„Unkontrollierte Eskalation“ – Putin-Minister unterstellt Ukraine Bau einer „schmutzigen Bombe“

Russlands Verteidigungsminister Sergej Schoigu behauptete in einem Telefonat mit seinem französischen Amtskollegen, dass die Ukraine die Zündung einer radioaktiven Bombe plane.
Moskau - Russlands Verteidigungsminister Sergej Schoigu hat in einem Telefonat mit seinem französischen Amtskollegen behauptet, Kiew plane zur Diskreditierung Moskaus die Zündung einer radioaktiven Bombe. Das teilte das russische Verteidigungsministerium am Sonntag mit. Die Lage im Ukraine-Krieg gehe in Richtung „unkontrollierte Eskalation“, so die Mitteilung weiter.
Russland offenbar „besorgt über mögliche Provokationen der Ukraine“ mit radioaktiver Bombe
Schoigu habe „seine Besorgnis über mögliche Provokationen der Ukraine mithilfe einer ‚schmutzigen Bombe‘ übermittelt“, so das russische Verteidigungsministerium am Sonntag. Als „schmutzige Bombe“ werden konventionelle Sprengsätze bezeichnet, die auch radioaktives Material verstreuen. Die Ukraine, die nach dem Zerfall der Sowjetunion ihre Atomwaffen abgegeben hat, unterstellt ihrerseits Russland, den Abwurf einer solchen Bombe zu planen. Laut dem russischen Verteidigungsministerium spitzt sich die Lage in der Ukraine immer stärker auf eine „unkontrollierte Eskalation“ hin zu.
Die staatliche russische Nachrichtenagentur Ria Nowosti behauptete unterdessen - ohne Beweise mitzuliefern - unter Berufung auf anonyme Quellen aus verschiedenen Ländern, dass Kiew die Fertigstellung einer kleinen taktischen Atombombe faktisch abgeschlossen habe und bereit sei, diese auf eigenem Boden zu zünden, „um eine starke antirussische Kampagne zu starten, die das Vertrauen zu Moskau untergraben soll“. Mehr noch: Kiew befindet sich in Gesprächen mit dem Vereinigten Königreich über die Weitergabe von „Kernwaffenkomponenten“. Die Angaben ließen sich nicht unabhängig verifizieren.
Der Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine läuft seit Monaten nicht so, wie von Moskau geplant. Der Vormarsch geriet zunächst ins Stocken, inzwischen sind die russischen Einheiten sogar teilweise in die Defensive geraten. Vor diesem Hintergrund mehren sich Spekulationen um einen möglichen russischen Einsatz taktischer Atomwaffen gegen das Nachbarland. Moskau bestreitet derartige Absichten
Drohung Russlands mit Atomwaffen - General hält Einsatz für „sehr unwahrscheinlich“
In seiner Rede zur Teilmobilmachung drohte der russische Präsident Wladimir Putin auch mit dem Einsatz von Atomwaffen. „Wenn die territoriale Integrität unseres Landes bedroht wird, werden wir zum Schutz Russlands und unseres Volkes unbedingt alle zur Verfügung stehenden Mittel nutzen“, sagte der Kremlchef. Nach den Scheinreferenden in den russisch besetzten Gebieten der Ukraine betrachtet der Kreml auch diese Gebiete als Teil Russlands. Der Westen und die Ukraine erkennen dies jedoch nicht an. Manche Kriegsexperten halten den russischen Einsatz von strategischen Nuklearwaffen für unwahrscheinlich, warnen jedoch vor dem Einsatz taktischer Atomwaffen.
Der Generalleutnant außer Dienst Erhard Bühler hält den Einsatz von Atomwaffen dagegen generell für sehr unwahrscheinlich. Der Militär äußerte sich im MDR-Podcast „Was tun, Herr General?“ immer wieder zur Angst von Bürgern über den Einsatz von Atomwaffen im Ukraine-Krieg und beantwortet als Experte regelmäßig Hörerfragen.
Vor Schoigus Aussage nannte Militär-Experte Atomwaffen-Einsatz „unplausibel“
Ob Russland in Cherson vielleicht eine Atomwaffe abwerfen wolle und deshalb die Zivilisten evakuiere, wollte eine Hörerin in der Podcast-Ausgabe vom Dienstag wissen, als Schoigus Atom-Äußerungen noch nicht bekannt waren. Russland könne dann sagen, es sei eine Bombe der Ukraine gewesen, so die Theorie der Hörerin weiter. Putin könne behaupten, dass die Ukraine die Atomwaffe aus einem der Nato-Staat bekommen habe, da Kiew selbst keine Atomwaffen besitze. „Es ist richtig, dass die Ukraine keine Atomwaffen hat“, bestätigte der General in der Ausgabe vom Dienstag. Dass Atommächte keine Atomwaffen an andere Länder abgeben, sei allgemein bekannt, deshalb sei diese Theorie „so unplausibel, dass ich das als Möglichkeit ausschließen will“, beruhigte Bühler.
„Wir müssen uns vergegenwärtigen, diese Waffen sind politische Waffen. [...] Ihre Rolle ist die Abschreckung. Wenn die Abschreckung versagt hat, dann haben sie auch keine Rolle mehr. Die Gefahr einer Eskalation ist dann so groß, dass sie nicht mehr beherrschbar ist“, erklärte der Militär weiter. General Bühler betonte außerdem, dass es zwischen den USA und Russland sicherlich Gespräche über geheime Leitungen gebe, die nicht in der öffentlichen Diskussion seien. „Das, was in der Öffentlichkeit besprochen wird, würde ich nicht für das ganze Bild nehmen“, so Bühler (dpa/bme).