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Sehnsuchtsort zweier Nationen – Warum die Krim nun ins Zentrum des Ukraine-Krieges rückt

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Von: Marcus Mäckler

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Am Strand von Saky steigt Rauch nach einer Explosion auf. Auf der von Russland annektierten ukrainischen Halbinsel Krim im Schwarzen Meer ist Munition auf einem russischen Luftwaffenstützpunkt explodiert.
Am Strand von Saky steigt Rauch nach einer Explosion auf. Auf der von Russland annektierten ukrainischen Halbinsel Krim im Schwarzen Meer ist Munition auf einem russischen Luftwaffenstützpunkt explodiert. © dpa

Kann die Ukraine die Krim zurückholen? Die Angriffe auf die von Russland annektierte Halbinsel zeigen: Kiew scheint imstande, den Kreml an einem sensiblen Punkt zu treffen.

München – Die Szene hat Eindruck hinterlassen: Russische Touristen liegen am Strand, während sich im Hintergrund eine dichte Rauchsäule bedrohlich aufbläht. Der Angriff von Anfang August galt dem russischen Luftwaffenstützpunkt Saky auf der annektierten Krim, neun Kampfjets – vielleicht mehr – wurden dabei zerstört. Es war eine von bislang mindestens sechs Attacken auf militärische Ziele auf der Halbinsel. Auch Munitionsdepots und Militär-Infrastruktur wurden zerstört.

Dass die Ukraine dazu fähig ist, muss angesichts der Waffenlieferungen aus dem Westen nicht wundern. Für den Kreml waren es dennoch schwere Schläge. Die Halbinsel, Sehnsuchtsort vieler Russen, galt als sicher, ein Ort zum Urlauben eben, trotz des Ukraine-Krieges. Das hat sich als naive Illusion entpuppt. Inzwischen ist die russische Flugabwehr regelmäßig aktiv, um Angriffe abzuwehren.

Ukraine-Krieg: Konflikt mit Russland verlagert sich auf die Halbinsel Krim

Sechs Monate nach der russischen Invasion in die Ukraine wird die Krim – langsam aber stetig – zu einem Schauplatz des Krieges. Darauf deuten nicht nur die Angriffe, für die Kiew offiziell keine Verantwortung übernimmt. Es zeigt sich auch in der Rhetorik. Wann immer es geht, betont Präsident Wolodymyr Selenskyj, man werde das seit 2014 okkupierte Territorium zurückholen. Unlängst veröffentlichte das Verteidigungsministerium in Kiew eine Videomontage, in der Raketenwerfer die 19 Kilometer lange Kertsch-Brücke zwischen der Krim und Festland-Russland ins Visier nehmen. Die Drohung nahm man im Kreml zweifelsohne wahr.

Auch wenn die große Offensive derzeit kaum möglich ist, hat Kiew wichtige Ziele erreicht. „Für die Ukraine ist es zum einen symbolisch wichtig, dass sie in der Lage ist, die Krim anzugreifen“, sagt Russland-Experte Stefan Meister von der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik. Die Botschaft: In den besetzten Gebieten sei niemand mehr sicher. Zum anderen sei es auch darum gegangen, die „Versorgungsrouten zu treffen, auf denen die russischen Truppen im noch besetzten Cherson mit Waffen beliefert werden“. Das sei gelungen, die Ukraine habe die Russen „empfindlich getroffen“.

Genau dort, in der Region Cherson, will Kiew nun beweisen, dass die Rückeroberungs-Idee nicht nur heiße Luft ist. Das Militär will inzwischen eine Offensive gegen die russischen Besatzer gestartet haben – wie groß und wie erfolgreich sie ist, lässt sich aber Stand jetzt kaum sagen. „Wir haben eine sehr, sehr unklare Lage“, betonte der Militärexperte Carlo Masala in „Bayern 2“. Klar sei, dass es Angriffe gegeben habe. „Ich würde noch nicht von einer großen Gegenoffensive sprechen“ – sondern eher von einer Vorbereitung darauf.

Kiew meldete am Dienstag „schwere Kämpfe“ in der ganzen Region Cherson. Der britische Geheimdienst, bislang eine zuverlässige Quelle, betonte, man könne zwar den „Umfang des ukrainischen Vorstoßes“ nicht bestätigen. Die Armee habe aber das Artilleriefeuer an der ganzen Frontlinie im Süden erhöht, um die Versorgungslinien der Kreml-Truppen zu unterbrechen. Die Russen, um eine Neuorganisation ihrer Streitkräfte in der Region bemüht, hätten indes Personal- und Nachschubprobleme.

Ukraine-Krieg: Verfeindete Länder uneinig über taktischen Waffenstillstand?

Russland-Experte Meister glaubt, dass der Krieg in einer dritten Phase angelangt ist. Die Soldaten seien auf beiden Seiten erschöpft, die Front quasi zementiert. Die Russen, meint er, seien einem taktischen Waffenstillstand nicht abgeneigt, um sich zu konsolidieren – die Ukrainer wollten das natürlich nicht. „Sie wissen: Was sie jetzt nicht erobern, bekommen sie womöglich nie zurück.“

Das gelte auch für die Krim, die – seit 2014 Symbol des Unrechts – für beide Seiten eine tiefe Bedeutung hat. Für Wladimir Putin sei die Halbinsel nicht nur „historisch, sondern auch machtpolitisch wichtig“. Vielen Russen gilt er als derjenige, der die Halbinsel heimgeholt hat – er will nicht derjenige sein, der sie wieder verliert. Selenskyj kann es sich auf der anderen Seite nicht erlauben, das Gebiet herzugeben. Die Krim wird ein Fixpunkt des Krieges bleiben. (mmä)

Derweil hat die Ukraine auf der Krim unfreiwillige Hilfe von russischen Touristen bekommen: Urlaubsfotos verrieten Putins Luftabwehr-Stellungen.

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