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Biden warnt vor „Armageddon“: Wie würde die US-Reaktion auf einen Atomschlag aussehen? Drei Szenarien

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Von: Patrick Mayer

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Russlands Präsident Wladimir Putin und sein „Bluthund“ Ramsan Kadyrow drohen im Ukraine-Krieg mit Atomwaffen. Die USA sind zur Antwort bereit - in drei möglichen Schritten.

München/Moskau/Washington - Es läuft nicht für Wladimir Putin, in Russland regt sich erster Widerstand. Denn: Die Invasionstruppen Moskaus kommen im Ukraine-Krieg nicht annähernd so voran, wie der Kreml-Chef sich das noch Anfang des Jahres vorgestellt hatte. Im Gegenteil, die ukrainischen Verteidiger fahren eine erfolgreiche Gegenoffensive auf breiter Front zwischen der Millionenstadt Charkiw (rund 1,4 Millionen Einwohner), dem Donbass im äußersten Osten und der Region Cherson im Süden am Zugang zum Schwarzen Meer.

Putin drohte in einer veröffentlichten Ansprache zur Teilmobilmachung russischer Armee-Reservisten Ende September mit Atomwaffen. „Wenn die territoriale Integrität unseres Landes bedroht ist, zum Schutz Russlands und unseres Volkes, benutzen wir unbedingt alle uns zur Verfügung stehenden Mittel“, erklärte der 70-Jährige. Das sei „kein Bluff“, bekräftigte er.

Vorerst letztes Aufeinandertreffen: der russische Machthaber Wladimir Putin (li.) und US-Präsident Joe Biden am 16. Juni 2021 bei einem bilateralen Gipfeltreffen in Genf.
Vorerst letztes Aufeinandertreffen: der russische Machthaber Wladimir Putin (li.) und US-Präsident Joe Biden am 16. Juni 2021 bei einem bilateralen Gipfeltreffen im Schweizer Genf. © IMAGO / ITAR-TASS

Die Antwort der USA ließ nicht lange auf sich warten. Außenminister Antony Blinken bat darum, dass jedes Mitglied des UN-Sicherheitsrates die klare Botschaft an Wladimir Putin senden müsse, dass „diese unverantwortlichen nuklearen Drohungen umgehend aufhören müssen“.

Wladimir Putin droht mit Atomwaffen: Joe Biden und USA antworten entschieden

Ich denke nicht, dass es möglich ist, taktische Atomwaffen einzusetzen, ohne dass es am Ende ein Armageddon, eine Katastrophe gibt.

US-Präsident Joe Biden

Taten sie aber nicht. Stattdessen forderte Tschetschenenführer Ramsan Kadyrow - auch Putins „Bluthund“ genannt,- die russische Armee zum Einsatz von „Atomwaffen mit geringer Sprengkraft“ in der Ukraine auf. Das will Washington nicht unkommentiert auf sich sitzen lassen. In der Nacht zum Freitag (7. Oktober) verglich US-Präsident Joe Biden die Situation mit der Kuba-Krise 1962 und sprach von einem drohenden „Armaggedon“. Seine Botschaft an Moskau: „Ich denke nicht, dass es möglich ist, taktische Atomwaffen einzusetzen, ohne dass es am Ende ein Armageddon, eine Katastrophe gibt“, sagte Biden in einer Rede vor Spendern.

Aber was würden die USA tun, würde Putin entlegene Gebiete oder eine Stadt der Ukraine mit einer „kleineren“ Atombombe attackieren lassen, oder eine solche zum Beispiel über dem Schwarzen Meer zünden lassen? Experten-Einschätzungen zufolge gäbe es Eskalationsstufen in drei Schritten. Einen atomaren Gegenschlag sieht Washington demnach nicht vor.

Atomschlag-Szenarien: Möglicher Schritt 1 – Isolation Russlands, auch durch China und Indien

Zunächst könne einem taktischen Atomschlag ein „totales Gas- und Öl-Embargo folgen“, zitiert die Bild einen nicht namentlich genannten hochrangigen Diplomaten eines Nato-Landes.

Zudem habe Anton Geraschtschenko, Berater des ukrainischen Innenministers, gefordert: „Wenn Putin Atomwaffen gegen die Ukraine einsetzt, muss die gesamte zivilisierte Welt jeglichen Handel mit Russland einstellen und auch China und Indien dazu zwingen, ein Handelsembargo gegen Russland zu verhängen und zu unterstützen.“

Der frühere CIA-Offizier Matthew Kroenig glaubt nicht, dass es direkt zu einem militärischen oder gar nuklearen Gegenschlag käme. Im beschriebenen Szenario, meinte er im Interview mit dem Magazin Newsweek, „vermeidet Biden einen Krieg mit Russland“. Selbst falls es in seinem Umfeld Stimmen geben würde, die nach einer härteren Antwort verlangen. „Ich denke, einige in der Regierung würden sagen: ‚Nun, machen wir einfach eine härtere Version dessen, was wir bereits tun. Mehr Sanktionen. Mehr Waffen für die Ukraine‘.“ Das mutmaßliche Argument laut Kroenig: Das wäre „eine härtere Antwort wäre als das, was wir jetzt tun“.

