„Herr Kanzler Scholz, ...“: Selenskyj erhebt vor dem Bundestag Vorwürfe - Streit im Plenum folgt
Was tun im Ukraine-Krieg? Wolodymyr Selenskyj hat eine stark historisch geprägte Rede vor dem Bundestag gehalten - er sprach Olaf Scholz persönlich an.
- Ukraine-Krieg*: Präsident Wolodymyr Selenskyj* hat am Donnerstag (17. März) im Deutschen Bundestag gesprochen.
- Selenskyj verwies auf die historische Verantwortung und die Teilungs-Geschichte der Bundesrepublik - er forderte mehr Unterstützung ein (Updates ab 9.05 Uhr).
- Auf den Vortrag folgte teils herber Streit im Bundestag. Es ging um den Verzicht auf eine Aussprache zum Thema Ukraine (Update von 9.40 Uhr).
- Dieser News-Ticker zu Wolodymyr Selenskyjs Rede im Deutschen Bundestag wird fortlaufend aktualisiert.
Selenskyj im Bundestag: Kritik am direkten Übergang zur Tagesordnung aus den Grünen und der FDP
Update vom 17. März, 20.50 Uhr: Grünen-Fraktionschefin Britta Haßelmann ist nach eigenen Angaben „sehr unglücklich“ über die Vorgänge im Bundestag nach der Video-Rede des ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj. Nach dessen Auftritt am Donnerstagmorgen hatten Abgeordnete gestritten, ob es eine Aussprache darüber geben sollte. „Die eindringliche Ansprache des ukrainischen Präsidenten hat uns alle sehr bewegt“, sagte Haßelmann der Deutschen Presse-Agentur in Berlin. „Die darauf folgende Geschäftsordnungsdebatte war dem in keiner Weise angemessen. Ich bedaure das sehr“, so die Grüne. Die Fraktionen im Bundestag hätten kein gutes Bild abgegeben: „Wir alle sollten den heutigen Tag selbstkritisch bewerten und dafür Sorge tragen, dass sich ein solcher Vorgang nicht wiederholt.“
Auch FDP-Chef Christian Lindner räumte ein, es sei falsch gewesen, nach Selenskyjs Rede einfach zur Tagesordnung überzugehen. „Das war im Nachhinein ein Fehler. Man hätte die Sitzung unterbrechen müssen“, sagte der Bundesfinanzminister dem Fernsehsender Welt. Er habe die Situation als bewegend empfunden und müsse sagen: „Es wäre angemessen gewesen, wenn es wie in anderen Parlamenten, wie zum Beispiel im amerikanischen Kongress, nach der Rede des ukrainischen Präsidenten eine Pause, eine Sitzungsunterbrechung gegeben hätte, um das auch zu verarbeiten und einzuordnen.“
Update vom 17. März, 9.40 Uhr: Auf die Videoansprache Selenskyjs folgt im Bundestag Streit und Aufregung im Plenum. Unions-Fraktionschef Friedrich Merz (CDU) betont, man habe um eine „Aussprache gebeten zum Stand dieses schrecklichen Krieges“, die Ampel habe das abgelehnt. Es wäre nun Zeit für eine Zwischenbilanz gewesen, „stehen wir heute eigentlich als Bundesrepublik Deutschland an der richtigen Stelle, wenn es um diesen Konflikt geht“.
„Frau Präsidentin, mit Verlaub, Sie sagen uns heute morgen, wie der Beirat der ‚kleinen Forscher‘, besetzt werden soll“, fügt Merz mit Blick auf einige gerade im Plenum abgehaltene Personalbestätigungen hinzu: „Wann denn, wenn nicht jetzt?“, fordert der CDU-Chef erneut eine Aussprache. Die Union „missbillige“ das Vorgehen.
Die Parlamentarische Geschäftsführerin der SPD-Fraktion, Katja Mast, verteidigt die Entscheidung der Ampel-Koalition. „Herr Präsident Selenskyj hat gerade eine sehr eindringliche Rede gehalten“, setzte sie an - und wird direkt von Zwischenrufen unterbrochen. „Hör doch mal zu!“, ist unter anderem aus dem Plenum zu vernehmen. Selenskyjs Worte hätten es verdient, „für sich wahrgenommen zu werden“, argumentiert Mast. Sie verweist auf Scholz‘ Regierungserklärung von Ende Februar. Das und die damals folgende lange Ansprache seien „angemessen“ gewesen - auch CDU und CSU hätten den Sitzungsplänen für die Woche zugestimmt, nur um Stunden später eine „Rolle rückwärts“ zu machen.
