Scholz schickt Warnung an Putin – Berlin-Verhandlungen bringen nach neuneinhalb Stunden kein Ergebnis
Um die Lage an der Grenze zur Ostukraine zu entschärfen, spricht Kanzler Scholz in Berlin mit zahlreichen Ländervertretern. Britische und russische Minister streiten öffentlich. News-Ticker.
- Kanzler Olaf Scholz* äußerte sich am Donnerstag (10. Februar) nach einem wahren Gesprächsmarathon zur Ukraine-Krise (Update vom 10. Februar, 18.18 Uhr).
- Auch in Moskau wird verhandelt - dabei kam es zu einem Streit auf offener Bühne (Update vom 10. Februar, 14.55 Uhr).
- Gespräche im Normandie-Format* in Berlin enden nach über neun Stunden ergebnislos (siehe Update vom 11. Februar, 9.30 Uhr).
- Dieser News-Ticker zu den Beratungen rund um die Ukraine-Krise wird fortlaufend aktualisiert.
Update vom 11. Februar, 9.30 Uhr: Eine neue Gesprächsrunde zur Ukraine-Krise im sogenannten Normandie-Format in Berlin hat keinen Durchbruch gebracht. Die „schwierigen Gespräche“ gingen nach neuneinhalb Stunden in der Nacht zum Freitag zu Ende, wie die Nachrichtenagentur AFP aus deutsch-französischen Verhandlungskreisen erfuhr. In den Gesprächen auf Ebene der außenpolitischen Berater der beteiligten Länder seien „die unterschiedlichen Positionen und verschiedene Lösungsoptionen deutlich herausgearbeitet“ worden.
Es sei aber auch deutlich geworden, dass alle Teilnehmer des Normandie-Formats an den Minsk-Vereinbarungen festhielten, hieß es aus den Verhandlungskreisen weiter. An der Umsetzung dieser Vereinbarungen werde „weiter mit Nachdruck gearbeitet“. Gemeinsam hätten die Gesprächsteilnehmer vereinbart, sich nach den nächsten Sitzungen der sogenannten Trilateralen Kontaktgruppe, der Vertreter Russlands, der Ukraine und der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa angehören, im März erneut zu treffen.
Ukraine-Krise: Balten fordern Stärkung der Nato-Ostflanke
Update vom 10. Februar, 21.30 Uhr: Die baltischen Staaten Estland, Lettland und Litauen haben eine Stärkung der Nato-Ostflanke gefordert. Dies sei „von entscheidender Bedeutung“, sagte der litauische Staatspräsident Gitanas Nauseda am Rande des Treffens mit Kanzler Scholz in Berlin. Die Nato müsse „in der Lage sein, rasch zu reagieren und entschlossen zu reagieren in der Region“, ergänzte Litauens Staatsoberhaupt.
Estlands Ministerpräsidentin Kaja Kallas rief EU und Nato zu „Geschlossenheit, Entschlossenheit und strategischer Geduld“ auf. Aus ihrer Sicht kann jedes Zeichen der Uneinigkeit und mangelnder Entschlossenheit ein falsches Signal an Russland senden. Lettlands Regierungschef Krisjanis Karins wünscht sich eine stärkere Rolle Deutschlands, dies sei von „grundsätzlicher Bedeutung“. Die drei baltischen Staaten grenzen allesamt an Russland, zudem sind Lettland und Litauen Nachbarstaaten von Russlands Verbündetem Belarus.
Ukraine-Krise: Scholz warnt Putin – „Russland sollte unsere Entschlossenheit nicht unterschätzen“
Update vom 10. Januar, 18.18 Uhr: Bundeskanzler Olaf Scholz hat in Berlin nach seinem Gesprächsmarathon zur Ukraine-Krise ein Statement abgegeben. „Es geht um nicht weniger als darum, einen Krieg in Europa zu verhindern“, bekräftigte Scholz. „Wir sind geschlossen und entschlossen“, ergänzte der deutsche Regierungschef bezüglich der Gespräche mit den Nato-Verbündeten Estland, Lettland und Litauen. Ein Einmarsch russischer Truppen in die Ukraine werde „sehr schwere wirtschaftliche, politische und strategische Konsequenzen für Russland nach sich ziehen“, sagte Scholz. „Zugleich sind wir bereit zu einem ernsthaften Gespräch mit Russland“, betonte der Kanzler. Die Nato habe Russland bereits „konkrete Vorschläge“ zu Fragen der europäischen Sicherheit unterbreitet.