25. Oktober 1962, UN-Sicherheitsrat in New-York: Der US-amerikanische UN-Botschafter Adlai Stevenson erklärt der Versammlung sowjetische Raketenstellungen auf Kuba mittels Luftaufnahmen.
25. Oktober 1962, UN-Sicherheitsrat in New-York: Der US-amerikanische UN-Botschafter Adlai Stevenson erklärt der Versammlung sowjetische Raketenstellungen auf Kuba mittels Luftaufnahmen. © IMAGO / Everett Collection

Kubakrise 1962

Während der sogenannten Kubakrise vom 14. bis 28. Oktober 1962 kamen die beiden Supermächte USA und Sowjetunion einer direkten militärischen Konfrontation und einem möglichen Atomkrieg am nächsten. Moskau ließ damals sowjetische Mittelstreckenraketen auf Kuba stationieren, unweit der Südostküste der Vereinigten Staaten. Zuvor hatten die Amerikaner ihrerseits westlich und südlich der UdSSR Raketenbasen aufgebaut. Erst am 22. Oktober informierte der damalige US-Präsident John F. Kennedy die Öffentlichkeit über die Bedrohung.

Zwischenzeitlich hatten die USA rund 200 Kriegsschiffe um Kuba versammelt und Soldaten für eine mögliche Invasion nach Florida verlegt. Am 24. Oktober begannen die Amerikaner mit einer Seeblockade Kubas für sowjetische Schiffe, am 28. Oktober lenkte der Erste Sekretär der KPdSU, Nikita Chruschtschow, ein und ließ die Raketen auf Kuba entfernen. Die USA demontierten ihrerseits Mittelstreckenraketen in der Türkei.

2. Schritt: Cyber-Attacken der USA auf Russland

Laut Frankfurter Allgemeiner Zeitung (F.A.Z.) gab es aus dem Pentagon Hinweise, Washington könne mit einem Cyber-Angriff auf russische Einrichtungen reagieren. Über nach wie vor offene Kanäle nach Moskau habe die US-Regierung den Kreml dies bereits wissen lassen.

„Die USA könnten auch mit massiven Cyberangriffen reagieren, die verheerende Folgen für Putin und Russland haben würden“, erklärte der frühere Chef des Leitungsstabs des Bundesverteidigungsministeriums, Nico Lange, der Bild. Cyber-Angriffe könnten demnach nach das Internet und/oder das Stromnetz in Russland betreffen.

Im Video: Kompakt - Die wichtigsten News zum Russland-Ukraine-Krieg

3. Schritt: Konventioneller Militärschlag gegen russische Truppen in der Ukraine und im Schwarzen Meer

Im drastischsten Szenario könnte laut F.A.Z. ein konventioneller Militärschlag auf russische Stellungen in der Ukraine, auf der Krim sowie auf die Schwarzmeerflotte folgen. Das schreiben Majid Sattar, politischer Korrespondent für Nordamerika mit Sitz in Washington, und Friedrich Schmidt, Korrespondent für Russland mit Sitz in Moskau, in einer gemeinsamen Analyse.

Konventioneller Militärschlag hieße, dass die russische Invasionsarmee in der Ukraine mit Kampfjets und gegebenenfalls durch Bodentruppen angegriffen werden würden – aber ohne Verwendung von nuklearer Munition. An diese letzte militärische Konsequenz auf einen Nuklearangriff Russlands gegen die Ukraine glaubt auch der ehemalige CIA-Direktor und pensionierte Vier-Sterne-General David Petraeus.

Wir würden jede russische konventionelle Streitkraft ausschalten, die wir auf dem Schlachtfeld in der Ukraine und auch auf der Krim sehen und identifizieren können.

David Petraeus, ehemaliger CIA-Direktor beim TV-Sender ABC

Dem US-Fernsehsender ABC erklärte der 69-Jährige, dass die USA könnten „eine Nato – eine kollektive – Anstrengung anführen, die jede russische konventionelle Streitkraft ausschalten würde, die wir auf dem Schlachtfeld in der Ukraine und auch auf der Krim sehen und identifizieren können, sowie jedes Schiff im Schwarzen Meer“. Petraeus spricht dabei von den „USA und ihren Verbündeten“. Denn: Seiner Meinung nach könnte unkontrollierbare atomare Strahlung Artikel 5 und damit den Bündnisfall des transatlantischen Verteidigungsbündnisses Nato auslösen. (pm)

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