Auf den Streit folgte am Vormittag eine ebenfalls teils hochemotionale Debatte über die Corona-Impfpflicht.
Selenskyj im Bundestag: Ukraines Präsident appelliert an Deutschlands Verantwortung - „Wird Reue verlangen“
Update vom 17. März, 9.35 Uhr: In einer rund 15-minütigen Rede hat sich der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj an den Bundestag gewandt - er berichtete nicht nur von der dramatischen Lage in seinem Land, sondern bemühte sich auch sichtlich, die Bundesregierung bei der historischen Verantwortung zu packen.
Wiederkehrende Motive in Selenskyjs Ansprache waren die Wiederholung von Gräueltaten 80 Jahre nach dem blutigen deutschen Überfall im Zweiten Weltkrieg und - in Anspielung auf den Eisernen Vorhang - eine „Mauer“, die von Deutschland wieder errichtet werde. Selenskyj wies mit dieser Metapher auf seiner Meinung nach lange unterlassene und auch nun zu gering ausfallende Unterstützung Deutschlands für die Ukraine hin.
„Herr Bundeskanzler Scholz, zerstören Sie diese Mauer. Zeigen Sie sich als Leader und ihre Nachkommen werden stolz auf Sie sein“, sagte Selenskyj. Das bisherige Vorgehen werde allerdings „immer Reue verlangen“.
Update vom 17. März, 9.28 Uhr: Sitzungsleiterin Katrin Göring-Eckardt dankt Selenskyj für die Ansprache - dann schließt sie das Thema Ukraine. Im Plenum ist einiges an Zwischenrufen zu hören, vermutlich aus Unmut über die ausbleibende Aussprache zum Ukraine-Krieg.
Selenskyj erhebt vor dem Bundestag Vorwürfe: „Herr Kanzler Scholz, zerstören Sie diese Mauer“
Update vom 17. März, 9.21 Uhr: „Was ist die historische Verantwortung wert für das, was vor 80 Jahren geschah?“, fragt Selenskyj die Bundestagsabgeordneten - und greift noch einmal das historische Bild der „Mauer“ auf: „Das wird immer eine Mauer sein, die immer Reue verlangen wird“, sagt er mit Blick auf die Reaktion Deutschlands auf die Kriegsvorbereitungen Russlands und den Krieg in der Ukraine. Selenskyj zitiert auch den ehemaligen US-Präsidenten Ronald Reagan, der 1987 in Berlin die Sowjetunion aufforderte, den Eisernen Vorhang einzureißen.
„Herr Bundeskanzler Scholz, zerstören Sie diese Mauer. Zeigen Sie sich als Leader und ihre Nachkommen werden stolz auf Sie sein“, „helfen Sie uns, helfen Sie uns, diesen Krieg zu stoppen“, schließt Selenskyj. Die Parlamentarier erheben sich für Standing Ovations von ihren Sitzen.
Update vom 17. März, 9.16 Uhr: Alles werde dem Boden gleichgemacht, die russischen Truppen unterschieden nicht zwischen militärischen und zivilen Zielen, humanitäre Hilfe werde nicht zugelassen, sagt Selenskyj weiter: „Das können Sie alles sehen, wenn Sie uns sehen und diese Mauer etwas verschieben.“ „Ich wende mich an euch im Namen der Ukraine“, sagt der Präsident - er verweist auch auf das russische Bombardement auf die Gedenkstätte Babyn Jar.
„Ich wende mich euch, das darf sich niemals wiederholen“, betont Selenskyj mit Blick auf deutsche Gräueltaten in der Ukraine im Zweiten Weltkrieg. Die „Staaten hinter dem Ozean“ stünden der Ukraine nun näher als Deutschland, klagt er. Er danke jedem, der die Ukraine unterstütze. „Wir danken den Politikern, die versuchen, diese Mauer zu brechen, die Sanktionen verstärken wollen, um die Kinder zu schützen.“ Derweil sorgen im Netz Fake-Videos* für Aufsehen - von Selenskyj und auch Putin.
