„Clan-Krieg um Putins Thron hat begonnen“: Unruhe im Kreml wegen russischer Niederlagen

Putins Schicksal nach dem Krieg scheint besiegelt: Im Kreml bricht schon ein Kampf um einen Nachfolger aus. An einen russischen Sieg glauben wenige.
Kiew – Attentat, Sturz oder Putschversuch: Das Schicksal von Wladimir Putin könnte aufgrund des Ukraine-Kriegs eine tragische Wende nehmen. Bereits jetzt sucht der Kreml wohl schon im Hintergrund nach Nachfolgern für den russischen Präsidenten. Kreml-Experte Roman Anin ist sich ganz sicher: „Der Clan-Krieg um Putins Thron hat begonnen“. Denn der Kreml wolle so wenig Zeit wie möglich verlieren. Noch bevor Putin stirbt oder seine Macht verliert, könnten sich seine Vertraute aus dem Kreml deshalb zusammenschließen und regieren.
Putins Schicksal besiegelt? Kreml wird langsam unruhig
„Putin ist über 70 Jahre alt; er ist kein junger Mann mehr. Das bedeutet, dass sein Umfeld versteht, dass er eher früher als später sterben oder zurücktreten wird. Ihnen ist klar, dass sie an verschiedenen Szenarien für die Zeit nach seinem Tod arbeiten müssen“, sagte Experte Anin im Gespräch mit dem Sender Radio Free Europe. Mit einem Sturz rechne er allerdings nicht.
Anin begründet den offenbar begonnen Clan-Krieg damit, dass der Kreml langsam unruhig wird – aus Angst vor einer russischen Niederlage im Ukraine-Krieg. „Sie wollen ihr Leben, ihr Vermögen, das Leben ihrer Angehörigen retten“, sagte Anin. Niemand von Putins Vertrauten glaube mehr an den Sieg. „Sie verstehen, dass dies der Ausgangspunkt für diesen Kampf um den Thron sein wird. Und derjenige, der den Kampf verliert, wird alles verlieren.“
Kreis Putins ist zu „gespalten“ – innere Unruhe unter Putin-Vertrauten
Die Entscheidung des Kremls auf einen Nachfolger könnte laut Anin stark durch die Querelen in unter den Putin-Vertrauten beeinflusst werden. „Das Problem seines Kreises ist, dass er so gespalten ist, dass sie seit Dutzenden von Jahren ständig gegeneinander kämpfen, um Zugang zu ihm, um die Möglichkeit, seine Entscheidungen zu beeinflussen, um Macht.“
Vieles hänge auch von dem Kriegsverlauf ab und was nach der ukrainischen Gegenoffensive passiere. „Die Dinge können sich sehr schnell ändern und entwickeln, und ich fürchte, dass wir einen Schritt vor dem Beginn des wirklichen Chaos in Russland stehen“, so Anin. „Es sei denn, Putin beschließt, die Truppen abzuziehen, das Land zu schließen, eine Militärdiktatur auszurufen, alle seine Feinde zu verhaften und das Land wirklich in ein Nordkorea zu verwandeln.“
Putin hofft auf ein Wunder: Verluste und Schwächen der russischen Armee bringen ihn in Bedrängnis
Doch ob Putin dazu in der Lage sein wird, bezweifelt Anin. „Ich glaube, er ist nicht bereit, das zu tun, und er hofft auf ein Wunder. Er unternimmt nichts. Er sitzt irgendwie in seinem Bunker fest.“ Besonders seit den ukrainischen Erfolgen sind der Kreml sowie russische Kämpfer in Alarmbereitschaft. So warnte Putins Koch Prigoschin vor einer Revolution in Russland durch „Hunderttausende“, sollte Putin die Kluft unter den russischen Soldaten und die hohen Verluste nicht in den Griff bekommen.
Mittlerweile gehen immer mehr russische Kämpfer von großen Schwächen des Militärs aus. „Wir können sehen, dass sowohl die militärische Führung als auch die politischen Einrichtungen der Russischen Föderation auf diese Situation nicht vorbereitet sind“, sagte Denis Kapustin, ein Kommandeur des russischen Freiwilligenkorps. „Sie haben Milliarden in die Verstärkung ihrer Linie investiert, aber wenn es zur Aktion kommt, fällt alles auseinander und nichts funktioniert.“
Wenn Putin ersetzt wird: Wer könnte sein Nachfolger werden?
Offen bleibt noch die Frage, wer überhaupt anstelle Putins weiter regieren könnte. Der berüchtigte Wagner-Chef Jewgeni Prigoschin und Tschetscheniens Präsident Ramsan Kadyrow würden laut James W. Davis, Leiter des Instituts für Politikwissenschaft an der Uni St. Gallen, infrage kommen. Für Anin würde damit ein Horrorszenario eintreten. „Stellen Sie sich vor, Prigoschin gewinnt die Schlacht und das Land mit dem zweitgrößten Atomwaffenarsenal befindet sich in den Händen eines notorischen Verbrechers“, so Anin. Der Westen müsse bei solch einem Machtwechsel vorbereitet sein. (bohy)