Nicht vor Putins Gasdrohung einknicken, Kanzler!

Die Reise von Bundeskanzler Olaf Scholz, Macron und Draghi nach Kiew macht Putin offenbar nervös. Jetzt müssen die drei Staatenlenker Stärke zeigen. Ein Kommentar von Georg Anastasiadis.
Es bewegt sich was in der SPD. Nach Bundespräsident Steinmeier hat sich nun auch der frühere Außenminister und SPD-Chef Sigmar Gabriel für Fehler in der Russlandpolitik entschuldigt, und das in Worten, die für führende Politiker der deutschen Nachkriegsgeschichte beispiellos sind. Gabriel spricht von einem „kompletten Versagen“ und dem „größten Scheitern der deutschen Außenpolitik seit dem Beginn der Bundesrepublik“. Damit beschämt er nicht nur seinen einstigen Kanzler und Förderer Gerhard Schröder, sondern auch Alt-Bundeskanzlerin Angela Merkel, die unbeirrt vom Sterben in der Ukraine eisern festhält an ihrem bekannten Mantra, sie wisse nicht, was sie im Umgang mit Putin anders hätte machen sollen.
Für Kanzler Olaf Scholz ist das Bekenntnis Gabriels Ansporn und Verpflichtung, es in Osteuropa besser zu machen als seine Parteifreunde in den vergangenen zwei Jahrzehnten. Natürlich nerven die ständigen, nicht selten auch ungerechten Ermahnungen von Botschafter Melnyk und Präsident Selenskyj. Ganz falsch ist dessen Vorwurf einer deutschen Schaukelpolitik, die es zu oft dem Kreml recht zu machen versuche, aber nicht. Auch wenn Putin nun mit der Gaswaffe herumfuchtelt und die Energielieferungen nach Westeuropa drosselt: Bei seinem bevorstehenden Ukraine-Besuch sollte Scholz sich nicht einschüchtern lassen und ein neues Kapitel im deutschen Umgang mit den tödlich bedrängten Freunden im Osten aufschlagen. Natürlich bleibt es für Scholz die oberste Verpflichtung, Deutschland nicht in den Krieg hineinziehen zu lassen. Doch sind Berlins Möglichkeiten, den Menschen in der Ukraine beizustehen, noch nicht ausgeschöpft. Dem Untergang der Ukraine zuzusehen, bis Putin sich den Nato-Ländern im Baltikum zuwendet, wäre ein Fehler, der jene der Vergangenheit noch in den Schatten stellen würde.
Atommeiler übergangsweise weiterlaufen zu lassen wäre ein Signal der Stärke an Putin
Doch auch energiepolitisch wäre es gut, wenn Scholz die Fehler der Merkel-Ära wenigstens teilweise rückabwickeln würde. Dazu gehört, angesichts der Moskauer Drohungen mit dem Zudrehen des Gashahns alle denkbaren Energiereserven zu mobilisieren. Noch laufen in Deutschland ein paar Atommeiler, drei sollen am Ende des Jahres abgeschaltet werden, drei weitere könnten reaktiviert werden. Dann müsste Deutschland im kommenden Winter weniger wertvolles Gas verstromen. Die überfällige Entscheidung, die Meiler übergangsweise weiterlaufen zu lassen, wäre ein Signal der Stärke an Putin. Und nur diese Sprache versteht der Kremlchef.