Interner Bundeswehr-Bericht: Putin-Armee weicht im Osten – und nimmt offenbar neues Ziel ins Visier

Rund um Charkiw drängen ukrainische Kämpfer die Angreifer zurück. Ein eigentlich interner Bundeswehrbericht skizziert Russlands Pläne.
Berlin - „Wir haben es geschafft, wir sind hier“: Kiew meldete am Wochenende militärische Erfolge rund um Charkiw, der zweitgrößten Millionenstadt der Ukraine. Soldaten der 127. Brigade hätten nördlich von Charkiw „die Russen vertrieben und die Staatsgrenze zurückerobert“, zitierte die Nachrichtenagentur dpa aus einem vielbeachteten – aber zunächst nicht offiziell verifizierten –Video des Verteidigungsministeriums. Es zeigte eine Gruppe ukrainischer Soldaten an einem gelb-blauen Grenzpfosten.
Charkiw liegt im Nordosten der Ukraine unweit der russischen Grenze. Nach der erfolgreichen Gegenoffensive erwarten die Kämpfer von Präsident Wolodymyr Selenskyj nun, dass Wladimir Putin seine Soldaten aus der Region Charkiw abzieht. Allerdings verlege der Kreml Einheiten für eine neue Offensive Richtung Luhansk in die Donbass-Region, sagte der ukrainische Präsidentenberater Oleksij Arestowytsch.
Die Angaben ließen sich zunächst nicht unabhängig prüfen. Aber sie decken sich mit einem aktuellen internen Bundeswehr-Lagebericht, aus dem das Portal Business Insider am 17. Mai zitierte.
Der Bericht analysiert, wie die Lage von Putins Truppen trotz zahlenmäßiger Überlegenheit in der Ostukraine aktuell (Mitte Mai) ist:
- Russische Soldaten seien „wahrscheinlich“ etwa 15 Kilometer weit aus dem Stadtzentrum von Charkiw zurückgewichen.
- Sie seinen sogar bis auf fünf bis zehn Kilometer zurück an die ukrainisch-russische Grenze gedrängt worden.
- Trotz Mobilisierung konnten sie die ukrainische Gegenoffensive im Norden und Nordosten Charkiws nicht bremsen.
Ukraine-Krieg: Zielt Putin nach dem Donbass auf Odessa?
Dennoch: Im Süden und Südosten der Ukraine ist das militärische Geschehen im Ukraine-Krieg für Selenskyjs Kämpfer weiter sehr ungünstig. In Luhansk können sie laut Bundeswehr-Lagebericht dem Druck der russischen Soldaten nicht standhalten und ziehen sich zurück.
Überdies stießen Putins Truppen in Richtung Westen vor - dabei sei die strategisch wichtige Hafenstadt Odessa eines ihrer Hauptziele. Sie wollten Einfluss in der Region Cherson erlangen, und so den „Druck auf Odessa erhöhen“, zitiert Business Insider aus dem Bundeswehr-Bericht.
US-Geheimdienst: Kreml-Sieg im Donbass nicht Kriegsende
Ein eventueller russischer Erfolg im Donbass würde nach Auffassung der amerikanischen Geheimdienste allerdings wahrscheinlich nicht das Ende des Ukraine-Kriegs bedeuten. Putin bereite sich auf einen längeren Konflikt vor. In dessen Verlauf beabsichtige er immer noch, Ziele zu erreichen, die über die Ostukraine hinausgingen, sagte US-Geheimdienstkoordinatorin Avril Haines bei einer Senatsanhörung in Washington. Die Hintergründe des Ukraine-Konflikts in Kürze lesen Sie hier. (frs mit Material der dpa)