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Munitionszoff: Deutsche Drohung wirkt wohl – Schweiz könnte ihre Neutralität nun umgehen

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Von: Jens Kiffmeier

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Der internationale Druck zeigt Wirkung: Die Schweiz will nun doch die Munitionslieferung für den Gepard im Ukraine-Krieg freimachen – mit einem Kunstgriff.

Bern/Berlin – Für ihre Panzer oder Raketenwerfer: Die Ukraine braucht im Krieg gegen Russland dringend Nachschub an Munition. In vielen europäischen Waffenarsenalen lagern zehntausende Projektile, doch es wird nichts davon ausgeliefert. Denn die Schweiz verweigert als Hersteller die Weitergabe – wegen ihrer politischen Neutralität.

International hat das bereits großes Kopfschütteln ausgelöst. Doch nun kommt Bewegung in den Streit: Offenbar will die Schweiz ihre Grundsätze in diesem Fall umgehen – und die Gesetze ändern. Immerhin geht es um die Zukunft der heimischen Rüstungsindustrie.

Ukraine-Krieg: Schweiz gibt im Streit um Munitionslieferung für den Gepard wohl nach

So gibt es in der Frage nach der Munitionslieferung für die Ukraine offenbar in vielen Parteien und Fraktionen innerhalb der Schweiz einen Meinungsumschwung: „Ich habe gezögert, aber jetzt ist es klar: Die Wiederausfuhr von Munition und anderen Rüstungsgütern muss für unsere Nachbarn für den Einzelfall Ukraine bewilligt werden“, sagte SP-Nationalrat Eric Nussbaumer der Neuen Züricher Zeitung (NZZ). Insgesamt drei Initiativen werden derzeit im Schweizer Parlament vorbereitet, um die eigenen Neutralitätsgesetze auszuhebeln.

Hofft auf Munition für den Gepard aus der Schweiz: Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD).
Hofft auf Munition für den Gepard aus der Schweiz: Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD). © Marcus Brandt/dpa

In den vergangenen Jahrzehnten haben Schweizer Rüstungskonzerne für verschiedene Waffengattung Munition an befreundete Länder weitergegeben, unter anderem an Dänemark, Spanien, Brasilien, aber auch an Deutschland. Rund 12.000 35-Millimeter-Geschosse für den Gepard-Panzer befinden sich in Bundeswehrbeständen. Das Haager Abkommen von 1905 und das Kriegsmaterialgesetz der Schweiz untersagen aber die Weitergabe an Drittstaaten. Doch das wird nun im Ukraine-Krieg zum Problem. Dort ist der deutsche Panzer bereits im Einsatz und es wird im Kampf gegen Russland dringend Munitionsnachschub benötigt.

In der Schweiz sickert allmählich die Erkenntnis durch, dass man sich nicht länger aus dem Konflikt heraushalten kann. Nachdem Deutschland und die Nato bereits massiv unter Druck gesetzt haben, sollen nun drei Gesetzesvorschläge zur Abstimmung gebracht werden. Angestoßen wurden sie unter anderem von der liberalen FDP und den Sozialdemokraten, wie die Süddeutsche Zeitung berichtet.

Munitionsfreigabe für die Ukraine: Schweiz ändert die Gesetze – kann Deutschland bald an Ukraine liefern?

Demnach soll das Kriegsmaterialgesetz dahingehend gelockert werden, dass „Länder mit gleichen Werten und vergleichbarem Exportkontrollregime“ künftig keine Nicht-Wiederausfuhr-Erklärung mehr abgeben müssen. Denkbar wäre auch eine Ausnahmeregelung einzubauen, wonach die Munitionslieferung bewilligt werden darf, wenn ein Land nach UN-Beschluss völkerrechtswidrig angegriffen wird. Der dritte Vorschlag sieht vor, eine Art „Lex Ukraine“ zu schaffen, die in diesem Einzelfall die Weitergabe der Munition erlaubt.

Der Handlungsdruck für die Schweiz ist groß. So hatte Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg bereits sein Unverständnis geäußert. Die Blockade habe nichts mit der Neutralität zu tun, sagte er kürzlich beim Wirtschaftsgipfel in Davos. Denn die Vereinten Nationen hätten den völkerrechtswidrigen Angriff von Russland auf die Ukraine bereits klargestellt. Dies eröffne auch einem neutralen Land wie der Schweiz durchaus große Handlungsoptionen.

Flankiert wurde dies durch Drohungen aus Berlin, dass man möglicherweise in Zukunft auf Rüstungsgüter aus der Schweiz verzichten werde. Deutschland ist derzeit der größte Abnehmer von Munition aus der Schweiz. Den ersten Worten folgen bereits die ersten Taten. So fährt der Rüstungskonzern Rheinmetall seine eigene Produktion wieder hoch. Im niedersächsischen Unterlüß im Landkreis Celle entsteht gerade eine neue Munitionsfabrik.

Munition für den Gepard im Ukraine-Krieg: In Niedersachsen entsteht neue Fabrik

Ab Juli soll dort laut einem SZ-Bericht Munition für den Gepard-Panzer produziert werden – vielleicht sogar mit Schweizer Unterstützung. Denn das Know-how stammt aus der RWM Schweiz AG, zufälligerweise eine einhundert prozentige Tochter des Düsseldorfer Rüstungskonzerns. Anders als die direkte Weitergabe von Munition ist der Wissenstransfer jenseits der Grenzen nicht genehmigungspflichtig.

Ob dieser weitere Kunstgriff der Ukraine aber hilft, bleibt abzuwarten. Denn Russland rüstet für die Frühjahrsoffensive – und dafür braucht das Land Munition – und zwar jetzt und nicht erst im Sommer. (jkf)

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