Deutsche „Mauer“: Selenskyj erhebt vor dem Bundestag Vorwürfe - Rede JETZT live im Ticker
Update vom 17. März, 9.11 Uhr: Selenskyj spricht in grauem, leicht aufgeknöpftem Hemd. „In drei Wochen sind sehr viele Ukrainer gestorben, Tausende. Die Besatzer haben 108 Kinder getötet, mitten im Europa, im Jahre 2022“, sagt er. Nach vielen Verhandlungen und Bitten wende er sich an den Bundestag - einiges sei zu spät gekommen, die Sanktionen seien womöglich zu wenig, um den Krieg zu stoppen.
Russland nutze Deutschland und andere Länder aus, um den Krieg zu finanzieren. „Sie befinden sich irgendwie wieder in der Mauer“, sagt Selenskyj mit Blick auf die deutsche Geschichte. Die Mauer entstehe durch jede Entscheidung, die nicht getroffen werde, um Frieden zu schaffen. Früh habe die Ukraine darauf hingewiesen, dass schon die umstrittene russisch-deutsche Pipeline Nord Stream 2 ein Mittel des Krieges sei. „Das war traurig für uns“, sagt Selenskyj im Blick auf abgeschlagene Bitten um Unterstützung. „Wir haben den Widerstand verspürt, wir haben gespürt, Sie wollen die Wirtschaft, Wirtschaft, Wirtschaft weiter fortführen.“

Update vom 17. März, 9.05 Uhr: Es geht los: Mit Ovationen begrüßt der Bundestag den zugeschalteten ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj und auch - vor Ort anwesend - seinen Botschafter Andrij Melnyk. Die Bundestags-Vizepräsidentin fordert in ihren einleitenden Worten Wladimir Putin zum Ende der Kriegshandlungen und zum Rückzug der russischen Truppen aus der Ukraine auf. „Mit Entsetzen sehen wir, dass die russischen Truppen bewusst zivile Ziele angreifen“, sagt Göring-Eckardt. „Es trifft schutzlose Menschen“, betont sie.
Göring-Eckardt wendet sich nun an Selenskyj: „Ihr Land hat sich für die Demokratie entschieden und genau das fürchtet Wladimir Putin. Er versucht Ihrem Land eine eigene Geschichte, Identität, Existenzrecht abzusprechen. Doch damit ist er schon jetzt gescheitert.“ „Deutschland steht an Ihrer Seite, Sie haben das Wort“, schließt die Grünen-Politikerin.
Ukraine-Krieg: Selenskyj spricht zum Bundestag - Rede gleich live im Ticker
Update vom 17. März, 9.00 Uhr: Der Start der Präsidenten-Rede im Bundestag verzögert sich offenbar noch ein wenig: Bundestags-Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt (Grüne) verweist auf eine noch nicht stehende Video-Verbindung in die Ukraine. Eingeplant sind für Selenskyjs Ansprache 20 Minuten - eine Aussprache zum Thema folgt nicht.
Update vom 17. März, 8.53 Uhr: Die Glocke im Reichstagsgebäude hat die Abgeordneten bereits auf ihre Plätze gerufen - in wenigen Minuten soll Wolodymyr Selenskyj virtuell im Bundestag sprechen.
Update vom 17. März, 8.00 Uhr: Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj spricht in rund einer Stunde per Videoschalte vor dem Bundestag. Er wird sich zur Lage in seinem Land seit Beginn des russischen Angriffskriegs vor drei Wochen äußern. Dabei dürfte Selenskyj auch Forderungen stellen, etwa nach weiteren Waffenlieferungen aus Deutschland.
Der ukrainische Präsident hatte sich in den vergangenen Tagen bereits an mehrere Parlamente in verschiedenen Ländern gewandt. So sprach er am Mittwoch vor dem US-Kongress. Dabei forderte er unter anderem die Schaffung einer Flugverbotszone über seinem Land. Selenskyj zeigte außerdem ein Video von der massiven Zerstörung durch die russischen Angriffe in der Ukraine.