Der Kanzler mahnte in Richtung Moskau, dass „Russland unsere Einigkeit und Entschlossenheit nicht unterschätzen“ sollte. „Wir erwarten von Russland nun eindeutige Schritte, um die gegenwärtigen Spannungen in der Region zu verringern.“ Deeskalation sei „das Gebot der Stunde“.
Ukraine-Krise: Polens Regierungschef Morawiecki erhebt Vorwürfe gegen Russland
Update vom 10. Januar, 16.10 Uhr: Polens Regierungschef Mateusz Morawiecki hat vor Versuchen Russlands gewarnt, die Nato-Partner zu entzweien. „Putins politisches Ziel ist es, die Nato auseinanderzureißen, daher müssen wir unbedingt zeigen, wie geeint wir sind. Es gibt in der Tat ein großes Verständnis zwischen uns über diese Spannungen, die an der Ostflanke der Nato auftreten“ sagte Morawiecki am Donnerstag in Warschau nach seinem Treffen mit dem britischen Premierminister Boris Johnson.
Johnson sagte, weder Polen noch Großbritannien könnten eine Welt akzeptieren, in der ein mächtiger Nachbar andere einschüchtere oder angreife. Polen nehme eine Schlüsselrolle bei der europäischen Sicherheit ein, betonte der britische Premier.
Ukraine-Krise: Putins und Johnsons Minister fetzen sich auf offener Bühne - „Unvorbereitet!“
Update vom 10. Februar, 14.55 Uhr: Mit Gesprächen wollen Russland und der Westen eine Eskalation in der Ukraine-Krise vermeiden. Doch aktuell gelingt das nicht allen Fronten besonders gut. Nicht nur, dass Wladimir Putin und Russland die Teilnahme an der Münchner Sicherheitskonferenz gecancelt haben - nach den Gesprächen zwischen der britischen Außenministerin Liz Truss und ihrem russischen Amtskollegen Sergej Lawrow gab es auf offener Bühne Streit.
Lawrow warf Truss nach einem rund zweistündigen Gespräch am Donnerstag vor, unvorbereitet nach Moskau gereist zu sein. „Unsere ausführlichen Erläuterungen sind zumindest einmal auf unvorbereiteten Boden gefallen“, sagte Lawrow bei der gemeinsamen Pressekonferenz. Truss wiederum warnte, „Frieden und Stabilität“ in Europa seien durch Russland gefährdet. „Noch ist Zeit für Russland, seine Aggression gegen die Ukraine zu beenden und den Pfad der Diplomatie einzuschlagen.“
Die Britin forderte unter anderem den Rückzug russischer Truppen nahe der ukrainischen Grenze. Der Aufmarsch sorgt im Westen seit Wochen für Ängste vor einem möglichen Angriff Moskaus auf die Ukraine, was der Kreml dementiert. Truss warf der russischen Seite zudem bei ihrem Besuch in Moskau „Kalter-Krieg-Rhetorik“ vor.
Ukraine-Krise: Lawrow und Truss fetzen sich auf offener Bühne - „Hätte man als Liveübertragung führen können“
Lawrow zeigte sich sichtlich verärgert - und deutete an, dass Truss für ein solches Gespräch gar nicht hätte anreisen müssen. „Ich habe lange nicht mehr an diplomatischen Verhandlungen teilgenommen, die man mit Liveübertragung hätten führen können“, schimpfte der 71-Jährige, der Europas dienstältester Außenminister ist. „Denn wir haben nichts Geheimes, nichts Konfidenzielles, nichts Vertrauliches gehört - außer dem, was ständig von den hohen Tribünen in London tönt.“

Auch Johnson selbst leistet sich an anderem Ort einen Fauxpas. Bei der Pressekonferenz mit Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg (siehe Update von 12.15 Uhr) stieg der britische Premier direkt mit einem Fehler ein: Johnson begann seinen Redebeitrag am Donnerstag mit den Worten „Als die Nato vor mehr als 75 Jahren gegründet wurde....“, obwohl das 1949 gegründete Militärbündnis erst 2024 diesen Geburtstag feiern kann.
