Polen und Slowakei wollen liefern: Was kann die MiG-29? Experte erwartet weitere Lieferungen

Polen und die Slowakei wollen als erste Nato-Länder Kampfflugzeuge an die Ukraine liefern. Aus Sicht Russlands erhöht dies „eine direkte Beteiligung am Konflikt“.
Berlin - Die im Moskauer Konstruktionsbüro Mikoyan und Gurevich entworfene MiG-29 galt lange als eines der besten Jagdflugzeuge weltweit. Das ist lange her: Ihren Erstflug hatte die Maschine 1977, die Sowjetunion stellte sie 1983 offiziell in Dienst. Seit dem Ende des Kalten Krieges fliegen auch Nato-Länder das Modell. Die Ukraine hat - genau wie Russland - die MiG-29 ebenfalls weiterhin in ihren Luftstreitkräften. Am Donnerstag kündigte Polen, am Freitag dann die Slowakei an, Flugzeuge dieses Typs an die Ukraine liefern zu wollen. Lange galt das im Ukraine-Krieg als rote Linie. Welche Folgen hätte die Lieferung des Kampfflugzeugs an die Ukraine in politischer wie militärischer Hinsicht?
Stärken und Schwächen des Kampfflugzeugs MiG-29
Schon seit Langem fordert die Ukraine Kampfflugzeuge, um sich gegen den russischen Angriffskrieg verteidigen zu können. Unbestritten ist, dass ukrainische Piloten die MiG-29 problemlos fliegen können, da sie über die entsprechende Ausbildung verfügen. Die MiG-29 ist ein Abfangjäger, aber kein Flugzeug, das speziell ausgelegt sei für den Bodenkampf, gab der ehemalige Nato-General Erhard Bühler im März vergangenen Jahres zu bedenken. Das Flugzeug müsse außerdem in ein Führungssystem mit Luftverteidigung eingebunden sein, betonte der Experte damals. Mittlerweile verfügt die Ukraine unter anderem über hochmoderne IRIS-T SLM Luftverteidigungssysteme aus Deutschland.
Technische Details der MiG-29
17,3 Meter lang, 11,4 Meter Flügelspannweite
Höchstgeschwindigkeit von 2.450 Kilometer pro Stunde (2,3-fache Schallgeschwindigkeit)
Maximale G-Kräfte von bis zu 9 möglich, dadurch besonders wendig
Maximale Reichweite ohne Zusatztanks: 1500 Kilometer
Bordkanone 30 mm mit 1500 Schuss pro Minute
Maximale Waffenlast von 3 Tonnen (Raketen und Bomben lassen sich unter Tragflächen befestigen)*
Spezialitäten: Kobramanöver. Ein schnelles Abbremsen durch ein kurzes Senkrechtsstellen des Flugzeugs zwingt den Gegner im Luftnahkampf zum Überholen. Der Gegner befindet sich dann vor dem Flugzeug und kann so abgeschossen werden. Nur wenige Strahlflugzeuge weltweit sind in der Lage, dieses Manöver durchzuführen.
*Quelle: dpa
Die MiG ist auch von kurzen Start- und Landebahnen aus einsatzbereit. Dies ist ein weiterer entscheidender Punkt für die Ukraine, da viele Flughäfen im russischen Angriffskrieg zerstört wurden. Der Sprecher der ukrainischen Armee, Jurij Ignat, hatte nach der Ankündigung aus Warschau erklärt: „Die MiG werden unsere Probleme nicht lösen, wir brauchen F-16. Aber die MiG werden unsere Kapazitäten stärken.“ Kiew hatte seine westlichen Verbündeten wiederholt auch um moderne Kampfjets gebeten, in der Hoffnung auf F-16-Maschinen aus den USA.
Diese Konsequenzen könnten die MiG-29-Lieferung an die Ukraine haben
So wie auch bei der langwierigen Entscheidung zur Lieferung von Kampfpanzern könnte mit der Ankündigung der Slowakei und Polens nun eine vorher als unüberwindbar geltende Barriere überwunden worden sein. Warschau sprach davon, zunächst vier Flugzeuge an die Ukraine liefern zu wollen, Bratislava von 13 MiG-29. „Vier Jets haben natürlich keinen großen Einfluss, aber es ist ein politisches Zeichen, wenn sie denn wirklich geliefert werden“, sagte der Militärexperte Sönke Neitzel dazu dem ZDF. „Man muss kein Seher sein, um zu prognostizieren, dass dann weitere MiG-29 folgen werden.“ Estlands Außenminister Urmas Reinsalu nannte die „mutigen Entscheidungen“ der beiden EU- und Nato-Länder am Freitag einen „bedeutende und wegweisenden Schritt“.
Der Wind scheint zu drehen. Sowohl Militärexperten als auch vielen westlichen Staaten galt der Schritt von Kampfflugzeug-Lieferungen an die Ukraine noch im vergangenen Jahr als rote Linie. Im März 2022 etwa unterbanden die USA den ersten Vorstoß Polens, die Debatte über eine MiG-29-Lieferung voranzutreiben. Nun stehen die USA einer MiG-29-Lieferung nicht mehr im Weg. „Dies sind souveräne Entscheidungen, die jedes Land treffen muss. Wir respektieren ihre souveränen Entscheidungen“, so der Sprecher des nationalen Sicherheitsrates, John Kirby, über die polnische Entscheidung. Zwar schulen die USA derzeit ukrainische Piloten auf einem Luftwaffenstützpunkt nahe Tucson Arizona mithilfe von Flugsimulatoren im Umgang mit der F-16, allerdings lässt dies nicht auf eine baldige Lieferung schließen. Eine entsprechende Entscheidung steht noch aus, doch der Druck im US-Senat auf Verteidigungsminister Lloyd Austin steigt.
Russland wertet MiG-Lieferung durch Nato-Länder als Erhöhung der „direkten Beteiligung am Konflikt“
Es gibt Bedenken, dass Russland die Lieferung von Kampfflugzeugen als Grund für eine Eskalation werten könnte. Die Kampfjets könnten den Kriegsverlauf nicht ändern, sagte Kremlsprecher Dmitri Peskow am Freitag der Nachrichtenagentur Interfax zufolge. Sie würden der Ukraine und dem ukrainischen Volk nur zusätzliche Not bescheren, drohte Putins Sprachrohr. „Das ist nur noch ein Beispiel dafür, wie eine ganze Reihe von Mitgliedsländern der Nato ihre direkte Beteiligung am Konflikt erhöht“, kommentierte Peskow weiter.
„Russland wird sagen, das ist eine weitere Eskalation, damit wird Polen Kriegspartei. So hat Russland immer reagiert“, sagte der Militärexperte Neitzel dem ZDF. Er hält dies jedoch für einen Bluff. „Erfolgt ist nichts“, so der Experte über ähnliche Drohungen nach den ersten Kampfpanzerlieferungen an die Ukraine. „Aber er wird natürlich die Ängste, die gerade in Deutschland vorhanden sind, weiter schüren.“ Unklar war zunächst, ob die Flugzeuge, die Polen an die Ukraine liefern will, ursprünglich aus Deutschland stammen. In einem solchen Fall müsste Berlin der Weitergabe zustimmen. Die Bundesregierung gab sich diesbezüglich zunächst zurückhaltend (dpa/bme).