Putin-kritisches Kinderbild: Alleinerziehender Russe flieht vor Straflager - nun wurde er in Belarus gefasst
Das Bild seiner Tochter zeigte Raketen auf die Ukraine. Ein Russe wurde deshalb verurteilt, floh und wurde jetzt offenbar von der Polizei gefunden.
Update vom 30. März, 9.25 Uhr: Der erschütternde Fall eines russischen Vaters, der wegen eines putin-kritischen Bildes seiner Tochter zu zwei Jahre Straflager verurteilt wurde, nimmt erneut eine Wendung: Der Mann wurde offenbar in der belarussischen Hauptstadt Minsk von der Polizei verhaftet. Das teilt das unabhängige russische Nachrichtenportal Medusa mit.
Der alleinerziehende 54-Jährige war noch vor der Verkündigung des harten Urteils gegen ihn aus dem Arrest geflohen. Nun wurde er aber offenbar doch verhaftet. Sein Verteidiger schreibt laut Medusa auf Telegram, dass er seinen Mandanten nicht erreichen könne, aber die Nachricht, dass er verhaftet sei, wohl wahr sei. Der alleinerziehende Vater wurde offenbar durch die Lokalisierung seines Handys in Minsk gefunden werden.
Erstmeldung: Putins Russland - Kinderbild bringt Vater zwei Jahre Straflager
Moskau – In Russland ist ein alleinerziehender Vater zu zwei Jahren Straflager verurteilt worden. Auslöser ist ein Bild, das seine 13-jährige Tochter in der Schule gemalt hat. Darauf sind Raketen zu sehen, die unter russischer Flagge auf eine Frau und ein Kind zufliegen – hinter ihnen die Flagge der Ukraine.
Der Fall erregt über die Kleinstadt Jefremow hinaus Aufsehen und illustriert die Härte, mit der Russland gegen jegliche Kritik an der sogenannten militärischen Spezialoperation in der Ukraine vorgeht. Aufruhr gibt es im eigenen Land vor allem, weil die minderjährige Tochter wegen ihres Bildes ins Kinderheim gebracht worden war. Moskau hatte zuvor im Zuge des Ukraine-Krieges die Gesetze verschärft und Kritik an der Armee unter Strafe gestellt.
Kritik am Ukraine-Krieg: Auch Kinder unterliegen Russlands Zensur
Plakate werben derweil entlang der Hauptstraße von Jefremow 300 Kilometer südlich von Moskau für den Einsatz gegen das Nachbarland: „Für eine Welt ohne Nazis“ steht darauf, oder einfach nur der Buchstabe Z, der für den russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine steht. Doch manche der 37.000 Einwohner scheinen die staatliche Propaganda zu hinterfragen.
Das Mädchen hatte im Zeichnenunterricht ihre persönlichen Ansichten zum Krieg künstlerisch ausgedrückt: Als die Lehrerin die Kinder aufforderte, Bilder zur Unterstützung der russischen Streitkräfte in der Ukraine zu malen, versah die damals Zwölfjährige die russische und ukrainische Flagge mit den Slogans „Nein zum Krieg“ und „Ruhm der Ukraine“.
Als die Schulleiterin Marias Bild zu Gesicht bekam, schaltete sie umgehend die Polizei ein. Die Beamten überprüften die Internet-Konten des Vaters und entdeckten Kommentare, in denen er die Offensive kritisierte. Seit dem 1. März steht Alexej Moskaljow deswegen unter Hausarrest, am heutigen Dienstag wurde der 54-Jährige von einem Gericht zu zwei Jahren Haft wegen „Diskreditierung der russischen Streitkräfte“ verurteilt.
Ukraine-Krieg: Russischer Vater flieht aus Arrest – Gerichtssaal applaudiert
Der 54-Jährige war jedoch noch vor der Verkündung des Urteils aus dem Hausarrest geflohen, wie eine Gerichtssprecherin bestätigte. Moskaljow sei bei der Gerichtsanhörung nicht anwesend gewesen. Er sei „verschwunden“, deshalb sei das Urteil in seiner „Abwesenheit“ verlesen worden, sagte Gerichtssprecherin Elena Michailowska gegenüber der Nachrichtenagentur Agence France-Presse (afp). Als die Nachricht von seiner Flucht bekannt wurde, gab es im Gerichtssaal Applaus.
Offiziell drehen sich die Vorwürfe gegen den Vater um Einträge in sozialen Netzwerken. Dort soll er mehrfach Russlands Angriffskrieg gegen die Ukraine kritisiert haben. Der Mann bestritt das. Unabhängige Medien berichteten aus dem Gerichtssaal von einem inszenierten Verfahren mit einstudierten belastenden Aussagen vermeintlicher Zeugen. Es seien keine Beweise vorgelegt worden.

Der Kremlkritiker Michail Chodorkowski kommentierte, dass der Machtapparat den Vater nutze, um das vom Gesetz nicht zu belangende Kind zu bestrafen. Und selbst Jewgeni Prigoschin, Chef der paramilitärischen Wagner-Truppe, kritisiert die Trennung von Vater und Tochter.
Russland im Ukraine-Krieg: Verluste und menschliche Tragödien
In einem weiteren Verfahren am 6. April könnte dem alleinerziehenden Vater nun auch das Sorgerecht für seine Tochter endgültig entzogen werden, wie sein Anwalt Wladimir Biljenko schildert. Schon jetzt darf Maria nach Angaben der unabhängigen städtischen Abgeordneten Olga Podolskaja nicht einmal mit ihrem Vater telefonieren.
Frische Gräber gefallener Soldaten zeugen davon, wie nahe die Kämpfe in der Ukraine den Menschen in Jefremow gekommen sind. Im Februar schlugen drei mutmaßlich ukrainische Drohnen in der Nähe ein. Auf dem zentralen Platz sitzen zwei ältere Frauen mit roten Armbinden auf einer Bank. Sie gehörten zu einer von Anwohnern gegründeten Nachbarschaftswache und sollen Verdächtiges melden, sagen sie. (na/dpa/afp)