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Ukraine-Krieg: China bringt seine Bürger nun doch aus dem Land – warum erst jetzt?

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Von: Christiane Kühl

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Menschen in gelben Schutzwesten auf einem Bahnhof an der Grenze zwischen der Ukraine und Polen
Zug mit Flüchtenden an der Grenze der Ukraine zu Polen – auch China bringt nun seine Bürger aus dem Land. © Jakub Kaminski/IMAGO/Eastnews

Auch China bringt nun seine Bürger aus der Ukraine in Sicherheit. Lange hatte Peking gezögert – offiziell gibt es nicht einmal eine „Invasion“. Doch nun wurde die Lage doch zu gefährlich.

Peking/Kiew/München – Nun also doch: China hat begonnen, seine Bürger aus der Ukraine zu evakuieren. Rund 600 chinesische Studenten seien am Montag aus Kiew und aus der südlichen Hafenstadt Odessa gebracht worden, berichtete die staatliche Zeitung Global Times unter Berufung auf die chinesische Botschaft in der ukrainischen Hauptstadt. Dem Bericht zufolge reisten sie mit einem Bus in die benachbarte Republik Moldau. Die sechsstündige Reise sei „sicher und reibungslos“ verlaufen, zitierte das Blatt einen der Evakuierten aus Kiew. Aus Odessa brauchten die Busse nach Angaben des chinesischen Konsulats in der Hafenstadt etwa eineinhalb Stunden und wurden von der Militärpolizei eskortiert. Die Studenten sollten von Moldau weiter nach Rumänien reisen und dort ein Charterflugzeug nach China besteigen.

Weitere 1000 chinesische Staatsangehörige sind nach Angaben der Hongkonger Zeitung South China Morning Post am Dienstag in Richtung Polen und Slowakei aufgebrochen. Nach Angaben Chinas hielten sich zu Beginn des Krieges noch rund 6000 chinesische Staatsbürger in der Ukraine auf, um dort zu arbeiten oder zu studieren. Zunächst hatte China im Ukraine-Konflikt auf eine staatlich organisierte Evakuierung verzichtet.

Ukraine-Krieg: China durch Partnerschaft mit Russland im Dilemma

Peking steht angesichts seiner Partnerschaft mit Russland vor einem Dilemma, das es seit Tagen in einem abenteuerlichen Spagat zu überbrücken versucht: Regierungsvertreter unterstützen die Sicherheitsbedürfnisse Russlands, kritisieren die USA und beharren zugleich auf einer Unantastbarkeit der Grenzen jedes Landes. Bei der anti-russischen Resolution im UN-Sicherheitsrat enthielt China sich – und legte nicht gemeinsam mit Russland ein Veto ein.

Außenamtssprecherin Hua Chunying aber bezweifelte vergangene Woche öffentlich, dass es sich beim Angriff Russlands um eine „Invasion“ handelte. Am Montag ließ Huas Kollege Wang Wenbin allerdings mit der Bemerkung aufhorchen, China und Russland seien „keine Verbündeten.“

Ukraine-Konflikt: Chinas Gratwanderung mit Folgen für seine Bürger im Kriegsgebiet

Doch warum holt China erst jetzt seine Bürger aus der Ukraine? Nach dem russischen Angriff hatte die chinesische Botschaft in Kiew Ausreisewillige zunächst aufgefordert, eine chinesische Flagge an ihren Fahrzeugen zu befestigen. Angaben zu dem plötzlichen Kurswechsel machen offizielle Stellen nicht. Für das anfängliche Zögern kommen mehrere Gründe infrage. Möglicherweise wollte die chinesische Botschaft Russland nicht durch eine eilige Evakuierungsaktion verärgern. Oder China erwartete keinen Angriff auf die gesamte Ukraine. Aus der Tatsache, dass China seine Bürger in der Ukraine beließ, schließen Beobachter inzwischen sogar umgekehrt darauf, dass die Volksrepublik ebenso wie die meisten anderen Staaten nicht mit einem Angriff auf das ganze Land gerechnet haben.

Auch möglich wäre, dass China von einer so schnellen Übernahme der Ukraine durch Russland ausging, dass es gar nicht erst zu blutigen Gefechten kommen würde. Russland hatte zudem China nach Angaben des Außenministeriums in Peking zugesagt, keine Luftangriffe oder sonstige Attacken auf die Zivilbevölkerung zu starten. Das hat sich inzwischen als Lüge herausgestellt, die Moskau offenbar auch den Partnern in Peking aufgetischt hat.

Chinesen in der Ukraine: Sicherheitsbedenken nach mehreren Tagen Krieg zu groß

Doch nun traten ganz offensichtlich doch Sicherheitsbedenken in den Vordergrund. So wurden nach einem Bericht des Staatssenders CCTV drei Chinesen von Schüssen getroffen, die auf eigene Faust unterwegs nach Lwiw im Westen der Ukraine gewesen waren. Sie seien in ein Krankenhaus gebracht worden, hieß es. Nach Angaben der South China Morning Post wurde die Botschaft in Kiew in den letzten Tagen von immer mehr Menschen bedrängt, eine sichere Ausreise zu organisieren. Niemand möchte gern zum Spielball der Geopolitik werden.

Ein weiteres Problem ist offenbar eine zunehmend anti-chinesische Stimmung in der Ukraine. Die Staatsmedien der Volksrepublik berichten bisher eher wenig über den Krieg – und wenn doch, dann pro-russisch und mit heftiger Kritik an den USA und der Nato. Diese Propaganda für Russlands Präsidenten Wladimir Putin und der diplomatische Eiertanz Chinas in dem Konflikt hatten somit direkte Folgen für das Los der eigenen Staatsbürger in der Ukraine.

Denn die Ukrainer haben demnach sehr wohl mitbekommen, wie sich China in dem Konflikt positionierte. Auch Putin-verherrlichende Kommentare und Spott über die Schwäche der Ukraine in den Sozialmedien der Volksrepublik kamen in der Ukraine nicht gut an. Also änderte die Botschaft ihren Kurs: Sie riet zum Entfernen chinesischer Flaggen – und organisierte die Ausreise der Chinesen. (ck/AFP)

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