geht es offenbar jeden Dienstag bei Treffen im Kanzleramt, wie ein Bericht von t-online schildert. Demnach legen die Chefs der deutschen Nachrichtendienste Kanzleramtschef Wolfgang Schmidt Karten vor, die den Fall von Atomwolken über Deutschland darstellen sollen.
Ukraine-Krieg: Geheimdienste legen Kanzleramt Karten vor - „binnen 48 Stunden Nuklearwolken“
Bei der Einschätzung der nuklearen Gefahr durch das Expertengremium hängt dabei vieles vom Wetter ab. Besonders der nach Westen wehende Wind in Kombination mit einer atomaren Katastrophe würde den gesamten Nordosten Deutschlands bis nach Schottland in eine bedrohliche Lage stürzen, berichtete t-online unter Berufung auf entsprechende Dokumente.
In den Unterlagen des Bundesamts für Strahlenschutz wird laut t-online sogar ein konkreter Zeitrahmen genannt: Binnen 48 Stunden würden im Falle eines atomaren Vorfalls in der Ukraine radioaktive Wolken über ganz Osteuropa bis nach Berlin hinwegziehen. In 60 Tagen am Jahr ist diese Gefahr aufgrund der Wetterlage besonders hoch einzuschätzen. Viermal täglich berechnet das Bundesamt die Ausbreitung möglicher atomarer Wolken nach der genauen Bewertung jeder Kampfhandlung und jedes technischen Fehlers.
Ukraine-Krieg: Atomare Wolken? - „Gefährdungsanalyse“ durch Bundesamt für Strahlenschutz
In einem Treffen am 6. September im Kanzleramt ging es dabei laut internen Dokumenten des Bundesamts nicht nur um die potenzielle Ausbreitung von Atomwolken, sondern auch um die Auswirkungen, so t-online. Bei der Besprechung mit den Chefs der Nachrichtendienste drehten sich die Einschätzungen um das Notfallsystem Deutschlands, das nach der Tschernobyl-Katastrophe 1986 eingeführt wurde.
Das Stichwort an dieser Stelle lautet: „Gefährdungsanalyse“. Immerhin würden strahlende Partikel infolge von radioaktiven Wolken fast alles von Regen über die Lebensmittelproduktion bis hin zu Babynahrung und Milch- sowie Landwirtschaftsprodukten beeinträchtigen. Dem Bericht zufolge arbeitet das Bundesamt für Strahlenschutz täglich daran, mögliche Risiken im Rahmen dieser Analyse ausfindig zu machen.
Ukraine-Krieg: Kühlsysteme der Reaktoren lebenswichtig für Sicherheit von Saporischschja
Ob es tatsächlich zu der gefürchteten Katastrophe in Saporischschja kommen wird, hängt laut den Akten des Bundesamts von der Stromzufuhr des Atomkraftwerks ab. Einige der Stromleitungen, die die Kühlsysteme der Reaktoren versorgen, wurden den Dokumenten des Bundesamts für Strahlenschutz zufolge bei den Zusammenstößen Anfang September bereits beschädigt.
„Durch Kampfhandlungen wurde am 2.9.22 die Verbindung der letzten der ursprünglich vier externen Hauptstromleitungen unterbrochen“, zitierte t-online aus dem Bericht des Bundesamts. Ebenfalls seien drei Reserveleitungen „zwischenzeitlich immer wieder unterbrochen“ gewesen. Die Sicherheit des größten Atomkraftwerks in Europa steht somit weiterhin auf Messers Schneide. (bb)