Putin erzählt Ministern nicht mehr von seinen Plänen – Kritik kommt jetzt auch aus innerstem Kreis
Wladimir Putin ist so isoliert wie noch nie seit Beginn seiner Amtszeit. Ein Streit des Kremlchefs mit einem Mitglied seines innersten Kreises fand nun sogar Erwähnung im Geheimdienstbericht von US-Präsident Biden.
Moskau - Der russische Präsident Wladimir Putin hat offenbar aufgehört, sich mit seinen Ministern zu beraten und sie über seine Pläne zu informieren. Das geht aus einem Bericht der russischen Zeitung Meduza vom Freitag hervor. Es scheint einsam um den Präsidenten zu werden, allerdings sinken damit im Ukraine-Krieg auch die Kontrollinstanzen von außen. Nur noch wenige Personen dürften Einfluss auf den Kremlchef haben - und selbst innerhalb seines engsten Kreises regt sich offenbar Kritik.
Kremlchef Putin berät sich offenbar nicht mehr mit Ministern

Er vertraue nur sich selbst, heißt es über den Kremlchef. Wie zum Beweis ging Putin nach Beginn der erfolgreichen ukrainischen Gegenoffensive offenbar dazu über, Befehle direkt an die Front zu erteilen. Seinen Generälen in Cherson hatte der russische Präsident demnach einen Rückzug verboten - und damit Menschenleben aufs Spiel gesetzt. Das sorgte laut New York Times für Spannungen innerhalb der Armee und verschlechterte die Moral der russischen Truppen weiter.
Am Freitag wurde bekannt, dass Putin nun offenbar auch aufgehört hat, sich mit seinen Ministern zu beraten. Über seine Pläne werden die Politiker demnach im Unklaren gelassen, berichtete die russische Zeitung Meduza am Freitag und berief sich dabei auf anonyme Quellen aus Regierungskreisen. Alle kritischen Entscheidungen träfe der Kremlchef demnach allein - nach einem kurzen Gespräch mit der Führung der Spezialdienste und der Strafverfolgungsbehörden. Früher sei dies anders gewesen, so die anonyme Quelle aus Regierungskreisen. Zuerst habe sich der Kremlchef damals Vorschläge [...] angehört und dann den Vorschlag ausgewählt, der ihm optimal erschien. Heute könnten nur noch Mitglieder des Sicherheitsrates der Russischen Föderation Putins Entscheidungen teils beeinflussen, so der Bericht weiter.
Putin mache allen höllische Angst. „Aber es ist Angst ohne Respekt. Seit ein paar Jahren gibt es keinen Respekt (für ihn),“ wird die Person aus Regierungskreisen zitiert. Gleichzeitig hat diese Angst offenbar auch ernste Konsequenzen. Die Politiker würden es nicht wagen, [...] mit Putin zu streiten und Berichte würden geschönt. „Als Uljukajew verhaftet wurde, hat jeder alles verstanden“, so die regierungsnahe Quelle in Anspielung auf den ehemaligen russischen Wirtschaftsminister Alexei Walentinowitsch Uljukajew, der 2016 abgesetzt und aufgrund angeblicher Korruptionsvorwürfe verhaftet wurde.
Kritik an Putin kommt direkt aus seinem engsten Umfeld
Auch im innersten Kreis des Kremlchefs regt sich nun offenbar Kritik. Eine Meinungsverschiedenheit zwischen Putin und einem Mitglied seines engsten Umfelds wurde als so bedeutsam erachtet, dass sie Erwähnung im täglichen Geheimdienst-Briefing von US-Präsident Joe Biden fand. In den letzten Wochen habe sich die Person direkt an den russischen Präsidenten gewandt und Kritik an der Kriegsführung geübt. Das berichtete die US-Zeitung Washington Post unter Berufung auf Informationen des amerikanischen Geheimdienstes. Dies sei der bislang deutlichste Hinweis auf Turbulenzen innerhalb der russischen Führung.
Diese neuen Erkenntnisse unterstreichen die Uneinigkeit in Putins Führungsriege. Dort scheue man sich seit langem, dem autokratischen Staatschef schlechte Nachrichten zu überbringen, so der Bericht weiter. Putin zählt demnach nur wenige Menschen zu seinen engen Beratern. Sein engster Kreis besteht in erster Linie aus Kollegen aus seiner Zeit als KGB-Offizier und aus Menschen, die er während seiner Zeit als Stellvertreter des Bürgermeisters von St. Petersburg in den 1990er Jahren nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion kennengelernt hatte. Derzeit gilt der Kremlchef als so isoliert wie nie in seiner 22-jährigen Regierungszeit.
Innerhalb der Führungsriege scheint es zudem zu Umbrüchen zu kommen. Putin ernannte den Machthaber der russischen Region Tschetscheniens, Ramsan Kadyrow, kürzlich zum Generaloberst im Ukraine-Krieg. Der als „Putins Bluthund“ bekannte Politiker hatte zuvor immer wieder das russische Verteidigungsministerium für Fehlschläge kritisiert. Experten werteten die Beförderung als Zeichen dafür, dass Putin seinen jetzigen Verteidigungsminister Sergei Schoigu zum „Sündenbock“ für die militärischen Fehlschläge machen wolle.