Update vom 10. Februar, 12.55 Uhr: Russland und das Nachbarland Belarus unter dem international isolierten Machthaber Alexander Lukaschenko* haben heute ein riesiges Militärmanöver gestartet. Die Russische Föderation und die USA samt Verbündeten beharken sich unterdessen verbal weiter.
Moskau müsse seine „Kalter-Krieg-Rhetorik“ aufgeben und ernsthafte Verhandlungen aufnehmen, forderte die britische Außenministerin Liz Truss bei einem Treffen mit dem russischen Außenminister Sergej Lawrow am Donnerstag in Moskau. „Es gibt einen alternativen Weg, einen diplomatischen Weg, der Konflikt und Blutvergießen vermeidet. Ich bin hier, um Russland zu drängen, diesen Weg einzuschlagen.“ Truss forderte, die Gespräche müssten die Souveränität und territoriale Integrität der Ukraine berücksichtigen, wie es Russland 1994 im Budapester Memorandum versprochen habe.
„Ideologische Ansätze, Ultimaten, Drohungen führen zu nichts“, sagte Lawrow bereits zu Beginn des Treffens. Viele seiner westlichen Kollegen hätten aber „eine Leidenschaft“ für diese Form der Kommunikation.
Ukraine-Krise: Johnson warnt vor „Krieg“ - und findet tröstende Worte für Kanzler Scholz
Update vom 10. Februar, 12.15 Uhr: Nicht nur in Berlin wird am Donnerstag an einer Lösung für den Ukraine-Konflikt gearbeitet (siehe Vorbericht unten) - auch in Brüssel laufen Gespräche. Dort allerdings ohne Russland. Bei einer gemeinsamen Pressekonferenz mit Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg warnte Großbritanniens Premier Boris Johnson vor einem „Krieg“ in der Ukraine. „Ein Krieg wäre katastrophal und auch sinnlos, tragisch und würde sehr schnell wirtschaftlich teuer für Russland“, sagte er. Stoltenberg sprach von einem „gefährlichen Moment für die europäische Sicherheit“.
Johnson attestierte die „größte Sicherheitskrise für Europa seit Jahrzehnten“. Seiner Ansicht nach hat Russland noch nicht über einen Angriff entschieden. „Aber das heißt nicht, dass ausgeschlossen ist, dass sehr bald etwas absolut Katastrophales geschehen könnte“, sagte der Premierminister. Johnson schloss auch weitere britische Truppenverstärkungen in Osteuropa nicht aus. Stoltenberg mahnte, weitere russische Aggressionen würden zu mehr Nato-Präsenz führen, nicht zu weniger.

Noch sei aber Gelegenheit, die Spannungen abzubauen und zum Dialog zurückzukehren. Stoltenberg rief Russland erneut auf, das Gesprächsforum des Nato-Russland-Rats zu nutzen. Das habe er am Donnerstag auch in einem Brief an den russischen Außenminister Sergej Lawrow deutlich gemacht, sagte er. Ab dem kommenden Mittwoch wollen die Nato-Verteidigungsminister in Brüssel nach seinen Angaben über eine Verstärkung der sogenannten Battle Groups in südöstlichen Mitgliedsländern beraten.
Johnson nahm zugleich Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) in Schutz, der wegen seiner Haltung zu der deutsch-russischen Gaspipeline Nord Stream 2 in der Kritik steht. Der britische Premier beglückwünschte Scholz dazu, „dass er eine härtere Haltung bei Nord Stream 2 angenommen hat“. Johnson fügte hinzu: „Das ist schwierig für Deutschland und die deutsche Wirtschaft“.
Ukraine-Krise: „Brandgefährliche“ Situation - Scholz lädt zu Gipfel-Marathon in Berlin

Vorbericht: Berlin - Die Lage im Osten der Ukraine* ist weiterhin „brandgefährlich“ - so zumindest schätzte der SPD-Außenpolitiker Michael Roth am Donnerstagvormittag (10. Februar) im ZDF-„Morgenmagazin“ die Situation an der Grenze zu Russland ein.
