Deutschland schon Ukraine-Kriegspartei? Heikler Bundestags-Bericht zu Völkerrecht
Mit der Ausbildung ukrainischer Truppen könnte Deutschland den Bereich der „Nichtkriegsführung“ verlassen. Das legt ein Bericht des Wissenschaftlichen Dienst des Bundestags nahe.
Berlin - Deutschland könnte durch die Ausbildung ukrainischer Soldaten an westlichen Waffensystemen zu einer Kriegspartei im eskalierten Ukraine-Konflikt werden. Das schlussfolgerte der Wissenschaftliche Dienst des Bundestags in einem Gutachten.
In den Wochen, bevor sich die Ampel-Regierung um Kanzler Olaf Scholz dazu entschied, schwere Waffen an die Ukraine zu liefern, wurde häufig das Argument bemüht, dass sich Deutschland somit zu einer Kriegspartei machen würde. Dem wird im Bericht des Wissenschaftlichen Dienstes jedoch widersprochen. Dennoch werden angeblich bereits jetzt ukrainische Truppen in Deutschland ausgebildet.
Ukraine-News: Waffenlieferungen müssen keine Kriegsbeteiligung sein
Im Gutachten heißt es, dass Waffenlieferung keinen Kriegsbeitritt darstellen, solange Deutschland nicht an Kampfhandlungen beteiligt ist. Darüber herrscht ein völkerrechtlicher Konsens. Der Bericht stellt zudem klar, dass der Umfang der Waffenlieferung und die Art der Waffensysteme, ob „offensive“ oder „defensive“ Waffen geliefert werden, keine Rolle spielen. Die Ausbildung von ukrainischen Soldaten an deutschen Waffensystemen stellt jedoch einen Unterschied zu der bloßen Lieferung ebenjener dar: „Erst wenn neben der Belieferung mit Waffen auch die Einweisung der Konfliktpartei beziehungsweise Ausbildung an solchen Waffen in Rede stünde, würde man den gesicherten Bereich der Nichtkriegsführung verlassen.“
Im Gutachten wird weiter ausgeführt, dass jeder Staat das Recht hat, einen „angegriffenen Staat zu unterstützen, ohne dabei selbst Konfliktpartei werden zu müssen: Dabei nimmt der unterstützende Staat eine nicht-neutrale, gleichwohl aber am Konflikt unbeteiligte Rolle ein“. Staaten, die Waffen liefern, jedoch nicht in Kampfhandlungen involviert sind, befinden sich im Bereich der sogenannten „Nichtkriegsführung“. Dieses Recht geht aus der Charta der Vereinten Nationen hervor, an die sich laut dem Bericht auch Russland gebunden fühlt. Das Gutachten, welches den Namen „Rechtsfragen der militärischen Unterstützung der Ukraine durch NATO-Staaten zwischen Neutralität und Konfliktteilnahme“ trägt, war bereits vor der deutschen Entscheidung, schwere Waffen an die Ukraine zu liefern, verfügbar.
Ukraine-News: Ukrainische Soldaten werden auf deutschem Boden ausgebildet
Deutschland hat jedoch nicht nur die Lieferung schwerer Waffen an die Ukraine angekündigt, sondern auch die Ausbildung ukrainischer Soldaten an westlichen Waffensystemen. Die Ausbildung findet sogar auf deutschem Boden statt. Am vergangenen Dienstag (26. April) kündigte die Verteidigungsministerin Christine Lambrecht an: „Wir arbeiten gemeinsam mit unseren amerikanischen Freunden bei der Ausbildung von ukrainischen Truppen an Artilleriesystemen auf deutschen Boden“. Des Weiteren erklärte Lambrecht, dass die Bundeswehr, gemeinsam mit der niederländischen Armee, ukrainische Soldaten an Panzerhaubitzen ausbilden werde. Für dieses Waffensystem soll die Bundeswehr ebenfalls Munition an die Ukraine liefern.
Die US-Armee hat bereits mit der Ausbildung ukrainischer Soldaten in Deutschland begonnen. Bei dem Training gehe es unter anderem um die Bedienung von Haubitzen und Radarsystemen, die Kiew im Rahmen der Militärhilfe zur Verteidigung gegen Russland zur Verfügung gestellt werden, sagte Pentagon-Sprecher John Kirby am Freitag in Washington. Die Ausbildung erfolge in Abstimmung mit der deutschen Regierung. Die ukrainischen Soldaten werden demnach von Nationalgardisten aus Florida trainiert, die vor der russischen Invasion in der Ukraine stationiert waren und dort bereits Soldaten ausgebildet hatten. (lp/AFP/dpa)