„Historischer Fehler“ - Schwere Vorwürfe gegen Deutschland im Ukraine-Umgang

Der Ukraine-Konflikt dreht sich auch um eine mögliche Nato-Mitgliedschaft von Kiew. Ein Ex-Nato-Chef kritisierte nun die Zurückhaltung und schoss dabei gegen Deutschland.
München - Im Ukraine-Konflikt dauern die heftigen Zusammenstöße zwischen Russland und der Ukraine in vielen Regionen an. Die Auseinandersetzungen beschränken sich schon längst nicht mehr nur auf die Ostukraine. Diese Karte veranschaulicht, wo der Ukraine-Krieg wütet. Russische Truppen versuchen mit Luftschlägen, Artillerie, Raketen und letztlich Infanterie weiter vorzustoßen und immer mehr ukrainisches Territorium einzunehmen. Diese Karte zeigt die bereits eroberten Gebiete im Ukraine-Krieg.
Während sich die Kämpfe intensivieren, unterstützten westliche Verbündete wie etwa Nato-Staaten die Ukraine mit humanitärer Hilfe, aber auch Waffenlieferungen. Die Ukraine ist zwar ein wichtiger Partner, jedoch kein Mitglied des Bündnisses, weshalb die Möglichkeiten zur Unterstützung der Ukraine im Gegensatz zu Mitgliedsstaaten deutlich begrenzter sind. Der ehemalige Nato-Generalsekretär Anders Fogh Rasmussen nahm nun die jahrelange Zurückhaltung der Mitgliedsstaaten in Bezug auf eine Mitgliedschaft der Ukraine ins Visier und kritisierte dabei besonders auch Deutschland.
Ukraine-Krieg: Ex-Nato-Chef kritisiert Mitgliedsländer - „hätten Putin viel früher entgegentreten müssen“
Im Hintergrund der Ukraine-Krise bezeichnete der Ex-Nato-Generalsekretär Rasmussen die maßgeblich auch von Deutschland mitbeeinflusste Zurückhaltung hinsichtlich einer Nato-Aufnahme der Ukraine als „historischen Fehler“. Das westliche Bündnis habe viele Fehler gemacht, sagte Rasmussen der Augsburger Allgemeinen in Brüssel. „Zu ihnen gehört, dass wir uns auf dem Nato-Gipfel 2008 nicht dazu entscheiden konnten, der Ukraine und Georgien einen Aktionsplan für die Mitgliedschaft anzubieten“, sagte Rasmussen.
Damals hatte Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) maßgeblichen Anteil daran. Ex-US-Präsident George Bush forderte einen Mitgliedschaftsplan für die Ukraine und Georgien auf dem Gipfel. Bundeskanzlerin Merkel widersprach dem jedoch und lehnte das Vorhaben ab. Ein solcher Schritt würde die Spannungen mit Russland erhöhen, begründete sie ihr Vorgehen.
Mit Blick auf Russlands Präsident Wladimir Putin führte Rasmussen aus: „Er folgerte daraus, dass die Nato-Verbündeten schwach und uneinig sind. Dann griff er Georgien an, um eine klare Botschaft zu senden, dass wir uns nicht in seiner Nachbarschaft einzumischen haben.“ Ähnlich „schwach und zu langsam“ habe der Westen bei Putins Besetzung der Krim 2014 gehandelt. „Rückblickend hätten wir Putin viel früher entgegentreten müssen“, betonte der Ex-Nato-Chef.
Ukraine-Krieg: Auch Deutschland im Visier von Rasmussen - „großer Kritiker des deutschen Zögerns“
Rasmussen äußerte sich auch zu den deutschen Waffenlieferungen an die Ukraine. Lange erteilte Berlin direkten Waffenlieferungen eine Absage und erntete somit starke Kritik. Deutschlands Glaubwürdigkeit als Nato-Verbündeter und sogar Berlins Rolle im Bündnis wurde infrage gestellt. Vor kurzem kam schließlich die Wende und die Bundesregierung entschloss sich doch noch dazu, die Ukraine mit Panzerabwehrraketen sowie Boden-Luft-Raketen gegen die russische Invasion zu versorgen.
Ex-Nato-Chef Rasmussen führte an, er sei ein großer Kritiker des deutschen Zögerns gewesen, umso mehr schätze er die jetzt getroffenen Entscheidungen zu Waffenlieferungen. „Sie markieren einen Wendepunkt, nicht nur in der neueren deutschen Geschichte, sondern auch für Europa“, sagte Rasmussen. „Endlich hat sich Deutschland aus dem Schatten des Zweiten Weltkriegs gelöst“, bemerkte er.
Eine Politik der Beschwichtigung mit Diktatoren führe niemals zu Frieden, sondern nur zu Konflikt oder sogar zu Krieg. Putin handele „wie ein Wahnsinniger“ und erreiche derzeit das Gegenteil seiner Ziele: nämlich nun eine geschlossenere EU, eine stärkere Nato und mehr Nato-Truppen an der russischen Grenze. Russland sei jetzt „international ausgestoßen, angeführt von einem politischen Gangster“, hob Rasmussen hervor. (bb mit Material von dpa)