Ukraine-Krieg: Selenskyj will sich an Bundestag wenden - Union kritisiert Scholz-Zögern
Erstmeldung vom 16. März, 20.00 Uhr: München - Im Ukraine-Konflikt* liegt eine riesige Last auf den Schultern des ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj. Doch in Kiew hält er weiterhin die Stellung und lehnt alle Angebote auf Evakuierung ab. Von der Hauptstadt aus beobachtet er die schweren Kämpfe mit russischen Truppen im Zuge der Invasion seines Landes. Diese Karte veranschaulicht, wo der Ukraine-Krieg wütet. Außerdem gibt er seinem Volk regelmäßig Mut mit Live-Ansprachen und zeigt: „Ich bin hier, ich gehe nicht.“
Ein Großteil der Internationalen Gemeinschaft steht dabei geschlossen hinter der Ukraine und Selenskyj. Besonders die USA und Europa zeigen immer wieder ihre Solidarität mit der Regierung in Kiew* und dem ukrainischen Volk. Dazu gehört auch Deutschland. Berlin verhängte zusammen mit weiteren EU-Staaten harte Sanktionen gegen Russland und änderte im Hintergrund der Ukraine-Krise* die oft kritisierte Position in Bezug auf Waffenlieferungen an die Ukraine. Nun will sich der ukrainische Präsident Selenskyj mit einer Videoansprache an den Bundestag wenden.
Ukraine-Krieg: Selenskyj im Bundestag - Union kritisiert Scholz-Zögern
„In einer Videoansprache wendet sich der Präsident der Ukraine, Wolodymyr Selensky, zu Beginn des Sitzungstages am Donnerstag, 17. März 2022, an die Abgeordneten des Deutschen Bundestages“, erklärte die Internetseite des Bundestages. Demnach werde die Sonderveranstaltung ab 9 Uhr vor Eintritt in die Tagesordnung beginnen.
Die geplante Rede von Selenskyj wird außerdem von einer Reiberei zwischen der Union und der Ampel-Koalition* begleitet. CDU/CSU-Fraktionschef Friedrich Merz (CDU) kritisierte es als „völlig unpassend“, dass es die Koalitionsfraktionen abgelehnt hätten, nach der Rede Selenskyjs eine Debatte zur Ukraine-Politik anzusetzen. Die Unionsfraktion erwarte, dass Bundeskanzler Olaf Scholz* (SPD*) mit einer Regierungserklärung auf Selenskyjs Rede reagiere.
Ukraine-Krieg: Selenskyj fordert mehr Unterstützung und Sanktionen - „brutale Offensive“ von Putin
Zuvor forderte Selenskyj in seiner Rede vor beiden Kammern des US-Kongresses mehr militärische Unterstützung des Westens und neue Sanktionen gegen Russland*. Es brauche „konstant jede Woche neue Sanktionspakete bis die russische Militärmaschine stoppt“, forderte Selenskyj. Es müsse Sanktionen gegen „alle“ russischen Politiker, Abgeordnete und hohe Beamte geben, die sich nicht gegen den Krieg stellten, sagte er einer englischen Übersetzung zufolge.
Er machte darauf aufmerksam, dass das ukrainische Volk nicht nur die Ukraine verteidige, sondern „für die Werte Europas und der Welt“ kämpfe. Russland habe eine „brutale Offensive“ gegen westliche Werte gestartet. Mit ihrer Hilfe unterstützten die Amerikaner daher nicht nur die Ukraine*, „sondern Europa und die Welt“. An die Adresse von US-Präsident Joe Biden* betonte Selenskyj: „Ich wünsche Ihnen, der Anführer der Welt zu sein. Der Anführer der Welt zu sein bedeutet, der Anführer des Friedens zu sein.“
Ukraine-Krieg: Selenskyj verlangt S-300 Flugabwehrsysteme - Bundeswehr verlegt Patriots in die Slowakei
Eine Rede vor beiden Kammern des Kongresses zu halten gilt als besondere Ehre. Selenskyj dankte den USA für die bisher bereits geleistete Unterstützung für die ukrainischen Streitkräfte, inklusive Ausbildung von Soldaten und Waffenlieferungen. Die Ukraine brauche im Kampf gegen das russische Militär aber noch mehr Unterstützung, darunter Flugabwehrsysteme und ähnliche Waffen. „Sie wissen, wie viel auf dem Schlachtfeld von der Fähigkeit abhängt, Flugzeuge einzusetzen“, sagte er.
Selenskyj bat dabei auch explizit um das S-300 Flugabwehrsystem russischer Bauart. Der Nato-Staat Slowakei verfügt noch über solche Systeme. Die Bundeswehr begann unterdessen mit der Verlegung des Flugabwehrraketensystems Patriot US-amerikanischer Bauart in die Slowakei. Dies könnte als Ersatz dienen, falls die Slowakei ihre S-300 Systeme an die Ukraine abgeben sollte. (bb mit dpa/afp) *Merkur.de ist ein Angebot von IPPEN.MEDIA