Um die angespannte Situation rund um die Ukraine zu entschärfen, kommt es in Berlin am Donnerstag zu einem wahren Diplomatie-Marathon. Zunächst soll in der Bundeshauptstadt eine zweite Gesprächsrunde im sogenannten Normandie-Format* stattfinden. Beteiligt: außenpolitische Berater aus Deutschland, Frankreich, Russland und der Ukraine. Ziel sei es, die „Meinungsverschiedenheiten zu verringern“ und eine Deeskalation im Ukraine-Konflikt herbeizuführen, sagte Vize-Regierungssprecher Wolfgang Büchner.
Scholz setzt im Ukraine-Konflikt zur Diplomatie-Offensive an - Normandie-Treffen in Berlin
Der russische Staatschef Wladimir Putin „rüstet weiter auf“, sagte Roth, der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses im Bundestag. „Wir haben rund 120.000 kampfbereite Soldaten an der russisch-ukrainischen Grenze, und nun kommt noch hinzu, dass Russland faktisch Belarus militärisch angeschlossen hat.“ Russland und Belarus wollen am Donnerstag offiziell ein gemeinsames Militärmanöver beginnen. Laut Kremlsprecher Dmitri Peskow sollen die Übungen diesmal größer als sonst ausfallen.
Das Normandie-Format war 2014 zur Befriedung des Konflikts in der Ostukraine ins Leben gerufen worden. Die Vermittlung zwischen Russland und der Ukraine durch Berlin und Paris führte zum Minsker Abkommen von 2015. Kiew und Moskau werfen sich allerdings gegenseitig regelmäßig Verstöße gegen das Abkommen vor.
Ukraine-Krise: Scholz trifft sich mit baltischen Staaten
Der russische Truppenaufmarsch an der Grenze zur Ukraine führt auch zu Besorgnis in den drei baltischen Ländern. Am Donnerstagabend will sich deshalb Bundeskanzler Olaf Scholz* in Berlin mit dem litauischen Präsidenten Gitanas Nauseda, der estnischen Ministerpräsidentin Kaja Kallas und dem lettischen Ministerpräsidenten Krisjanis Karins treffen.
Kallas sprach sich vor dem Treffen im Kanzleramt dafür aus, die Ukraine mit Waffen zur Verteidigung gegen Russland zu versorgen. „Es ist jedem Land selbst überlassen, welche Art von Hilfe es der Ukraine anbieten möchte. Wir halten es für sehr wichtig, der Ukraine in jeder erdenklichen Weise zu helfen“, sagte sie der dpa. „Estland ist bereit, Waffen und Munition bereitzustellen, um der Ukraine in Zusammenarbeit mit unseren Verbündeten zu helfen, sich gegen eine russische Aggression zu verteidigen.“ Alle drei baltischen Staaten sprechen sich gegen die Inbetriebnahme der Ostseepipeline Nord Stream 2 aus und befürworten einen harten Kurs gegenüber Russland, mit dem sie eine gemeinsame Grenze teilen.
Ukraine-Krise: Russlands Botschafter warnt vor Ost-Erweiterung der Nato
Diplomatische Bemühungen zur Entschärfung der Krise* gibt es auch auf anderen Ebenen. So wird der britische Premierminister Boris Johnson am Donnerstagvormittag zunächst in Brüssel auf den scheidenden Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg treffen und anschließend nach Polen reisen, um sich mit Präsident Andrzej Duda und Ministerpräsident Mateusz Morawiecki über die Lage auszutauschen. Außerdem hält sich die britische Außenministerin Liz Truss in Moskau auf, wo sie Russland dazu aufforderte, seine Truppen umgehend von der ukrainischen Grenze abzuziehen.
Russlands Botschafter in Deutschland, Sergej Netschajew, bekräftigte unterdessen, dass sein Land keinerlei Interesse an einer kriegerischen Auseinandersetzung mit der Ukraine habe. „Wir wollen diesen Konflikt auf keinen Fall ausbrechen lassen“, sagte er den Zeitungen des Redaktionsnetzwerks Deutschland. Gleichzeitig warf er der Nato gebrochene Versprechen vor und warnte vor einer Aufrüstung der Ukraine. Die Nato dürfe nicht nach Osten erweitert werden und in der Nachbarschaft Russlands nicht weiter aufrüsten. Außerdem forderte Netschajew den „Rückzug der militär-technischen Infrastruktur der Nato auf den Stand von 1997, als wir die Russland-Nato-Grundakte unterzeichnet haben“. (sh/AFP/dpa) *Merkur.de ist ein Angebot von IPPEN.MEDIA.