Ukraine-Krieg: Peking lässt aufhorchen - China und Russland „keine Verbündeten“
China hat nach der indirekten Atomdrohung von Wladimir Putin zur Ruhe aufgerufen. Geht Peking auf Distanz zu Moskau? Beide sind laut einem Sprecher keine Verbündeten.
Peking/New York/München – China geht im Ukraine-Konflikt* in Trippelschritten auf Distanz zu Russland und Wladimir Putin. China und Russland seien „strategische Partner”, nicht aber „Verbündete“, betonte Außenamtssprecher Wang Wenbin am Montag in Peking. China entscheide seine Haltung und Politik jeweils im Einzelfall selbst. „Alle Seiten sollten ruhig bleiben, Zurückhaltung zeigen und eine weitere Eskalation vermeiden”, sagte Wang als Reaktion auf die Erhöhung der Alarmbereitschaft für die russischen Abschreckungswaffen durch Putin.
Diese wird weltweit als Drohung mit einem Atomschlag aufgefasst, auch wenn Putin nicht ausdrücklich von Nuklearwaffen gesprochen hatte. China* unterstütze alle Bemühungen für eine Entspannung und eine friedliche politische Lösung, sagte Wang.

Ukraine-Konflikt: Lässt China Putin fallen?
Dies ist umso bemerkenswerter, als Wang und seine Kollegen im Außenministerium bisher in dem Konflikt eher mit forscheren Aussagen aufgefallen sind. Wangs Kollegin Hua Chunying wetterte mehrfach gegen die Rolle der USA und bezweifelte gar, ob es sich beim russischen Einmarsch in die Ukraine wirklich um eine „Invasion“ handele*. Bislang hatten sich vor allem Chinas Delegation um UN-Botschafter Zhang Jun in New York um diplomatische Aussagen bemüht. Am Freitagabend hatte sich China in der russlandkritischen Resolution des UN-Sicherheitsrates enthalten – und nicht etwa gemeinsam mit Russland ein Veto eingelegt.
China könnte am Ende doch vor allem auf die eigenen Interessen schauen. Je mehr Russland in der Ukraine unter Druck gerät, und je mehr Putin von einem aus Sicht Pekings wohl überraschend eng zusammenstehenden Westen geächtet wird, desto mehr Zweifel dürfte die Regierung an einer Bindung an Moskau haben. Eine Allianz mit einem ausgegrenzten Verlierer bringt wenig Nutzen. Staatschef Xi Jinping* äußert sich nicht öffentlich, dürfte aber genau abwägen, was er tut. Zu Beginn der Olympischen Spielen hatte sich Xi noch demonstrativ gemeinsam mit Wladimir Putin* gezeigt.
Generell schätzt Peking zudem keine Nuklearwaffen in seiner Nachbarschaft. China ist es seit Jahrzehnten nicht gelungen, das ebenfalls als „Verbündeter Pekings“ geltende Nordkorea von seinem Atomkurs abzubringen. Trotz aller Bruderschaftsbekundungen mit Pjöngjang ist eine atomwaffenfreie koreanische Halbinsel ein außenpolitisches Ziel Pekings. Doch selbst China scheitert an der Hartnäckigkeit des nordkoreanischen Machthabers Kim Jong-un. Ein mit Atomwaffen drohendes Russland kann Peking nicht wirklich gebrauchen.
Ob russische Raketen auch Städte wie Essen, Dortmund oder Köln erreichen können*, hat ruhr24.de* sich in einem Artikel angeschaut.
China: Bei den Menschenrechten hört die Diplomatie auf
Allerdings gibt es auch Grenzen der Neutralität Pekings bei den Vereinten Nationen. So stimmte der Vertreter Pekings im UN-Menschenrechtsrat in Genf am Montag gegen die Aufnahme einer Dringlichkeitsdebatte zur Ukraine-Krise – gemeinsam mit Russland selbst, sowie Eritrea, Kuba und Venezuela. Es ist eine Liste von Staaten, die eher durch die Verletzung von Menschenrechten auffallen, als durch ihren Schutz. Indien und zwölf weitere Länder enthielten sich der Stimme. Da aber 29 Mitglieder dafür stimmten, wird die Debatte stattfinden.
Die Vertreterin der Ukraine, Jewhenija Filipenko, hatte in ihrem Antrag betont, dass Russland bei seinem Vormarsch bewusst zivile Ziele wie Kindergärten und medizinische Einrichtungen angreife. „Diese Akte könnten zu Kriegsverbrechen werden“, sagte Filipenko. Bisher sind nach ukrainischen Angaben mehr als 350 Zivilisten getötet worden, darunter 16 Kinder. Russland verwies in seiner Ablehnung der Debatte auf die jahrelangen Leiden der russischsprachigen Bevölkerung in der ukrainischen Region Donbass.
China reagiert stets sehr dünnhäutig auf Kritik an seinem Umgang mit den Menschenrechten*. Dass es sich nun zumindest in dieser Frage nicht zu einer Enthaltung durchringen konnte und aus eigener Empfindlichkeit heraus doch zum Komplizen Russlands macht, ist aus westlicher Sicht unerfreuliches Signal. (ck/dpa) *Merkur.de ist ein Angebot von IPPEN.MEDIA.