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Russischer Angriff aus Belarus? Ukraine-Soldat über Erfolgschancen - Kreml bräuchte „150.000 Soldaten“

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Ausbildung ukrainischer Soldaten in der Region Tschernihiw in der Nordukraine, nahe der belarussischen Grenze (Symbolbild, September 2022). © IMAGO/Pavlo Bahmut/ NurPhoto

Experten halten eine russische Offensive von Belarus aus für unwahrscheinlich, aber nicht ausgeschlossen. Die Erfolgschancen wären ohnehin gering, glaubt ein ukrainischer Soldat.

Tschernihiw - Beobachter warnen seit Wochen vor einem möglichen russischen Angriff auf die Ukraine von belarussischem Staatsgebiet aus. Rund 20.000 russische Soldaten sollen bereits auf belarussischem Staatsgebiet stationiert sein. Das belarussische Militär sorgte im Dezember mit einer Bereitschaftsübung seiner Streitkräfte für Aufsehen. Im Gespräch mit der Kyiv Post hat nun ein ukrainischer Soldat die Erfolgschancen einer russischen Offensive aus dem Nachbarland aus seiner Sicht bewertet.

Russischer Angriff auf Ukraine von Belarus aus: Soldat sieht wenig Aussicht auf Erfolg

Ein an der Verteidigungslinie zu Belarus stationierter ukrainischer Soldat rechnet einem russischen Angriff vom Nachbarland aus keine großen Erfolgschancen aus. Als ein Argument nannte er das schwierige Terrain: Das Grenzgebiet sei auf der einen Seite vom Fluss Dnipro und auf der anderen Seite vom Fluss Desna eingegrenzt, gab der Soldat unter dem Decknamen „Chik“ gegenüber der Kyiv Post zu bedenken.

„Hier wurden schon einmal Russen eingeschlossen. Im Frühjahr bauten sie einen Ponton über den Fluss Desna, um Tschernihiw zu umgehen, aber sie scheiterten“, so der Angehörige der ukrainischen Armee weiter. Aus seiner Sicht würden die russischen Soldaten besiegt werden, kämen sie noch einmal in dieses Gebiet. Der Fluss sei ein besseres Hindernis als Stacheldraht oder eine Mauer. Im April waren die russischen Streitkräfte aus der Region abgezogen.

Ukraine-Soldat sicher: Russland bräuchte „mindestens 150.000 Soldaten“

Der ukrainische Kämpfer nannte auch logistische Gründe, warum ein solcher russischer Angriff aus seiner Sicht zum Scheitern verurteilt sei. „Außerdem benötigen [die Russen] mehr Kräfte, um einen Frontalangriff durchzuführen. Dafür bräuchte das russische Kommando mindestens 150.000 Soldaten.“ Derzeit befindet sich Schätzungen zufolge eine Truppenstärke von 20.000 Russen in Belarus. Auf den Trainingsplätzen in Belarus hätten indes maximal 90.000 Kämpfer Platz, so der Soldat „Chik“. „Technisch gesehen können sie sich nicht vor Februar oder März auf eine Offensive vorbereiten.“

Das Einzige, was Russland erreichen könne, sei, einen Teil der ukrainischen Streitkräfte umzuleiten und so Kräfte zu binden, sagte der seit vier Monaten im Grenzgebiet stationierte Soldat. Auch der ehemalige russische Militärbefehlshaber Igor Girkin sprach nach Angaben der Denkfabrik ISW zuletzt über die Möglichkeit eines Ablenkungsmanövers an der belarussisch-ukrainischen Grenze. Moskau könnte dieses durchführen, „um ukrainische Streitkräfte aus anderen Teilen des Kriegsschauplatzes abzuziehen“. Eine „Offensivoperation zur Eroberung von Territorium“ könne das russische Militär indes in dem Grenzgebiet nicht effektiv durchsetzen.

Ukrainische Rakete in Belarus: Besorgnis eines Kriegseintritts Lukaschenkos war groß

Russland und Belarus sind Verbündete, doch bislang ließ sich der belarussische Machthaber Lukaschenko nicht zu einem Kriegseintritt drängen. Vor wenigen Wochen beschlossen Minsk und Moskau allerdings gemeinsame Manöver und Einheiten. Russland schickte zudem vermehrt Material und Soldaten in das Nachbarland, errichtete offenbar ein Feldlazarett in Grenznähe und will außerdem einen Luftwaffenstützpunkt in Belarus zu einem Logistik-Drehkreuz ausbauen. Die US-Kriegsexperten der Denkfabrik Institute for the Study of War (ISW) halten einen Kriegseintritt von Putins Verbündetem Alexander Lukaschenko zwar für unwahrscheinlich, aber nicht ausgeschlossen.

Während Russland aktuell vermehrt mit Angriffen auf militärische Ziele auf eigenem Staatsgebiet rechnen muss, meldete in der vergangenen Woche auch Minsk den Einschlag einer ukrainischen Rakete auf belarussischem Staatsgebiet.

Die Besorgnis aufseiten der Ukraine war groß, dass dies als Vorwand für den Kriegseintritt des Verbündeten Russlands dienen könnte. „Entweder wurde die ungelenkte Flugabwehrrakete wegen der schlechten Ausbildung der Mannschaft unabsichtlich abgefeuert, oder die Rakete war defekt, oder aber es handelt sich um absichtliche Provokation der ukrainischen Streitkräfte“, hatte der belarussische Luftabwehr-Chef Kirill Kasanzew den Vorfall kommentiert. Die Befürchtungen eines belarussischen Kriegseintritts bewahrheiteten sich zunächst nicht.

Video: Während Mannöver in Belarus - Putin stattete Lukaschenko Besuch ab

Raketeneinschlag in Belarus: Kiew macht Russland verantwortlich

Auf ukrainischer Seite machte man indes Russland für den Raketeneinschlag in Belarus verantwortlich. Zuvor habe die Ukraine einen massiven russischen Raketenangriff abgewehrt, auch im westukrainischen Gebiet Lwiw. „Daher ist auch eine Provokation vonseiten des Terroristen-Staats Russland nicht auszuschließen, der eine Flugroute seiner Marschflugkörper so ausgewählt hat, um ihren Abschuss im Luftraum über Belarus zu provozieren“, hieß es in einer Erklärung des ukrainischen Verteidigungsministeriums. Bereits im November hatte sich ein ähnlicher Vorfall ereignet, als eine ukrainische Rakete auf polnisches Staatsgebiet fiel.

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